Sonntag, 12. Februar 2017

Gelesen: Blutrotkäppchen


Entoman gegen Grimms Mädchen!

Märchenstunde mal anders: Wenn Entoman sich auf den Weg zur Großmutter macht, rotieren die Gebrüder Grimm im Grabe, dass sie sich diesen Spaß entgehen lassen müssen. Zauberhafte Frauen, grausame Monster, ein geheimnisvoller Jäger und die berühmteste Ente aller Zeiten liefern sich unerbittliche und blutige Kämpfe. Hier weiß am Ende niemand mehr , wer oder was gut oder böse ist!


Ein Manga von einem deutschen Künstler? Und dann auch noch ein Manga voller Schimpfwörter, Gewalt und Brutalität, was man überhaupt nicht ernst nehmen kann? So etwas lese ich, fragt ihr euch? Einige werden sich bestimmt sehr wundern, dass ich mal so etwas lese. Normalerweise lese ich so etwas nicht in meiner Freizeit, ist auch nicht wirklich nach meinem Geschmack, aber ich wollte mal etwas anderes ausprobieren. Na gut, der wahre Grund, warum ich mir den Manga geholt habe, war aufgrund meiner Masterarbeit. Für diejenigen, die es noch nicht wissen:

Ich schreibe momentan über Märchen in Comics wie Manga, mit besonderem Blick auf das Märchen „Rotkäppchen“, weswegen ich auch Blutrotkäppchen in meine Sammlung aufgenommen habe. Denn es gibt leider Gottes nicht so viele Märchen in Manga und Comics hierzulande und da musste ich eben damit vorlieb nehmen. Lange Rede, kurzer Sinn, wie gefällt mir nun dieser etwas anders ausgeartete Manga? Es gefällt mir weder richtig gut, noch ist er wirklich schlecht.  Dennoch ist es er auf jeden Fall mal etwas anderes und vor allem eben in Hinblick auf das originale Märchen schon interessant zu lesen (aus objektiver Sicht).


Handlung:

Die Geschichte ist schnell erzählt und auch nicht wahnsinnig umfangreich, was nun mal bei einem Einzelband eben selbstverständlich ist. Entoman ist eine vermenschlichte Ente, die bereits in anderen Werke der Reihe „Manga Madness“ aufgetreten ist und daher schon Kultstatus genießt. Für mich war es aber ihr erster Auftritt in einem Manga, deswegen kann ich mich da auch nur auf den Manga und meine Leseerfahrung beziehen. Ich habe aber schon während der Recherche erfahren, dass diese Reihe wirklich extravagant ist, nicht mit Gewalt und Splatter und nackter Haut zimperlich umgeht und war dementsprechend schon auf alles vorbereitet. Jedenfalls spielt Entoman die Hauptrolle und macht sich auf den Weg zur Großmutter. Auf seiner Reise begegnet er dann ausgerechnet Rotkäppchen, die ihn darum bittet einige Monolithen zu zerstören, die ihr die schöne Sicht versperren. Mutig und vor allem stolz wie er ist, demonstriert er mit seinem scharfen Katana seine Kampfkünste. Für ihn ist das ein Kinderspiel.

Nachdem er das erledigt hat, trifft er auf den Jäger, der das nicht dulden kann, da diese Steine Gedankmäler waren und er ja sozusagen der Schutzpatron des Waldes und der Ordnung ist. Entoman hat natürlich in seinem Kampfeifer seine Großmutter vergessen und macht sich schleunigst auf dem Weg zu ihr. Die Großmutter ist übrigens nicht menschlich, sondern in Wolfsgestalt. Ein zweiter Handlungsstrang eröffnet sich, da wir nun bei der Großmutter sind, die einen unerwarteten Gast aufnimmt. Es ist ein Monster und nicht nur irgendeins, sondern Rotkäppchen in Personifikation des Rachegeistes aller Mädchen, die Großmutter verschlungen hat. Das letzte Stündlein hat also für die gute Großmutter geschlagen, Entoman kommt leider zu spät und muss sich dem Monster a la Rotkäppchen stellen.

Mehr möchte ich an dieser Stelle auch nicht verraten, sonst braucht ihr den Manga gar nicht mehr zu lesen. Wahrscheinlich habe ich auch schon zu viel vorweggenommen, aber das ging nicht anders, sonst könnte ich den Manga auch nicht so gut wie es geht behandeln. 

Ich versuche nun den Manga einmal aus meiner etwas objektiveren Sichtweise, und dann aus persönlicher Perspektive zu beurteilen.

Objektiv gesehen ist der Manga insofern interessant, weil er eine abwechslungsreiche Interpretation des Ursprungsmädchen liefert. Ich nehme mal an, dass jeder Leser weiß, worum es in Rotkäppchen geht. Ein kleines Mädchen kommt vom Wege ab, trifft den Wolf, der dessen Großmutter verschlingt und am Ende auch die Enkelin. Der Jäger kommt rettend herbei, befreit die beiden aus dem Bauch des Wolfs und der Bösewicht stirbt am Ende. Viele wissen vielleicht aber nicht, dass es in der ursprünglichen Fassung noch ein alternatives Ende gibt, bei dem Rotkäppchen wieder den Wolf trifft und aus ihrem Fehler lernt. Sie erhält einen Ratschlag von ihrer Großmutter und ist diesmal diejenige, die den Wolf betrügt und besiegen kann. Soweit nun also zum ursprünglichen Märchen. Was macht nun aber der Manga damit? 



Erst mal ergänzt er eine neue Figur, nämlich Entoman und aktualisiert damit den Manga, denn dieser entspricht eigentlich dem typischen Jugendlichen, der zu nichts Lust hat, gerne mal andere beleidigt und dann auf sehr cool tut. Außerdem ist er eine Ente, aber keine normale, sondern verfügt über wahnsinnig viel Kraft und kann sehr gut mit dem Katana umgehen. Da hätten wir also gewissermaßen den japanischen Einfluss, ein vermenschlichtes Tier mit einem japanischen Schwert, was uns sehr stark an Shonen Manga erinnert.


Das ist aber nicht alles, was verändert wird. Die Figuren selbst und deren Rollen wie Bedeutungen werden komplett auf den Kopf gestellt. Das fängt schon bei Rotkäppchen an, die ja im Original eigentlich ein total naives und unschuldiges Mädchen ist und von dem bösen Wolf eigentlich verführt und herein gelegt wird. Im Märchen wird sie eher als passiv charakterisiert und kann sich nicht helfen. Sie auf die Hilfe des Jägers angewiesen, ohne den sie verloren wäre. Außerdem ist sie auch ein sehr junges Mädchen und scheint noch nicht so etwas wie Vernunft zu besitzen. Das Rotkäppchen in dem Manga ist das komplette Gegenteil, es ist erstens mal wesentlich älter und wirkt anfangs tatsächlich noch so unschuldig wie im Märchen. Doch das täuscht. Denn Rotkäppchen ist hier sozusagen nicht die gute Figur, sondern die Inkarnation des Bösen. Wobei man darüber sicherlich diskutieren kann. Wie schon erwähnt ist sie ja der Rachegeist der Mädchen, die vom Wolf getötet worden sind. Den Mädchen ist zuvor also Unglück widerfahren, sie waren unschuldig, der Böse war eigentlich der Wolf.

 Tricky ist daran nun aber, dass der Wolf aus seinen Fehlern gelernt hat und nun gar nicht mehr böse erscheint, wodurch Rotkäppchen nun die Täter – und Bösewichtsrolle bekommt. Also man kann dadurch schon mal sehr gut diskutieren, inwiefern nun Rotkäppchen wirklich böse ist, je nachdem ob man nun der Auffassung ist, dass sie für Gerechtigkeit sorgt oder eben einfach nur bösartig ist. Da sie gegen Entoman, unseren Helden, kämpft, wird man automatisch davon ausgehen, dass sie eben das Böse darstellt. Und das finde ich an dem Manga interessant. Er spielt gewissermaßen mit der Vorstellung von Gut und Böse, wie schon in der Einleitung erwähnt. Man kann nicht eindeutig sagen, wer nun gut oder schlecht ist. Klar Entoman und der Jäger sind die Guten wie auch die Großmutter, doch besonders bei der wird es schwierig das genau zu sagen. Während im Märchen immer alles klar schwarz weiß gemacht wird, finden wir hier eher die Vermischung, ambivalente Figuren, die man weder richtig mögen noch hassen kann. 

Die Großmutter als Wolf ist nun eine weitere sehr überraschende Umdeutung der eigentlichen Oma aus dem Märchen, die ja da menschlich und gut ist. Hier wird also das Böse, der Wolf, mit der guten Großmutter vereint, was zu einem spannendem Konflikt führen kann. Spannend insofern, weil sie eben eine interessante nicht ganz so saubere Vorgeschichte hatte. Ursprünglich war sie dem Wolf aus dem Märchen sehr ähnlich, bis sie irgendwann nicht mehr in der Lage war, zu fressen und erkannte, was sie Schlimmes angerichtet hat. Dann hat sie eine Charakterwende erfahren, ist zu einem guten Wolf geworden, hat sogar Kinder adoptiert etc. Sie hat also ihr schlechtes Dasein hinter sich gelassen, wird nun aber wieder daran erinnert und deswegen gerichtet. Man darf sich gerne nun in eine moralische Debatte begeben und darüber diskutieren, inwiefern das nun gerecht ist, dass sie für ihre Taten gerade stehen soll. Klar sie ist jetzt ein besseres Wesen geworden, darf man ihr deswegen all die schlechten Taten von früher verzeihen? Oder sollte es gerecht sein, dass man sie dafür doch bestraft, obwohl es doch alles in der Vergangenheit liegt.




Jedenfalls finde ich schon reizvoll, wie eigentlich das Märchen die Figuren total verkehrt und ganz neu gestaltet. Zunächst ist Entoman eigentlich in der Rolle von Rotkäppchen, der Wolf ist gar nicht der Böse, sondern eben das Mädchen mit der roten Kappe, die auch für viel Aufsehen erregen dürfte. Die Brutalität des eigentlichen Märchens, wenn man die mündlichen Volksversionen berücksichtigt, wird hier an die Spitze getrieben. Ursprünglich war es so, dass man das Märchen mit Kannibalismus und Sexualität verbunden hatt, wovon in der Grimmschen Version nichts mehr übrig geblieben ist. Ich finde es auch interessant, dass man Rotkäppchen damals als Warn – und Schreckmärchen Kindern erzählte, die sich vor den bösen Männern als vermenschlichte Wölfe in acht nehmen sollte. Es gab in Frankreich sogar Prozesse gegen solche angeblichen Werwölfe, die Mädchen und Frauen überfallen hatten. So ein kleine Anspielung findet sich meiner Ansicht nach auch in dem Manga, da es ja die Seelen der unschuldigen und nun verbitterten Mädchen sind, die ja den Rachegeist haben entstehen lassen um sich an dem Wolf zu rächen. 

Ich finde es auch sehr spannend, dass der Mangaka den Wolf als einen Sympathieträger entwickelt. Das ist in neueren Comicversionen, die vor allem das Märchen parodieren sehr häufig. Es wird die Perspektive des Wolfes angenommen, der zu Unrecht für Verbrechen bestraft wird und oftmals nicht wirklich verstanden wird. Dadurch dass wir auch die Backgroundgeschichte der Großmutter haben, wird sie uns eben sympathischer und wir empfinden sie als eine gute Figur, anders als Rotkäppchen, das einfach nur böse erscheint. Jedenfalls macht einen Großteil der Handlung der Kampf gegen den Rachegeist, über den man eigentlich nicht viel sagen kann, außer dass sehr viel nackte Haut und viel Blut und Verstümmelungen zu sehen sind, dass man wirklich einen guten Magen haben muss. Vor allem für actionbegeisterte Leser ist der Manga auf jeden Fall etwas, denn an Action und temporeichen, dynamischen Szenen fehlt es auf keinen Fall.

Gut finde ich auch, dass Entoman einfallsreich gemacht wird. Er mag zwar nach außen cool und dämlich wirken, aber er hat mich an einer Stelle schon mit Cleverness überrascht. Jedenfalls behält er immer den kühlen Kopf und besiegt Rotkäppchen auch am Ende. Manchmal war mir diese Coolness aber auch etwas zu viel, man kann sie dann nicht mehr ernst nehmen, was wahrscheinlich auch nicht so sein soll.  Den Jäger fand ich nicht so herausragend, er entspricht am ehesten noch seiner Rolle aus dem eigentlichen Märchen. Auch in dem Manga sorgt er für Recht und Ordnung, wird hier als muskulöser Mann dargestellt und spricht dann sich selbst als „alter Mann“ an, was ich absolut nicht verstehen konnte, da er so nicht aussieht. Jedenfalls ist er mal nicht der Retter, verbündet sich zwar mit Entoman und hilft im Kampf, aber der eigentliche Held ist natürlich die Ente selbst.

Noch zur Handlung selbst will ich sagen, dass sie in Grundzügen noch dem Märchen entspricht, aber doch ganz anders entwickelt wird, weil wir hier neue Figuren bzw. auch bekannte Figuren haben, die aber vollkommen andere Rollen zugeschrieben bekommen. Es geht zwar auch um den Sieg über das Böse, aber eben in anderer Form und der Schwerpunkt liegt auch eindeutig mehr auf dem Kampf, wird sehr ausgedehnt und mit neuen Elementen wie Okkultismus und Splatter aufgeladen. Damit wird eben die Grausamkeit und Brutalität des Märchens in seinen Ursprüngen betont. 

Zuletzt möchte ich kurz noch das Ende loben, was recht unerwartet kam und dem ganzen noch mal das Sahnehäubchen aufgesetzt hat. Denn es setzt den Schwerpunkt ganz anders als das Ursprungsmärchen, was ein gutes Ende gefunden hat. Hier fließt auch noch so eine psychologische Komponente mit hinein, man kann es als „mindfuck“ bezeichnen und war wirklich gut gemacht.


Nun möchte ich natürlich auch noch mal aus sehr persönlicher Sichtweise etwas zum Manga sagen. Ich fand die Idee schon sehr interessant, die Geschichte neu zu interpretieren und den Figuren neue Persönlichkeiten zu geben. Wie schon angesprochen fand ich cool, wie der Mangaka das Märchen wirklich auf die Schippe nimmt. Ich bin persönlich nicht so der große Fan von vielen Kämpfen, dem Splatter und der nackten Haut. Das hat eben mit meinen eigenen Vorlieben zu tun. Wie auch die Beschreibung des Manga erwähnt,  ist diese Adaption des Märchens etwas gewöhnungsbedürftig und dürfte auch nicht jedem gefallen. Manche würden es als eine Art Banalisierung bezeichnen, weil das Märchen durch den Kakao gezogen wird.  Mir hat aber eben die Ambivalenz der Figuren gefallen, und eben das Spiel mit den bekannten Figuren. Weniger gefallen hat mir dagegen die aufgesetzte Coolness der Figuren, Entoman selbst war für mich auch kein wirklicher Sympathieträger. Und so richtig mit den Figuren anfreunden konnte ich mich auch nicht, abgesehen von der Großmutter. Klar interessant waren sie, aber eben auch so gestaltet, dass man sie auch nicht so sehr mögen konnte. Auch die Tatsache, dass die Figuren Umgangssprache verwendeten, gerne mal auch Kraftausdrücke, empfand ich zwar als passend, da der Manga eine Parodie darstellt. Aber ein bisschen übertrieben wurde da sprachlich schon etwas. Da merkt man einfach, dass der Manga mehr an ein jugendliches Publikum gerichtet ist. Dennoch finde ich den Manga interessant, auf so einen Plot muss man erstmal kommen und dann gewinnt die rote Kappe als Symbol für Rotkäppchen eine ganz neue Bedeutung.


Zeichenstil

Ich fand den Zeichenstil nicht sonderlich gut, aber auch nicht schlecht. Er passte auf jeden Fall zum Setting und auch den Action-Elementen. Es ist eben der typische Shonen-Zeichenstil. Die Figuren sind einfach gezeichnet, der Hintergrund mal mehr und mal weniger detailliert dargestellt. Die Proportionen der Figuren sind ganz gut, aber es ist eben auch keine Optik, die mir wirklich ins Auge sticht. Betonen will ich nur, dass vor allem die Darstellung von Rotkäppchen als Monster gelungen ist, weil sie tatsächlich sehr grauenhaft und wahnsinnig aussieht. Da kriegt man direkt Gänsehaut. Die Actionszenen sind auch gut gestaltet, sehr dynamisch gemacht und unterstützen einen flüssigen Lesestil. 


Fazit

Schlussendlich empfand ich den Manga als eine interessante und witzige Interpretation des ursprünglichen Märchens. Das Märchen wird mit neuen Elementen, wie Horror, Splatter und Action aufgeladen und wird dadurch auch modernisiert. Gut fand ich auch, dass die Figuren neue Rollen und Persönlichkeiten bekommen haben und man auf einer tieferen Ebene über die Botschaft und das Weltbild diskutieren kann.  

1 Kommentar:

  1. Es ist schon immer wieder interessant was die Medien aus alten Märchen und auch mythen machen, ich denke Rotkäppchen wurde ja auch schon 1000 mal adaptiert, parodiert oder auch pervertiert, doch bei Füleki bin ich ziemlich gnädig, auch wenn ich dieses Werk von ihm noch nicht gelesen hatte. Beeindruckt war ich eher von seinem Einzelband Krimi "Serial Sausage Slaughter" der ebenso Entonman, diesmal aber als Kirminalkomissar aufbietet. Das beeindruckende daran war das der Zeichner mit Vorgaben von FANS einen Plott zusammenbastelte, was ich privat immens beeindruckend finde.

    Das hier klingt immerhin nach seichter unterhaltung, ich fand deine Aussagen ein wenig repititiv, allgemein hätte der Beitrag etwa skürzer ausfallen können, doch die Aufteilung, die Schwerpunkte und auch die Bilderwahl haben mir sehr zugesagt, letztendlich ein guter Bericht ^^

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