Sonntag, 28. Juni 2015

Review: Mushishi



Inhalt:

Mushi“ bezeichnen Wesen, die noch am engsten mit dem Leben und der Natur verbunden sind. Sie existieren ohne Ziele oder Absichten. Sie befinden sich jenseits von "gut" und "Böse". Mushi können in unzähligen Formen existieren und sind in der Lage andere Dinge der natürlichen Welt wie Pflanzen, Krankheiten und Phänomen wie Regenbögen nachzuahmen. Es gibt keine detaillierten Informationen über Mushi, da die Mehrheit der Menschen sich ihrer Existenz nicht bewusst sein.
Was sind Mushi und warum existieren sie? Dies ist die Frage, die sich ein sogenannter „Mushi-shi“, namens Ginko", immer wieder stellt. Mushi-shi sind jene Menschen, die Mushi erforschen und dadurch versuchen ihre Bedeutung im Leben heraus zu finden. So verfolgt Ginko Gerüchten über unglaubliche Begebenenheiten, die in irgrendeiner Weise mit Mushi zusammen hängen nur um seine Antwort zu finden.
(Quelle: myanimelist)


Meine Meinung:

Mushishi ist ein Anime, der einen episodischen Aufbau hat und dem eine übergeordnete Handlung fehlt. Vielmehr zieht sich wie ein roter Faden durch die Episoden das Phänomen Mushi und die Erforschung dieser – mit jeder Episode dringt man tiefer in diese geheimnisvolle Welt voller Fantasie und Mystik.
Ginko geht auf Reisen, meist bekommt er von seinen Klienten Post, die ihn bitten, dass er zu ihnen kommen mögen oder er geht zufällig zu einem Dorf und schnappt dort Gerüchte auf. Falls er irgendwohin gebeten wird, sucht er das Haus der Klienten auf und diese erzählen ihnen von sonderbaren Ereignissen, die sie sich nicht erklären können. Wenn dies ihr Urteilsvermögen und Denken übersteigt, suchen sie einen Mushishi. Dann wird kurz beschrieben, um was es sich handelt und Ginko untersucht diesen Fall näher. Er gibt seine Gedanken preis um welchen Mushi es sich handelt und erklärt was es mit dem auf sich hat und deckt Lösungen auf.
Jede Episode steht für sich als eine eigenständige Geschichte und doch sieht man manchmal, dass eine gewisse Chronologie und ein Zusammenhang zwischen den Episoden besteht, wenn Ginko über bestimmte Fälle erzählt.

So ist jede Episode an sich sehr faszinierend. Denn jede Episode stellt einen bestimmten Mushi dar und jede Episode verdeutlicht, wie stark das Leben der Menschen mit denen der Mushi zusammen hängt. Wie sich beide gegenseitig beinflussen. Wie unterschiedlich die Mushi-Arten sein können. Manche sind neutral, manche schaden auch den Menschen. Besonders oft kommt es vor, dass ein Mushi selbst an sich nichts Böses tut, weil er einfach nur existiert. Aber durch seine bloße Existenz und die ungewollt negativen Auswirkungen auf den Menschen lassen ihn wie eine Plage erscheinen.


Es geht um Geschichten, in denen Figuren zwischen der Welt der Menschen und der Mushi gefangen sind und weder zu der einen noch zu der anderen gehören und daher erlöst werden müssen. Normale Krankheiten wie das Augenlicht verlieren werden durch Mushi verursacht, die sich in den Augen der Menschen festsetzen. Dann gibt es Mushi, die in die Ohren der Menschen eindringen, weil sie sich von Geräuschen und Tönen ernähren, was allerdings zu einer Taubheit führt. Weiterhin interessant empfand ich in einer Folge, in der ein Mann prophetische Träume hatte, die sich am nächsten Tag bewahrheiten. Auch hier war die Ursache ein Mushi und er glaubte, er würde ihm diese seltene Gabe verleihen. Doch der Fall war doch ein anderer: Der Mushi gelang in den Träumen in die Menschenwelt und verursachte die Dinge, die der Mensch geträumt hatte. Es zeigt sehr interessant und bedrückend wie eine solche Gabe auch als Last für einen Menschen empfunden wird, der nichts an den Prophezeiungen ändern kann. Wie schwer muss es für jemanden sein, wenn er weiß, dass er diese Dinge verursacht und anderen Menschen Leid bringt? Und das Schlimme an der Geschichte ist, dass dieser Mushi nicht vertrieben werden kann. Sein ganzes Leben muss der Mann mit diesem leben. Seine Existenz ist mit der des Mushi verbunden. Außerdem reizvoll fand ich, dass der japanische Volksglaube, der noch immer eine wichtige Rolle spielt, in einer Episode eindringlich dargestellt wurde, als Mädchen mit dem Seegott verheiratet werden und dann ihr Leben als Opfer geben mussten. Wie ist es mit der Natur eins zu werden und seine jetzige Existenzform aufzugeben? In dieser Episode drückte sich auch eine enge Verbundenheit zur Natur aus, in dem ein Mädchen mit einem wandelnden Sumpf reiste und erst am Ende erfuhr, dass es sich um seine letzte Reise handelte..

Was passiert, wenn sich die Menschen dazu ermächtigen, Mushi für ihre Zwecke zu missbrauchen und andere Menschen damit zu betrügen. Mushi als eine Art Droge zu verwenden, um die Mitmenschen zu kontrollieren und den eigenen Wohlstand zu steigern? Es dürfte ersichtlich sein, dass dies zum Untergang führen wird und sich die Natur dafür rächen wird. Die Episode brachte einen zum Nachdenken, wie es ist, wenn eine fremde Lebensform von einem Besitz nimmt und man praktisch dessen Lebenspanne spürt. Jeder Tag bedeutet ein neues Leben. Wie schwierig wird es dann ohne diese Droge ein normales Leben zu führen, wenn bisher jeder Tag wie ein ganzes Leben erschien. Es ist erdrückend, wenn die Lebenszeit auf einmal viel langsamer voran geht als zuvor. Wen wundert es, wenn ein Mensch das nicht ertragen kann und der Droge erneut verfällt.
Dann gibt es auch Episoden, die nicht ganz so tragisch und dramatisch sind, aber mich dennoch dazu brachten über das Leben nachzudenken. Schon mal eine Geschichte gehabt, in der ein Mann einem Regenbogen hinter her jagt oder extrem ausflippt, wenn er weiß, dass es bald regnen und ein Regenbogen erscheinen wird? An sich eine recht simple Geschichte, die einen etwas Wichtiges lehrt: Dass man seiner Berufung und seinem Traum nachgehen muss, egal wie albern es für andere ist und egal wie sehr die Gesellschaft sich gegen einen auflehnt. Dass man dennoch daran festhält und sein Bestes gibt, um seinen Traum zu verwirklichen.

Eine Geschichte, die mich ebenfalls nachdenklich stimmte war jene, in der es um die Frage ging, ob man sich dazu entschließt, dass Leben vieler Menschen zu retten, auf Kosten eines Menschenleben oder ob man das Opfer, immer einen Menschen in Kauf nimmt, unterlässt, weil jedes Leben wertvoll ist. Ganz so dramatisch ist es im richtigen Leben nicht und doch werden doch vor allem Menschen in eher kollektivistischen Ländern dazu getrimmt sich auf das Wohlergehen der Gruppe zu konzentrieren und dafür notfalls eigene Bedürfnisse hinten anzustellen. Die Gruppe wiegt mehr als das Individuum, würden manche glauben, aber ist dem so? Darf es gerechtfertigt werden, das Leben eines anderen Menschen zu nehmen, nur damit es der Gruppe gut geht? Was bedeutet schon ein einziges Menschenleben? Und kann man mit dem schlechten Gewissen leben, dass ein anderer Mensch für einen gestorben ist. Ist es egoistisch so weiter zu leben?


Die Ironie des Schicksals fand ich in einer Geschichte, in der etwas Selbstgemachtes dazu diente, um das Glück zu fördern, aber im Endeffekt zum Gegenteil führte. Es brachte stattdessen vielen Menschen Leid. Doch auch an dieser Geschichte konnte ich sehen, dass der Mushi, der das Unglück brachte, es nicht gewollt hat, sondern eigentlich recht harmlos ist. Er hat nur versucht zu überleben, was sein gutes Recht ist, aber nicht beabsichtigt jemanden zu verletzen. Genauso bleibt die Frage im Raum, ob Unwissen einen davor bewahrt, Verantwortung für seine (schlechten) Taten zu nehmen. Die Person, die den Gegenstand samt des Mushi hergestellt hat, wusste nichts davon und doch fühlte sie sich am Ende schuldig, weil es irgendwo an dem Unglück beteiligt war. 

Eine andere Geschichte, die mich sehr berührte, war jene, in der ein Mann und eine Frau ineinander verliebt waren, aber deren Liebe verboten gewesen ist, weswegen sie versuchten zu fliehen. Was mich an der Geschichte packte, ohne zuviel zu verraten war, die Frage, ob man glücklich ist, wenn jemand, der eigentlich tot sein sollte, noch am Leben ist, aber nie wieder derselbe sein wird. Die Episode thematisierte den Umgang mit dem Verlust eines wichtigen Menschen und wie schwer das Loslassen im Leben fällt, dass man die Wahrheit nicht mehr erträgt. Lieber lebt man eine Lüge, ist dafür glücklich, so wäre die Essenz der Episode. Dass jedoch die Toten dadurch niemals ruhen können stellt keiner in Frage. Soll man Menschen um jeden Preis am Leben erhalten, nur weil man sich nur schwer von ihnen trennen kann? Indirekt kann man es kritisieren, wie sich der Mann verhalten hat, aber irgendwo kann man es auch verstehen und emotional gut nachvollziehen. Wenn der Mushi mit dem Untoten verbunden ist und das Entfernen des Mushi bedeutet, dass der Untote wirklich sterben wird, für was würde man sich entscheiden? Das Lebewesen, was eigentlich tot sein müsste, ist am Leben, aber nur dessen Hülle und es ist eigentlich nicht mehr das, was man früher noch kannte. Und dennoch halten die Menschen daran fest, weil sie glauben wollen, dass es Wunder gibt.


Die einzelnen Episoden erinnerten mich wirklich sehr stark an japanische Märchen besonders die Folge, in der eine übernatürliche Geburt wie bei Momotaro geschehen waren. Die Tatsache verdeutlicht sehr gut, wie Menschen das Andersartige nicht akzeptieren wollen und es regelrecht diskriminieren, anstatt zu tolerieren.Die Geschichte thematisiert nicht nur, wie Mensch und Nichtmenschen Seite an Seite leben können, sondern auch welche schweren Folgen es haben kann. Ein Mann steckt in einem Dilemma, weil er einerseits mit seiner nichtmenschlichen Frau und Tochter leben will, gleichzeitig sich nach seiner Welt sehnt, die ihn aber nicht mehr akzeptieren will. Und die Frau, die davon weiß, kann es nicht ertragen, dass ihre Andersartigkeit ihren Mann dazu zwingt, bei ihr zu bleiben. Obwohl es ihr eigenes Glück gefährden würde, tut sie alles, damit ihr Mann wieder in die Menschenwelt kommen kann. Wie ironisch ist es dann, dass der Mann von seinen Mitmenschen verstoßen wird und sein Familienglück zu bröckeln beginnt. Obwohl der Mushi in diesem Falle eigentlich sehr positiv wirkt und seinen Beitrag zum festen Zusammenhalt der Familie geleistet hat, wird er zunichte gemacht, weil er das Glück des Mannes behindert. Das war schon sehr traurig. Aber ich fand es schön, als am Ende der Geschichte doch noch ein Hoffnungsschimmer auftauchte. Obwohl einige Geschichten in dem Anime traurig ausgingen, war dass eine der wenigen Geschichten, die traurig und hoffnungsvoll zugleich war, was ich besonders liebe.

Auch eine Episode, die ich super fand, war jene, in der eine Frau nach und nach immer vergesslicher wurde, dass sie sich an die einfachsten Dinge und Personen nicht erinnern konnte. Schuld war ein Mushi, der sich von ihren Erinnerungen ernährt. Nur die Dinge, an die sie sich tagtäglich erinnert und die ihr wichtig sind, bleiben in ihrem Gedächtnis. Sollte der Mushi jedoch keine Nahrung mehr haben, würde er sich diese Erinnerungen nehmen. Daher musste die Frau jeden Tag neue Dinge kennen lernen, damit sie ihre wichtigsten Erinnerungen niemals vergessen würde. In gewisser Weise kann man die Geschichte auch auf unsere Realität übertragen, in denen Krankheiten, die zu Gedächtnisverlust führen, normal sind und eventuell stellt dies auch eine Methode dar, um sein Gedächtnis zu schützen und zu trainieren. Auch hier sieht man, dass der Mushi an sich neutral ist, er muss für sein Überleben sorgen, indem er die Erinnerungen frisst. Auf der anderen Seite erscheint der Mushi für Menschen negativ, weil wichtige Erinnerungen, die das Leben ausmachen verloren gehen.


Ebenfalls sonderbar und voller Mystik fand ich jene Geschichte, in der gezeigt wurde, wie Kokons mit den dazugehörigen Mushi als Portale fungierten, miteinander verbunden waren und Dinge transportieren konnten. In der Episode ging es darum, dass ein Mädchen in eines der Portale verschwand und nicht weiß, wo das Mädchen ist und ob es überhaupt noch lebt. Eine wichtige Botschaft, die ich daraus entnehmen konnte war, dass, egal wie klein die Hoffnung ist, man immer daran glauben sollte, dass alles gut werden würde. Auch wenn ein wichtiger Mensch nicht mehr an unserer Seite ist, so mag er irgendwo da draußen, im Himmel oder in einer anderen Welt noch existieren und glücklich sein.

Eine andere Episode, in der die Familie als sehr bedeutsam dargestellt wurde, vermittelte mir eindringlich die Ironie des Schicksals. Es ging um einen jungen Mann, der sein Zuhause verließ um Maler zu werden und Reichtum anzusammeln. Anfangs denkt er noch täglich an seine Familie und sehnt sich nach ihr. Desto reicher er wird, desto mehr distanziert er sich von ihr bis zu einem Punkt, an dem das Schicksal zuschlägt. Es ging darum sich für seine Karriere oder seine Familie zu entscheiden, der Mann sich jedoch für ersteres entschied und es bereute. Die Kernbotschaft lautet, dass egal, wer man sein wird und was man erreicht, man niemals die wichtigsten Dinge oder Menschen in seinem Leben vergessen darf. Wenn man sich zu sehr auf materielle Dinge stützt und die wesentlichen Dinge, die man im Leben nicht erkaufen kann, vernachlässigt, kann man kein Glück finden.


Ganz besonders betonen möchte ich die Geschichte, in der es um einen Mushi geht, der ganz oben im Himmel lebt und einen Strang herunter lässt, mit dem er sein Futter ködern kann. Aus versehen hat eine Frau den Strang genommen und wurde nach oben gezogen. Ohne die Erklärung, dass es sich um einen Mushi handelt, würde man denken, dass übernatürliche Dinge am Werk waren. Noch viel wichtiger bei der Geschichte war jedoch, dass die Frau seitdem nicht mehr auf dem Boden bleiben konnte und es sie immer wieder nach oben zog. Ich fand die Thematik dahinter nachdenklich stimmend: Die Frau braucht um am Boden der Tatsachen, also auf Erden zu bleiben, etwas, was sie hält. Es ist die bedingungslose Liebe ihres Freundes, die sie braucht, damit sie auf der Erde bleiben kann. Gibt es sie nicht, würde sie verschwinden. Im Kern handelte die Geschichte um die bedingungslose Akzeptanz und Liebe gegenüber einer Person. Egal, wie sehr man von der Gesellschaft verachtet wird, egal welche Bemühungen man auf sich nehmen muss. Es geht darum, dass man eine Person liebt, mit all ihren Fehlern und Macken. Dann wird sie auch bei einem bleiben. Es war eine der seltenen Liebesgeschichten, die ein gutes Ende nahm und mich sehr berührt.

Darüber hinaus fand ich die Episode sehr ausgefallen, als es um eine Schreiberin ging, die von einem tödlichen Mushi befallen ist. Um diesen daran zu hindern, ihren Körper auszufressen, muss sie Geschichten über Mushi aufschreiben, was ihre Lebensaufgabe darstellt. Die Frau hatte die besondere Fähigkeit, die Mushi, über die erzählt würde, schriftlich festzuhalten, was recht spannend war. Auf einer tieferen Ebene wurde die Problematik aufgegriffen, dass alles Leben auf Erden wertvoll ist. Weder ist das Leben der Menschen noch der Mushi bedeutender. Deswegen darf sich der Mensch nicht dazu ermächtigen Gott zu spielen und die Mushi zu töten. Im Kern thematisierte die Geschichte also die Liebe zur Natur und die Sehnsucht nach einem Einklang mit der Natur, in der weder der Mensch die Natur kontrollierte, noch andersherum. Es zeigt eine Weltanschauung, in der beide noch gleichwertig miteinander koexistieren, was ich auch in vielen japanischen Märchen nachlesen konnte. Leben und leben lassen war das Motto der Schreiberin, die keine Geschichten von Mushishi hören wollte, wie sie einen Mushi nach dem anderen töteten und sich dabei auch noch stolz fühlten. Somit prallen in der Geschichte die Sichtweise, dass der Mensch der Natur überlegener ist auf die Vorstellung, dass beide Existenzformen ihre Berechtigung in der Welt haben, was anhand von Ginko gezeigt wird. Er empfindet keinen Groll gegenüber Mushi, wenn er Menschen von ihnen befreit. Immer wieder lautet seine Devise, dass keiner schuld war und die Mushi einfach nur leben wollen.


Ebenfalls hat mich eine Geschichte sehr mitgenommen, in der es um ein kinderloses Ehepaar ging, was ebenfalls oft als Motiv in japanischen Märchen verwendet wird. Wie durch ein Wunder kann die Ehefrau doch Kinder gebären, doch nur dank eines Mushi. Das Ironische ist jedoch, dass diese Kinder eben keine normalen sind und auch nicht leben dürfen, weil sie Unheil über die Welt bringen. Es wird realistisch dargestellt, wie verzweifelt die Mutter versucht ihre Kinder zu schützen. Obwohl sie weiß, dass diese Kinder nicht normal ist, hat sie zu ihnen eine innige Liebe entwickelt und sie kann sich nur schwer von ihnen trennen. Mich hat die Geschichte mit der Frage konfrontiert, ob ich selbst in der Lage wäre wichtige Menschen, meine eigenen Kinder zu töten, wenn ich wüsste, dass sie nur Leid in die Welt bringen. Könnte ich meine Liebe zu diesen Menschen überwinden, damit die Welt gerettet wird? Ich wüsste nicht, wie ich entscheiden würde und möchte es auch auf keinen Fall. Andererseits schilderte die Geschichte eindrucksvoll, dass die Liebe zu den Kindern sehr weit gehen kann und bedingungslos ist, unabhängig mit welchen Fehlern, Behinderungen oder sonstigen negativen Eigenschaften Kinder zur Welt kommen. Sie können von den Eltern geliebt werden.

Auch etwas, was ich sehr anziehend fand, war die Vorstellung, dass Verstorbene wieder geboren werden. Was würde ich tun, wenn meine Mutter als meine Tochter wieder geboren werden würde? Würde ich mich darüber freuen oder hätte ich nicht viel eher gemischte Gefühle? Denn egal wie man es dreht und wendet, auch wenn die Tochter wie ein Abbild der Mutter erscheint, würde sie sie niemals ersetzen. Sie könnte niemals wieder meine Mutter werden. Solche komplizierten Gefühle gegenüber den Menschen, die eine Inkarnation von Verstorbenen darstellen, werden in der Geschichte diskutiert. Ich fand die Thematik insofern auch spannend, weil ich solche Theorien über Wiedergeburt etc. nicht so häufig in Anime gesehen hatte.

Ich habe bisher vorwiegend von Mushi erzählt, die sich eher neutral verhalten, aber es gibt auch welche, die dafür existieren, Böses zutun. Ein Beispiel wäre ein Mushi, der wie Rost aussieht, sich auf andere Menschen überträgt und an denen Stellen, wo er sich befindet, zu Schmerzen und Krankheiten führt. Damit verbunden ist ein Mädchen, was eine sonderbare Stimme hat und sobald sie ihren Mund aufmacht, praktisch den Mushi auf andere Menschen überträgt. Kein Wunder, wenn das Mädchen irgendwann aufhört zu sprechen, ein Leben in Einsamkeit wählt und sich die Schuld dafür gibt, dass ihre Mitmenschen wegen ihr leiden müssen. Die Geschichte verdeutlicht eindringlich, dass man selbst, ob man will oder nicht, Verantwortung im Leben tragen muss. Das Mädchen kann nichts dafür, dass sie diese Fähigkeit hat und sie meint es sicherlich auch nicht böse und wollte niemanden damit schaden. Doch die Menschen, die die Wahrheit erfahren, können nicht anders, als ihr die Schuld zu geben und sie zu jagen. Da frage ich mich, ob man einem Menschen dafür verzeihen kann, wenn man durch ihn Schmerzen und Krankheiten bekommt, auch wenn er das ganz bestimmt nicht wollte. Groll und Hass führen zu nichts, besonders, wenn die andere Person es nicht mit Absicht getan hat. Lieber sollte man Gnade walten lassen und vergeben können.


Wie philosophisch und tiefgründig "Mushishi" sein kann, konnte ich bereits an einigen Geschichten beweisen, aber es gab noch weitere Episoden, wo man viel nachdenken mussten. So mussten sich in einer Geschichte die Menschen entscheiden, ob sie den Berg abbrannten oder verhungern sollten. Es war keine einfache Entscheidung, schließlich wollte man einerseits ganz sicher nicht die Natur zerstören, aber wenn es um das Wohl der Gemeinschaft geht - mal wieder - muss man gewisse Opfer bringen. Dass diese Entscheidung im Endeffekt aber dazu führte, dass noch mehr Unglück für die Menschen eintrat, konnte niemand ahnen. Auch hier ist die Botschaft, dass man Entscheidungen und deren Folgen gründlich durchdenken sollte und immer, egal wie es ausgeht, die Verantwortung übernehmen sollte. Überhaupt muss man sich fragen, was man für wichtiger halten sollte, das eigene Wohl oder das Wohl der Natur? Was nimmt sich der Mensch das Recht über das Schicksal der Natur zu entscheiden, dessen Leben zu zerstören um seins wieder einmal zu retten? Das lässt sich als Thematik gut auf unsere Welt übertragen, wo Umweltschutz wichtiger denn je wird. Werden Tiere nicht unter katastrophalen Lebensbedingungen gehalten und die Umwelt ausgebeutet, damit der Mensch es gut hat? Okay im Anime ist es etwas verständlicher, weil es ums nackte Überleben geht. Aber denkt man weiter und auf den heutigen Konsumwahn der Gesellschaft, muss man die Einstellung zur Natur kritisch überdenken.

Ebenfalls wunderschön und tragisch hielt ich die Geschichte, in der es um eine Frau ging, die ohne Augenlicht zur Welt kam und die Augen, die von einem Mushi infiziert wurden, bekommen hatte und seitdem übernatürliche Sehkraft bekommen hatte. Sie konnte damit nicht nur ausgesprochen weit sehen, sondern auch die Zukunft und Vergangenheit von Menschen erblicken. Was sie jedoch daran schmerzte, dass sie nichts an den Dingen, die sie vorhersehen konnte, ändern konnte. So wurde eine Gabe also zunehmend zu einer Last, sodass sie sich wünschte, dass sie diese Augen niemals hätte. Auf den realistischen Kontext übertragen thematisiert die Geschichte, dass übernatürliche Fähigkeiten oder überhaupt überragende Gaben nicht selten zu einem Fluch werden können. Wie eine Medaille haben sie zwei Seiten. Wie schlimm ist es doch, wenn man zwar die Zukunft vorhersehen kann, aber erkennt, dass man das Schicksal nicht ändern kann. Es führt zur Machtlosigkeit, weil man umso mehr spürt, dass das eigene Leben nicht in den eigenen Händen liegt. Immer wieder Unglück zu sehen und es nicht abwenden zu können, das ist wirklich tragisch. So mag es eine Erlösung sein, wenn man die Wahl hat, das Augenlicht und somit diese teuflische Gabe zu verlieren, damit man Frieden haben kann.


Wie man sehen kann ist Mushishi ein Anime, der mit übernatürlichen Dingen experimentiert, den Zuschauer durch das fantastische Setting in seinen Bann zieht. Doch gerade durch die Auseinandersetzung mit dem ambivalenten Phänomen „Mushi“ und die Wechselwirkung zwischen diesen und den Menschen zeigt sich, dass der Anime vor allem alltägliche Dinge, Krisen, Probleme und Themen behandelt, die von übernatürlichen Elementen umrahmt werden. In diese fantastische Welt einzutauchen, mehr von Ginko und den Mushi kennen zu lernen, mehr von dem japanischen Volksglauben zu erfahren, aber auch über existenzielle Fragen zu philosophischen – das macht den Anime aus.


Optik und Musik:

Optisch gesehen ist „Mushishi“ für mich ein wahres Meisterwerk. Selten hat man so atemberaubende, detaillierte Aufnahmen der Natur gesehen und alles wirkt so unheimlich lebendig. Die Erscheinung der Mushi ist etwas, was einem Angst und Schrecken einflößt und den Atem anhalten lässt. Irgendwie sieht der Anime wie eine Aneinanderreihung von Malereien aus, die einen wirklich in diese wunderbare Welt versinken lässt. Der Zeichenstil der Figuren ist eher schlicht, aber gerade deswegen realistisch gehalten. Hier gibt es keine bunten, grellen Farben oder irgendwelche Dinge, die nach Niedlichkeit aussehen, wie man es aus anderen Anime kennt. Es wirkt alles so mysteriös und unheimlich zugleich.
Auch musikalisch muss ich sagen, hatte ich oftmals ziemlich Gänsehaut, besonders wenn es spannende Stellen gab, in denen Ginko etwas erklärte oder irgendetwas Unheimliches passierte, schaffte es auch die Musik diese mysteriöse Atmosphäre aufzubauen. Öfter wurden auch melancholische, ruhige Musikstücke eingespielt, die einem unter die Haut gehen, besonders wenn eine Geschichte zu Ende gegangen waren. Dagegen konnte mich das Opening eher weniger überzeugen.


Fazit:

Für mich war „Mushishi“ ein kleines Meisterwerk, auch wenn mir eine übergeordnete Story fehlte. Doch gerade das machte den Reiz des Anime aus, dass er aus vielen, kleinen, gut erzählten Geschichten bestand, die viel Tiefe besaßen und fantastisch wie realistisch waren mit einem stimmigen, mysteriösen Setting und eindringlicher Musik.

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