Sonntag, 4. September 2016

Gelesen: Goth


Die beiden Hauptfiguren sind der Schüler Itsuki Kamiyama, der als Ich-Erzähler fungiert und seine Mitschülerin Yoru Morino. Beide sind eher verschlossen, haben keinen Zugang zu ihren Mitschülern, wobei Itsuki noch am ehesten sich integrieren kann. Dieser wird auf Yoru Morina aufgrund ihrer Narbe am Handgelent aufmerksam, was einen Suizidversuch vermuten lässt. Er selbst ist regelrecht fantatisch was Serienmörder betrifft. Er spürt einen unerklärlichen Drang deren Abgründe und Motive zu untersuchen und die Geheimnisse hinter den Morden aufzudecken. Beide Figuren werden in diverse Mordfälle hinein gezogen und begeben sich dabei auch in Gefahr...



Meine Meinung:

Dieser Manga fällt schon einmal aufgrund seiner recht düsteren Thematik auf und blättert man sich oberflächlich durch das Werk, kommt man um teilweise sehr gewaltvolle und brutale Szenen nicht herum. Das war wahrscheinlich der Grund, weswegen ich mir den Manga gekauft hatte. Ich kann mich noch recht daran erinnern, als ich das erste Mal darin gelesen hatte und dann vollkommen verstört zurück gelassen wurde. Einerseits drehte sich mir beim oberflächlichen Lesen der Magen komplett um, andererseits war ich auch extrem fasziniert von der Grafik und auch der Story selbst. Ich war neugierig was es mit diesen grausamen Morden auf sich hatte. Obwohl mir teilweise schlecht bei dem Gedanken an die grauenvollen Szenen wurde, konnte ich nicht wegsehen. Das ist wie mit einem Unfall, schreckliche Sache, aber dennoch fesselnd. Wahrscheinlich geht’s es mir in der Hinsicht so wie den beiden Protagonisten, wobei diese recht abgestumpft wirken.


Der Einzelband ist eine Sammlung verschiedener kurzer Geschichten, die allesamt nur das Motiv der Morde zusammen gehalten werden. Es sind vier verschiedene Geschichte und die letzte ist sogar in zwei Teile gegliedert, womit sich darauf fünf verschiedene Kapitel ergeben. Am Anfang der ersten beiden Stories wissen wir noch nicht, wer der Mörder ist. Wir bekommen einen kleinen Einblick in die Mordserie, weil die Leute eben darüber tuscheln und dürfen schon mal uns selbst einen Kopf machen. Eine richtige Detektivstory solltet ihr nicht erwarten, denn dafür wird der Leser einfach zu sehr im Dunkeln gelassen. Es gibt keine wirklichen Indizien oder Verdächtigen, sondern die Mörder werden einfach schlag auf schlag mit ihren Verbrechen konfrontiert. Leider dürfen wir auch nicht so sehr in den Kopf des ersten Protagonisten Itsuki hinein schauen. Er gibt zwar hin und wieder paar Kommentare, die sich mir aber nicht erschließen. Seine Gedankengänge bleiben mir ein Geheimnis und auch die Hintergründe der Morde, was etwas schade ist.


An sich sind die Geschichten schon interessant, aber nicht unbedingt so geistreich und kreativ gestaltet. Ich weiß, dass man bei einem Einzelband keine tiefgründige Fallermittlungen erwarten kann, aber mir kam vieles unschlüssig und viel zu abrupt vor. Die Fälle hatten einfach keine Zeit sich wirklich zu entwickeln, das verhinderte, dass man sich als Leser richtig in die Geschichten eintauchen konnte. Was bleibt ist eher ein teilnahmloses Lesen und ein Abhaken der einzelnen Stories.

Ich werde euch kurz etwas zu den einzelnen Episoden erzählen, damit das alles nicht so abstrakt bleibt. In der ersten Geschichte haben wir es mit einem Mörder mit Hände-Fetisch zu tun. Er hakt den Opfern ihre Hände ab und sammelt sie wahrscheinlich als eine Art Trophäe daheim. Ziemlich pervers, aber durchaus nicht unrealistisch. Was man dem Manga da zu Gute halten kann ist, dass er manchmal schon nette Twists eingebaut hat. So denken wir ja, nach dem 0-8-15-Schema, dass der Held so tugendhaft ist und den Mörder entlarvt und er ihn an die Polizei übergibt. Doch Itsuki ist, wie man heraus lesen kann, kein normaler Held, eher eine Art Anti-Held, der selbst keine reine Weste hat, was ihn schon interessant und unberechenbar macht. Er hat nicht mal die Absicht den Mörder zu stellen, er genießt es nur diese in die Ecke zu drängen und zu überführen. Mehr braucht er nicht für seinen Kick. Was auch ziemlich markaber ist, dass er den Mörder für seine eigenen Zwecke missbrauchen will, um ebenso ein Verbrechen zu begehen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.

Da sträubt sich in mir alles und doch finde ich es faszinierend und frage mich, ob jemand, der Morde plant, aber nicht ausführt, genauso schuldig daran wäre? Ab wann kann man von Schuld ausgehen? Moralisch ist das Verhalten auf keinen Fall. Und würde das Planen von Morden ebenso eine Straftat sein? Diese Fragen wirft der Manga dem Leser indirekt zu.


In der zweiten Geschichte „Goth“ haben wir es mit einem „typischen“ Serienmörder zu tun, der wie ein „Jack the Ripper“ Frauen aufschlitzt. Das Ganze hat auch irgendwie eine religiöse Komponente, weil er von Sünden und Bestrafung spricht. Ehrlich gesagt wurde ich aus seinen Worten und Gedanken nicht schlau. So wie vieles in dem Manga bleiben die wahren Beweggründe der Mörder leider verborgen. Das kann man positiv aber auch negativ beurteilen, ich für meinen Teil hätte mir gewünscht, wenn man sich mehr damit auseinander gesetzt hätte. Klar, damit bleibt mehr Spielraum für Interpretationen und Eigenleistung, aber ich finde, dass man dem Leser etwas mehr hätte entgegen kommen können.

Bei dieser Geschichte war es interessant wie die beiden Hauptfiguren auch mal wirklich in Aktion treten und sich selbst in Gefahr bringen, alles nur weil Yoru sich den Witz erlaubte, die Kleidung eines Opfers zu tragen. Damit sah sie diesem zum Verwechseln ähnlich. Wer macht denn schon so etwas? In Punkto Absurdität und Wahnsinn erzielen beide Protagonisten gute Ergebnisse. Dadurch, dass auch eine Art Doppelmontage verwendet wird, also zwei Geschehnisse parallel verlaufen, wird etwas Spannung in die Story gebracht, aber leider wieder zu schnell beendet. Und zwar leider auch so unbefriedigend, dass man aus gar nichts so wirklich schlau wird. Die Geschichte hatte im übrigen einen sehr großen Ekelfaktor und ich frage mich wirklich, wo jetzt der Sinn hinter den Morden steckte. Ich habe das Gefühl, dass man einfach nur viel Wert auf Gewalt, Blut und Gedärme legte („Gore“) anstatt auf Sinnhaftigkeit. Denn an Story wird einem wirklich nicht so berauschend viel geboten. Itsuki lüftet die wahre Identität des Mörders, findet den Aufenthalt von Yoru heraus und lässt den Mörder gehen. Was aus diesem wird, bleibt offen.


Die dritte Story „Das Grab“ fand ich im Vergleich zu den anderen beiden Stories etwas schwach, obwohl es da einen netten Twist gab. Die Episode handelt von jemanden, der gerne Menschen bei lebendigem Leib begräbt und sie dann qualvoll sterben lässt. Sie haben entweder die Wahl leidvoll zu sterben oder sich selbst umzubringen. Diesmal wird Spannung weggenommen, weil man schon am Anfang das Gesicht des Täters sieht. Das hat insofern Sinn, weil man in seine Rolle schlüpft und diesmal also von der anderen Seite das Geschehen wahrnimmt. Wie also ein Mörder im Alltag ist und wie er sich verhält, wenn ihm jemand auf die Schliche kommt. Eigentlich eine nette Idee und dennoch konnte mich die Geschichte nicht so wirklich fesseln. Ich fand wie gesagt das Ende unerwartet und damit eindringlich. Interessant ist bei diesem Kapitel, dass wir uns etwas mit den Mörder identifizieren sollen. Dieser wird tatsächlich psychologisiert, indem er sich selbst fragt, wie er eigentlich zum Mörder geworden ist und seine Tat der Polizei eingestehen will. Richtig Mitleid habe ich trotzdem nicht mit ihm bekommen.


Die letzte Geschichte „Zwillinge“, die sich über zwei Kapitel erstreckt, ist mal etwas anders aufgebaut als die anderen. Die Story thematisiert die Vergangenheit von Yoru, die mal eine Zwillingsschwester gehabt hatte, aber durch einen dummen Streich ums Leben gekommen ist. Hier kommt wieder die makabere Seite des Werkes ins Spiel. Die damals jungen Mädchen haben nämlich gerne andere erschreckt und nicht mal davor zurück geschreckt, so zutun als würden sie sich erhängen. Eine wirklich dämliche Idee, die eben zu diesem Unfall führen musste. Was lernen wir daraus? Liebe Kinder, macht das bitte nicht nach. Dummheit kann tödlich sein!

Jedenfalls wird problematisiert, inwiefern Yoru an dem Missgeschick schuldig war. Von da an hat sich ihr Leben komplett verändert, denn sie lachte und weinte nicht mehr., zeigte keine Gefühle und verschloss sich anderen Menschen. Itsuki findet das natürlich wieder richtig anziehend und schnüffelt in ihrer Vergangenheit herum. An der Geschichte ist auch interessant, dass der Leser wieder an der Nase herum geführt wird. Zumindest versucht das die Story. Ein Twist folgt dem nächsten in dieser Story, was ungemein erfrischend war. Vielleicht habe ich die Story deswegen auch so in Erinnerung und weil uns einfach mehr Tiefe geboten wird. Mit dem Ende hätte ich so nicht gerechnet und ich fand es auch irgendwie unglaublich cool, dass Itsuki Yoru angeboten hat, sie das nächste Mal umzubringen, wenn sie mal wieder den Selbstmorddrang verspürt. Damit schließt sich nämlich der Kreis: anfangs ist er nur auf sie aufmerksam geworden, weil er ihre Narbe am Handgelenk gesehen habt. Und der Manga endet mit dem Tötungsangebot, schon geschickt gemacht.


Wie schon eingangs erwähnt sind die Stories nicht unbedingt atemberaubend fesselnd, was nicht nur an den Plots liegt, sondern allgemein an der Ausführung. Das Tempo ist nicht so passend und die Entfaltung hätte mehr Freiraum benötigt. Außerdem bekommt man das Gefühl, dass einfach wahllos irgendwelche Mordfälle aneinander gereiht werden, ohne dass man ihnen Tiefe gibt. Die Mörder werden nicht behandelt, deren Motive ebenso wenig, es fehlt einfach etwas Substanzielles. Das führt dazu, dass die Morde höchstens aufgrund des Schockfaktors, weil Bilder eindrucksvoller sind, im Gedächtnis bleiben. Außerdem verliefen die Stories meist nach dem gleichen Schema, teilweise waren sie unvorhersehbar, manchmal aber auch peinlich konstruiert. Das hielt sich so die Waage. Das war es dann schon. Kurz und knapp: die Stories sind recht schwach, bis auf die letzte. Diese hat eher so einen unterschwelligen Horror-Faktor, geht mehr ins Psychologische und war für mich wesentlich spannender, obwohl da auch nicht so viel passiert ist.


Was ich aber gut fand, waren die Figuren, obwohl auch ihnen die Tiefe fehlte. Yoru ist die typisch Verschlossene und Schweigsame, die kaum Emotionen zeigt. Ich fand es aber gut, dass man ihr durch die letzte Geschichte viel näher kam und sie besser verstehen konnte. Dadurch machte sie eine kleine Persönlichkeitsentwicklung durch, wobei das wahrscheinlich auch schon zu übertrieben gesagt wäre. Wahnsinnig neu ist diese Figur bestimmt nicht, aber ihr wird wenigstens ein Hintergrund gegeben.

Anders sieht es mit Itsuki aus, wobei er doch wesentlich spannender ist. Itsuki ist so ein Typ, dem man nicht trauen kann. Nach außen wirkt er unbeschwert und harmlos, aber gerade solche normalen Leute sind doch die schlimmsten oder? Er mag zwar ein freundliches Gesicht haben, was aber nicht seinem wahren Naturell entspricht. Genauso wie Yoru ist er pervers, weil er fasziniert von Morden und Gewalt ist. Das war bei dem schon immer so. Und er spielt auch mit dem Gedanken selbst Blut zu vergießen, was er dann schlussendlich auch tut. Also ganz bestimmt kein reiner und feiner Held. Dass er nicht mal Halt davor macht, die einzige Person, die ihn wirklich kennt, ebenso zu gefährden, fand ich erschreckend. Man kann nur spekulieren, ob er wirklich bösartig ist oder doch zu den Guten gehört. Wenn man mal darüber nachdenkt, unterstützt er sogar die Täter, aber tut der Menschheit auch einen Gefallen, indem er sie in die Flucht schlägt. Das Problem ist nur, dass die Täter ja dann einfach in der nächsten Stadt fröhlich weiter morden können. Man merkt, dass er nicht daran interessiert ist sie zu fassen, sondern eher die Mörder kennen lernen will. So eine Figur habe ich bisher noch nirgendwo gesehen. Er scheint sadistisch, brutal und total berechnend zu sein, wodurch ihn keiner wirklich durchschauen kann. Er hat kein Interesse an Gerechtigkeit oder Moral, was für ihn zählt sind seine Bedürfnisse und seine Lust nach Tod und Blut. Dadurch, dass er auch die Mörder manipuliert, wirkt er auch öfter wie ein Mastermind, was schon cool ist.


Zeichenstil:

Der Zeichenstil ist recht einfach gehalten, alles wirkt relativ freudlos und schlicht, was aber auch gut zum Setting passt. Durch die starke Kontrastierung mit den Farben Schwarz und Weiß wird die düstere Atmosphäre noch mehr verstärkt. Ganz besonders betonen will ich die einzelnen grafisch verstörenden Szenen, in denen wir beispielsweise zerstückelte Leichen sehen oder andere gewaltvolle Darstellungen. Das ist wirklich nichts für schwache Nerven. Die Bilder sind sehr realistisch und detailliert gezeichnet, sodass man automatisch schwer schlucken muss. Ein Grund, weswegen der Manga sich tief in das Gedächtnis eingraben wird. Die Bilder werden einen auch tagelang nach dem Lesen verfolgen, glaube ich.



Fazit:

Mein Urteil zu dem Manga fällt eher durchwachsen aus. Es gibt einige sehr interessante Aspekte an dem Manga, teilweise nette Twists und vor allem die letzte Geschichte hat bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Die Figuren sind auch mal sehr erfrischend und relativ originell. Dennoch gibt es auch genug Dinge, die negativ auffallen. Die Morde wirken substanzlos. die Mörder bleiben ebenso blass, die Geschichten verlaufen viel zu schnell. Die Spannung und Immersion leidet darunter. Die paar Twists, die eingebaut wurden, können das leider nicht so gut kompensieren. Ich kann das Werk jedem empfehlen, der grafische Gewalt und auch düstere Geschichten mag, möchte aber davor warnen, dass es echt nichts für schwache Nerven ist und man nicht zu viel von den Stories erwarten sollte.

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