Montag, 17. April 2017

Gelesen: Tonari no Guardian



Das Leben ist wirklich kein Zuckerschlecken! Die junge Rio hat es im Leben nicht leicht. Ihre Eltern sind früh gestorben und haben sie mit ihrem kleinen Bruder zurück gelassen. Seitdem übernimmt sie nicht nur die Erziehung ihres Bruder, sondern muss auch noch für ihren Lebensunterhalt schwer arbeiten und den Haushalt schmeißen! Das ist zu viel für ein armes, junges Mädchen wie sie. Kein Wunder, dass sie also absolut kein Interesse an Romanzen in der Highschool hat. Sie hat weitaus wichtigere Dinge zu tun. Wie der Zufall es aber will, entdeckt sie auf einem Markt einen Händler, der ihr eine seltene Karte anbietet. Obwohl sie nicht an Zauberei glaubt, kauft sie sich, in der Hoffnung die Karte teuer verkaufen zu können um der finanziellen Notlage zu entkommen. Doch damit nimmt das Schicksal seinen Lauf und ihr Leben wird vollkommen auf den Kopf gestellt. Denn diese Karte ist keine normale...




Soweit also zur Ausgangssituation des Manga. Obwohl er gerade mal nur zwei Bände umfasst, wird dem Leser doch einiges an Stoff geboten. Rio verfällt in einen tiefen Schlaf und trifft im Traum einen hübschen ausländisch aussehenden jungen Mann, der sich als Ritter Lanzelot entpuppt. Klingt schon mal nach einem Anfang eines kitschigen Hollywoodsfilm, wird aber nicht so schlimm, wie man es erwarten würde. Langsam aber sicher wird Rio klar, dass diese Karte einen magischen Ursprung hat, spätestens dann als dann Lanzelot wirklich in ihrer Welt erscheint. Realität und Fantasie prallen aufeinander und sowieso scheint sich das Spiel mit Gegensätzen und Kontrasten durch die gesamte Handlung hindurchzuziehen und verleiht dem Manga immer wieder an Spannung. Ich finde die Idee, dass man eben zwei Welten oder Kulturen so aufeinander treffen lässt schon reizvoll. Damit hebt sich der Manga deutlich von dem restlichen Einheitsbrei ab. Aber die Frage ist natürlich, wie man die Entfaltung der Geschichte bewerten soll?

Zunächst zu den positiven Aspekten des Manga. Es ist schon mal ganz interessant, dass die Hauptfigur aus einer anderen Zeitepoche und einer anderen Kultur entstammt, damit sind Konflikte vorprogrammiert. Das macht sich der Manga zunutze, um jede Menge peinliche und amüsante Momente aufkommen zu lassen. Wenn europäische Sitten und Manieren auf japanische treffen, kann es meist nicht gut gehen, wenn ihr mich fragt. Da wäre zum einen der Aspekt der Freizügigkeit wie auch der der Liebesbekundung, die ja in Japan total anders aufgefasst und gehandhabt werden. Das klingt alles ein wenig nach Klischees, aber etwas Wahrheit steckt dann tatsächlich im Manga drin. So hat Lanzelot keinerlei Probleme seinen nackten Körper zur Schau zu stellen und macht Rio eindeutige Avancen, die sie förmlich explodieren lassen vor Scham. Ich muss zugeben, dass ich immer wieder schmunzeln musste. Die Komik funktioniert meiner Ansicht nach ganz gut und nutzt sich nicht so schnell ab. Auch wird deutlich, dass Lanzelot ein ziemlicher Frauenheld ist und gerne verwöhnt und angehimmelt werden möchte. Sehr zum Leidwesen von Rio, die sich genervt von ihm abwendet. Was dann wiederum zum Eifersuchtsproblem führt, was in fast jedem Shojo Manga prominent ist. 

Hinzu kommt dann noch, dass Lanzelot den Alltag von Rio total auf den Kopf stellt mit seinen Macken und dann soll er auch noch auf ihre Schule gehen! Ich finde es gut, dass an einigen Stellen gezeigt wird, welche Probleme er mit der Integration in diese neue Zeit und Kultur hat, hätte mir gewünscht, dass das mehr ausgebaut wird. Aber das Fremdsein ist ja nur ein Aspekt und eher Grundgerüst, im Kern wird ja die Beziehung zwischen beiden fokussiert.  Und zeigt der Manga sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zu den gewöhnlichen Shojo-Manga. Wie schon erwähnt ist die Eifersucht ein Kernproblem und Lanzelot in dem Sinne nicht wirklich bewusst. Zum anderen ist sich Rio nicht sicher über ihre Gefühle, was das Hauptthema im ersten Band ist. Einerseits findet sie ihn schon wahnsinnig attraktiv und anziehend und außerdem bemerkt sie, dass sie besondere tiefe Gefühle für ihn entwickelt. Andererseits ist sie natürlich verwirrt, denn das ist das erste Mal für sie, dass sie so empfindet. Auch das zweideutige Handeln von Lanzelot, generell eben das unterschiedliche Kommunikationsverhalten der beiden erschwert die Anbahnung der Liebe. 

Das Ganze wird dann noch schön verpackt, als ein anderer Schulkamerad um sie buhlt und es dann zwischen ihm und Lanzelot zu einer Art Kampf kommt, bei dem beide versuchen Rio einen Kuss zu rauben. Zwangsläufig wird sie dann zur Beute, was sie nicht gerade berauschend findet. Hat sie überhaupt mal Mitspracherecht? Ihr seht, es werden zwar auch einige ernstere Töne angeschlagen, aber vor allem im ersten Band überwiegt die Comedy, die durchweg ganz unterhaltsam gestaltet ist. Den Höhepunkt macht dann die Entscheidung von Rio aus, denn auf der einen Seite mag sie Lanzelot sehr, weiß aber nicht, woran sie bei ihm ist. Mit dem anderen Typen dagegen wäre sie auf der sicheren Seite. Gefühle und Verstand befinden sich bei der Heldin immer wieder in einem Dilemma. Das ist auch ein netter Aspekt, der zum Erwachsensein dazu gehört. Schlussendlich könnt ihr euch  ja denken, für wen sie sich entscheidet, aber damit ist der Manga ja noch nicht zu Ende.



Ich finde den zweiten Band im allgemeinen wesentlich besser und werde euch auch verraten weswegen. Erstmal vorweg, mag es den Leser überrumpeln, dass zu Beginn Lanzelot eindeutig „das Eine“ von Rio will. An der Stelle dachte ich mir: „ Was ist denn jetzt los? Habe ich irgendetwas verpasst?!“ Aber nein, das ist echt der Einstieg, der sehr überrascht, andererseits auch irgendwie etwas abrupt kam. Positiv fand ich den Überraschungseffekt, aber eben auch negativ, dass man den roten Faden nicht sofort hat und anscheinend einige Zeit seit dem ersten Band vergangen ist. Was ich andererseits aber schon mal echt gut finde, dass es mal wirklich ans Eingemachte geht. Mich nervt an vielen Shojo Manga, dass dieser körperliche Aspekt meist eher beiläufig thematisiert oder eben komplett ausgeblendet wird. Daher mag ich auch Mangaka wie Ako Shimaki, die das eben nicht tun, sondern bewusst auch erotische Akzente setzen. Das ist schon mal recht positiv und auch die Art und Weise wie es gemacht wird, fand ich gut. Mag sein, dass es einigen vielleicht zu schnell geht, aber man muss eben bedenken, dass der Manga nur zwei Bände hat. Daher wahrscheinlich auch dieser große Zeitsprung zwischen Band 1 und Band 2. Der zweite Band handelt vor allem eben von der sexuellen Problematik wie auch dem Trennungsschmerz, worauf ich noch eingehen werde. Damit bewegt sich der Manga weg von der rein komischen Ebene zu einer tieferen, emotionaleren, was echt gut gelungen ist.

Grob gesagt erfährt Lanzelot, dass er nicht in dieser Welt bleiben kann. Tut er es doch, muss er mit dem Tod rechnen. Insofern ist es also egal, ob er bleibt oder nicht, in beiden Fällen wird das Liebespaar getrennt. Und das kleinere Problem ist eben die Entwicklung ihrer Beziehung. Lanzelot als Mann kann es kaum abwarten Rio zu verführen und sie zur Frau zu machen, während sie sich vehement dagegen wehrt, weil sie noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht hat und dementsprechend Zeit und Kraft braucht. Beide Probleme werden, wie ich finde, ganz gut miteinander verbunden. Ansonsten orientiert sich die Konfliktentfaltung an Muster aus anderen Shojo Manga. Was tut der Kerl meist, damit er mit der Trennung zurecht kommt? Genau, er beredet es nicht in Ruhe mit seiner Freundin, sondern behält es für sich und gibt sich bewusst kühl und distanziert. Das geht soweit, dass er sie sogar mit Worten emotional verletzt und ihr sogar Vorwürfe macht. Mir ist diese Vorgehensweise schon oft aufgefallen und ist nicht mal nur typisch für solche Manga, sondern generell so eine Kommunikationsschwierigkeit auch in Büchern und Filmen und geht mir manchmal schon mal auf die Nerven. Ich kann aber verstehen, dass Lanzelot das tut, er will sie damit eben nur beschützen, aber verletzt sie eben dadurch ebenso. 

Jedenfalls kommt es irgendwann heraus und die beiden können nicht mal eine wirkliche Entscheidung treffen, denn so oder so, sie müssen getrennte Wege gehen und sich damit abfinden. Ich fand das schon recht tragisch und auch realistisch, denn oftmals ist das so, dass man doch nicht die Wahl hat, oder sich für das kleinere Übel entscheiden muss. Der Manga wäre aber kein Shojo Manga, wenn es nicht doch noch eine andere Lösung gibt. Und das fand ich dann doch etwas naja erzwungen und konstruiert. Denn auf einmal gibt es die dritte Alternative, nämlich dass einfach einer von den beiden seine Erinnerung auslöschen lässt, wodurch Lanzelot in dieser Welt bleiben kann. Ich fand es ehrlich gesagt echt komisch, dass diese Option erst dann aufkam, als Rio davon erfahren hat. Es fühlte sich wie „deus ex machina“ an, wie in einem Märchen kommt von irgendwoher doch noch ein Licht. Natürlich ist das nicht die perfekte Lösung, denn ein Opfer muss erbracht werden. Das Ganze  mildert aber die Tragik, denn so ist wenigstens die Chance da, dass Lanzelot bleiben kann. Nun ist die Frage, wer von den beiden seine Erinnerungen abgibt. Derjenige, der sie aber behält, hat es schwerer, weil er leiden muss, der Geliebte sich nicht an einen erinnern kann. Es kommt dann im Endeffekt doch ganz anders als gedacht, wodurch die Handlung noch mal an Spannung und Dramatik gewinnt. Aber von vornherein ist klar, wie es ausgehen wird. Ich fand in dem Zusammenhang schön, dass die sexuelle Komponente als Hilfe zur Erinnerung eingebaut wurde. Auch wenn sich der Geist nicht mehr erinnert, vergisst der Körper zumindest nicht. 


Schlussendlich fand ich den zweiten Band wesentlich besser als den ersten, weil hier einfach mehr Gefühl und Tiefgang vorhanden war und mich das einfach viel mehr fesselte. Es wirkte auch alles mehr geordnet und hatte eine innere Logik. Dagegen war der erste Band zwar amüsanter und lustiger, dafür aber auch eher sehr „Slice of Life“, alles plätscherte so vor sich hin. Klar die beginnende Liebe war der rote Faden, aber es war eben nicht so stark wie im zweiten Band.


Die Figuren fand ich übrigen auch ganz sympathisch zumindest die zwei Protagonisten, die anderen waren mir zu nebensächlich. Rio ist mal eine ganz andere Heldin, das merkt man von Anfang an. Sie weiß, was sie will, ist recht streng und diszipliniert, aber kann eben auch sehr schnell in Rage verfallen. Auf der anderen Seite hat sie aber auch so ihre sensible und fröhliche Art, kann aber eben auch ordentlich austeilen und ihre Meinung sagen. Ich mochte sie, sie leidet nicht unter Minderwertigkeitskomplexen und ist auch nicht super abhängig von Lanzelot gewesen. Lanzelot ist das wandelnde Klischees des Gentleman, der weiß, wie er mit Frauen spielt. Doch auch er hat eben auch so seine Tiefpunkte gehabt und daran merkt man eben auch, dass er trotz seines Rittertums auch nur ein verletzlicher Mensch ist. Gerade dadurch, dass er fremd in dieser Welt ist, läuft von einem Fettnäpfchen ins nächste, was ihn sympathisch macht, weil er eben auch viele Fehler begeht, anders als die männlichen Protagonisten in anderen Shojo Manga.


Zeichenstil

Der Zeichenstil ist meiner Ansicht nach recht schön und filigran. Ich mag besonders die Art und Weise, die die Mangaka die Männer zeichnet und vor allem auch die Proportionen und Körper sehen sehr schön aus. Bei den Mädchen finde ich, dass sie etwas zu weiche und sehr durchschnittliche Gesichter haben, sprich nicht wirklich ansehnlich aussehen im Gegensatz zu den Jungs. Auffällig ist, dass die Mangaka sehr minimalistisch zeichnet. Im Gegensatz zu anderen Shojo Manga wird auf auffällige Hintergründe, Ornamente und Symbole verzichtet, stattdessen dominieren viele weiße Hintergründe. Das ist für mich nicht unbedingt negativ, denn gerade diese weißen Hintergründe erfüllen ebenso ihre Funktion. Sie lassen die Zeit still stehen und machen den Augenblick umso eindrucksvoller. Zeichner müssen nicht immer alles mit Symbolen füllen, das lenkt dann nur vom Wesentlichen ab.


Fazit

Ich persönlich finde ja, dass man daraus hätte eine viel umfangreichere Geschichte erzählen können und vielleicht war das auch anfangs geplant, wurde aber nicht umgesetzt? Die Geschichte ist vielleicht nicht super originell, aber doch interessant genug, um sie weiter zu entfalten. So hätte man sich auch der Welt von Lanzelot widmen können und thematisieren können, welche Bedeutung er hat.  Auch fand ich es schade, dass man die finanzielle Not von Rio nicht mehr eingebracht hat. Wozu wurde das überhaupt so dargestellt? Außerdem sind da noch paar Dinge offen geblieben wie beispielsweise diese ganze Magie um Lanzelot und wer oder was sich hinter der magischen Karte verbirgt und ob Lanzelot wirklich noch eine andere Geliebte in seiner Welt hat. Dennoch fand ich trotz der Unterscheide beide Bände ganz unterhaltsam, beide ergeben zusammen eine solide Geschichte mit viel Potenzial.

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