Wie
ihr sicherlich wisst, beschäftige ich mich schon seit einigen Jahren
mit Manga und Anime und zwar auch aus einer etwas sachlichen Ebene.
Daraus sind bereits viele Texte über Themen entstanden, die zur
Diskussion einladen. Ich mag es nicht nur generell über bestimmte
Manga oder Anime zu berichten, diese für euch zu rezensieren,
sondern japanische Populärkultur aus einer allgemeinen Perspektive,
man könnte auch Meta-Ebene dazu sagen, zu untersuchen. Daraus
resultierte dann der Gedanke, nicht nur Blogposts darüber zu
verfassen, sondern meine Kenntnisse auch in eine Art Buchformat zu
veröffentlichen. Seit 1-2 Monaten arbeite ich bereits daran, habe
sehr viel Forschungsliteratur aus dem Bereich Mangaforschung zusammen
getragen, untersucht und werde auf Grundlage dessen meine eigenen
Forschungen anstellen. Will ja nicht bloß die Kenntnisse wieder
käuen, die andere bereits ausgegraben haben, auch wenn das schon
nicht unüblich in der Wissenschaft ist.
Im
Zuge meines Buchprojekts bin ich auf sehr interessante
Fragestellungen, Gedanken und Themen gestoßen, die ich gerne auch
auf meinem Blog mit euch diskutieren möchte.
Den
Anfang macht die Frage, warum Manga mittlerweile so beliebt geworden
sind, obwohl sie von Anfang an und vor allem noch immer nur für die
japanische Kultur kreiert worden. Ich habe während meiner Recherchen
heraus gefunden, dass sich sämtliche Mangaka und Autoren nicht mal
bewusst sind, dass sie typisch japanische Dinge, die man behaupten
oder bestreiten kann, in ihre Werke einfließen lassen. Sie tun es
zum Großteil unbewusst und betonen immer, dass sie Manga nur für
Japaner konzipieren und überhaupt nicht an mögliche internationale
Leser denken. Und dennoch kann man nicht leugnen, dass Manga, obwohl
anfangs noch Nischenprodukt und wahrscheinlich noch immer,
mittlerweile in der ganzen Welt so bekannt geworden ist, dass es
sämtliche amerikanische oder europäische Comics in den Schatten
stellt. Nun frage ich mich, wie man diesen Widerspruch lösen kann,
dass einerseits das Medium Manga doch nicht international
ausgerichtet und dennoch weltweit anerkannt und berühmt ist?
Das
soll die Fragestellung im heutigen Beitrag sein und ich werde mal
mögliche Gründe anbringen, warum Manga als Medium so beliebt ist.
Dabei werde ich mich auf Kenntnisse der Forschungsliteratur, die ich
bereits recherchiert habe, stützen, aber natürlich auch eigene
Ansichten vortragen.
Multimediales
Medium aus Bild und Sprache
Als
erstes möchte ich anbringen, dass Manga nicht unbedingt ein
eigenständiges Medium darstellen. In einem ähnlichen Beitrag habe
ich mich bereits mit einem Vergleich japanischer und westlicher
Comics befasst und habe einige Gemeinsamkeiten heraus gestellt. Manga
kann als eine Unterform des Comics betrachtet werden, das kann man
nicht bestreiten. Beide arbeiten mit zwei verschiedenen
Zeichensystemen, einerseits mit Bildern sowie auch mit Sprache und
man kann nicht sagen, dass das eine wichtiger als das andere ist.
Beide stehen in einem wechselseitigen Verhältnis, charakterisieren
sich gegenseitig und würden allein nicht funktionieren. Wobei in der
Forschung immer wieder betont wird, dass die Bilder eher dominieren,
was teilweise stimmt. Hier wären wir auch bei einem Unterschied zu
den westlichen Comics, die deutlich mehr Text umfassen. Die
„Mainstream“-Manga so will ich sie mal bezeichnen, zeigen viel
weniger Text, haben dafür einen höheren Anteil an Bildelementen,
die auch für sich stehen können. Worauf ich hinaus möchte ist,
dass Medien, die sowohl mit Bildern wie auch Text arbeiten, generell
bevorzugt konsumiert werden, vor allem was Unterhaltung betrifft.
Während beim Lesen von Büchern deutlich mehr Anstrengung von Nöten
ist, man eher linear liest und dadurch eingeschränkt wird, ist man
beim Lesen von Comics oder auch Manga weniger in seiner Freiheit
beschnitten. Sicher muss man eine gewisse Reihenfolge beachten, doch
der Blick kann zwischen den Bildern umher schweifen, man kann den
Text, wenn man nicht so die Zeit hat auch weglassen und sich das
Geschehen durch die Bilder erschließen. Für Lesefaule sind Manga
ideal, weil sie eben im Vergleich zu westlichen Comics deutlich
weniger zum Lesen bieten und daher auch das Abschalten fördern.
Nicht ganz so krass wie etwa beim Fernsehen, aber schon in die
Richtung, wobei ich nicht behaupten will, dass Manga lesen sehr
passiv ist. Im Gegenteil, man muss beim Lesen ebenso kognitive Arbeit
leisten, die einzelnen Bilder (Panels) zusammen führen, was man auch
Synthese bezeichnet. Ich denke aber mal, dass das weniger kognitive
Leistung erfordert, wie es beim Lesen von Romanen der Fall wäre,
weil einem das Vorstellen durch die Manga abgenommen wird.
Jedenfalls
denke ich, dass Manga als besondere Comicform den Bedürfnissen von
Menschen sehr viel näher kommt als beispielsweise nur das Lesen von
Büchern, weil eben die Bilder dominieren. Sicherlich wisst ihr, dass
der Mensch sich am meisten auf seine Augen und das Sehen verlässt,
das ist unsere primäre Wahrnehmungsquelle. Der Großteil der
Informationen, die wir aufnehmen, geschieht doch über die Augen, wir
sind also visuell besonders empfänglich für Reize. Nun behaupte ich
also, dass Manga daher so ansprechend sind, weil sie vor allem etwas
fürs Auge bieten. Weniger Text, was man noch mal zusätzlich
verarbeiten muss, dafür mehr fürs Auge. Die Bilder bieten
Informationen in komprimierter Form, wo man nicht mehr so viel
nachdenken muss, es lässt sich generell leichter kodieren. Das ist
bei Comics generell so, doch bei Manga eben verstärkt. Weil hier das
Abschalten leichter ist, werden Manga demnach auch lieber konsumiert,
aber das ist eben nur eine der Gründe, warum japanische Comic so
beliebt sind.
Schnelleres
Lesen
Das
bringt mich direkt zum nächsten Punkt, nämlich zur besseren
Rezeption. Darüber habe ich bereits beim ersten Punkt einiges
erklärt und werde hier nur noch einige Dinge hinzufügen. Die
schnellere Rezeption beruht nicht nur darauf, dass in Manga der
Bildanteil dominiert, sondern dass diese auch noch so vereinfacht
sind, dass sich nur auf das Wesentliche konzentriert wird. Vergleicht
mal die Figuren aus westlichen Comics mit denen aus japanischen und
ihr seht was ich meine. Westliche Figuren sind eher an die
Wirklichkeit angelehnt, individueller gezeichnet und bieten viel
mehr Details vor allem, was die Hintergründe betrifft. Schaut man
sich dagegen die japanischen Durchschnittscomics an, sieht man, dass
die Figuren doch alle recht gleich aussehen, was ein spezielles
Merkmal des Mediums ist. Möglichst alle Figuren gleich aussehen
lassen, aber ein und dieselbe Figur darf nur einmal vorkommen, was
sich nach einem krassen Widerspruch anhört, aber ihr wisst
sicherlich was ich damit meine.
Einheitlichkeit
im Figurendesign und vor allem bei dem Shojo-Genre wenig oder
vereinfacht bis gestaltete Hintergründe ermöglichen die schnellere
Aufnahme von Informationen, wodurch der Lesefluss enorm gesteigert
wird. Darüber hinaus ist auch die Panelaufteilung in Manga nicht so
strikt linear wie in westlichen Comics, das Auge wird nicht gelenkt,
sondern kann sich frei bewegen und das aussuchen, was es zum
Verständnis braucht. Die Hintergründe sind teilweise wirklich so
leer, damit man sich nicht von kleinen Details ablenken lässt (oder
die Zeichner einfach keine Lust hatten, diese auszufüllen), sodass
man sich wirklich nur auf das Geschehen und die Figuren konzentriert.
Hinzu kommt natürlich auch die Reduktion der Textanteile, Manga lebt
von Bildern, die für sich selbst sprechen können, wie ich bereits
erwähnt habe. Das alles bewirkt ein viel schnelleres und einfaches
Konsumieren von Manga, dadurch spart man Zeit, man kann sie
zwischendurch zur Unterhaltung lesen und muss sie nicht mal
sorgfältig begutachten, oberflächliches Lesen bietet sich bei Manga
regelrecht an. Eine der Gründe, warum sie die westlichen Comics um
Längen schlagen, aber eben auch Bücher.
Genres,
Themenvielfalt, Orientierung an Zielgruppen
Der
nächste Punkt vereinfacht drei wichtige Aspekte die für die
Beliebtheit von Manga sprechen und sie für ein Massenmedium gerade
zu prädestinieren. Diese drei Dinge hängen eng zusammen, weswegen
ich sie auch gleichzeitig behandeln möchte. Fragt man danach, warum
japanische Comics auch außerhalb von ihrem Herkunftsland so gerne
gelesen werden, werden diese drei Punkte immer wieder erwähnt.
Auch
in meinem Beitrag zum Vergleich japanischer Comics mit westlichen
habe ich geschrieben, dass erstere einfach viel mehr Genres zu bieten
haben als übliche Comics. Zu fast jedem Thema gibt es einen Manga,
ob es nun die heterosexuelle, homosexuelle Liebe oder auch Sexualität
betrifft, Dramatik oder Mystery, Sport oder Action, auch für Komik
und Ernsthaftigkeit wird gesorgt. Wir haben es hier mit einer so
riesigen Bandbreite an verschiedenen Genres zu tun, sodass einfach
für jeden Geschmack etwas dabei ist. Ob man sich nun für Krimis,
Horrorgeschichten, Sci-Fi oder auch für belanglose Dinge (a la Slice
of Life) interessiert, für jeden ist da etwas dabei. Und ich will
behaupten, dass es so eine Vielfalt in keinem anderen Medium gibt,
sei es Film, westliche Comics oder auch Romane. Hinzu kommen dann
auch noch wirklich spezifisch japanische Genres, die noch zusätzliche
Interessen erfüllen dürften: an dieser Stelle nennen ich
beispielsweise Yaoi, Yuri, Mecha, Ecchi, Harem usw.
Hinzu
kommt, dass sich Manga sehr stark an ihre Zielgruppen orientieren.
Besonders in Japan hat sich diese enorme Differenzierung etabliert,
wie man es schon an den einzelnen Mangazeitschriften sehen kann. Für
jede demographische Gruppe gibt es spezielle Magazine, in denen nur
dazu gehörige Mangaserien erscheinen. Es gibt für kleinen Manga aus
Genre „Kodomo“, für die jungen Mädchen und Jungs gibt es Shojo
und Shonen, auch für junge Erwachsene ist mit den Genres Josei und
Seinen gesorgt und auch ältere Leute und richtige Erwachsene werden
bei den japanischen Werken fündig. Wem Mainstream-Manga zu einfach
sind, dem seien „Gegika“ans Herz zu legen, Manga an erwachsenes Publikum, die viel
anspruchsvoller sind und sozialkritische Themen behandeln. Die
demographischen Kategorien, die man auch gerne mit Genres gleich
setzt, zielen also immer auf Leser unterschiedlichen Alters ab und
führen dazu, dass man sich einfach besser orientieren kann und
wirklich nur das liest, was einen auch anspricht. Eine so saubere
Trennung sorgt einfach für mehr Ordnung und kommt Menschen einfach
entgegen.
Natürlich
bedient ein Werk nicht nur ein Genre oder eine Kategorie,
mittlerweile verschwimmen die Grenzen immer mehr, doch an der
grundlegenden Struktur wird sich so schnell nichts ändern.
Interesant in dem Zusammenhang ist ja auch, dass besonders auf dem
japanischen Mangamarkt die Leserschaft wie Könige behandelt werden.
In den Zeitschriften finden regelmäßig Umfragen statt, in denen
sich die Leser für ihren Lieblingsserien entscheiden können und je
nachdem wie populär eine Serie ist, wird sie entweder weiter
behalten oder heraus genommen und durch eine bessere Serie ersetzt.
So einen Wettbewerb haben wir auf dem deutschen Mangamarkt nicht.
Klar versucht man sich auch an die Bedürfnisse der deutschen Fans
anzupassen, aber so stark ist es dann noch nicht.
Aus
der Bandbreite an Genres wie auch Zielgruppen-Kategorien resultiert
auch ein sehr breites Themenspektrum, was eben den Genres geschuldet
ist. Dabei wird wirklich jede absolut absurde Idee genommen und für
einen Manga umgesetzt. Wir haben genug Geschichten, die einfach nur
zum Schreien komisch wirken und bei denen man sich immer wieder
fragt, was die Mangaka genommen haben, um so etwas zu fabrizieren,
doch das soll ein seperater Punkt in diesem Text darstellen.
Identifikation
durch eingängige Figuren und besondere erzählerische Mittel
Mein
nächster Punkt nimmt den Aspekt der engen Leserbindung auf und
befasst sich mit der Gestaltung der Figuren. Diesmal soll es jedoch
um die Persönlichkeiten sowie auch die narrative Umsetzung in Manga gehen. Wie ihr
sicherlich wisst, erscheinen in fast jedem Werk die gleichen Figuren.
Wir haben immer eine Tsundere dabei, eine schweigsame Figur, eine
tollpatschige, eine, die man zu nichts gebrauchen kann, eine ganz
coole, eine super niedliche...ich könnte die Liste unendlich
fortsetzen. Es scheiden sich die Geister darüber, ob man so etwas
toll oder einfach nur mies findet, da hat jeder seine Meinung
darüber. Doch habt ihr euch mal gefragt, warum solche Stereotype
überhaupt auftauchen? Wäre es nicht besser eher glaubwürdigere,
authentische Figuren zu nehmen, weil dann einfach alles viel realer
wirken würde?
Die
Wahrheit ist aber, dass Leser eben Manga nicht lesen wollen, weil sie
ihre Realität darin widergespiegelt haben wollen. Wir lesen solche
fiktionalen Dinge zur Unterhaltung, weil wir von der Realität
abgelenkt werden wollen, würde ich einfach mal in den Raum werfen.
Ob das stimmt oder nicht, muss jeder für sich beantworten. Doch mal
im ernst, solche sehr klug ausgearbeiteten Figuren gibt es doch nur
selten, stattdessen haben die meisten Mangafiguren kaum Tiefe und
Einzigartigkeit. Es kommt nur darauf an, dass dem Leser das geboten
wird, was er will und er will eben keine undurchsichtigen, komplexen,
widersprüchlichen Figuren haben, sondern solche mit denen er sich
identifizieren kann. Solche, denen er auch Sympathie bringen kann.
Und das funktioniert eben am besten, wenn sie möglichst nur wenige
Charaktereigenschaften haben, idealisiert dargestellt werden (es gibt
entweder nur die Guten oder die Schlechten), damit man eben eine
Bindung zu ihnen aufbauen kann. Einige kritische Stimmen würden
entgegen halten, dass man zu solchen unrealistischen Figuren keine
Beziehung herstellen kann, ich sehe da auch ein Stück Wahrheit.
In
den Figuren erkenne ich zum einen viel bessere potenzielle
Identifikationsträger, weil sie eben so einfach und liebenswürdig
gestrickt sind. Sie sind so angelegt, dass für jeden Geschmack etwas
dabei ist, weswegen sie auch so stereotyp auf uns wirken. Zum anderen
bietet uns das auch die Möglichkeit weit weg von der Realität zu
kommen. Würden die Figuren sich nämlich wie echte Menschen
verhalten, ergäbe das Lesen auch keinen Sinn. Unterhaltung wäre
eindeutig reduziert. Die Figuren schreien uns förmlich ins Gesicht,
dass sie nicht echt sind und auch nicht für menschlich gehalten
werden wollen. Dadurch trennen wir sie viel leichter von der Realität
und driften umso besser in die fiktionale Welt.
Euch
ist sicherlich aufgefallen, dass die Figuren immer so süß aussehen
und sich auch so verhalten. Manche nervt es, mich insbesondere, aber
auch das hat eben einen triftigen Grund: sie wollen geliebt werden,
sie wollen dem Leser gefallen, zumindest in den Mainstream-Manga.
Das
so weit zu den inneren Merkmalen von Figuren in japanischen Comics.
Damit wir aber so richtig in die Mangawelten eintauchen können,
werden bestimmte Strategien in der Erzählung verwendet. So ist der
Comicexperte Scott McCloud bei einem Vergleich amerikanischer und
japanischer Comics auf die Erkenntnis gestoßen, dass Manga andere
Übergänge zwischen den Panels bevorzugen. Während in westlichen
Comics die Handlung immer weiter voran schreitet, weswegen Übergänge
zwischen Aktionen dominieren, werden in Manga Übergänge „von
Gesichtspunkt zu Gesichtspunkt“ häufiger verwendet. Was ich damit
meine? Gemeint ist, dass es Übergänge gibt, die das Geschehen
verlangsamt darstellen. Es sind welche, in denen die Story kaum voran
kommt, sondern eher verschiedene Blickwinkel auf ein und dieselbe
Aktion ermöglicht wird. Dadurch bleibt die Handlung in der Schwebe
und wir können uns beispielsweise mehr in das Geschehen einfinden.
Auch subjektive Bewegungslinien, die uns dazu verleiten, uns direkt
in das Geschehen einzufühlen, bewirken eine stärkere Immersion (=
also Einfühlen in das Geschehen), was bspw. bei westlichen Comics
weniger der Fall ist.
Besonders
interessant finde ich, dass beim Shojo-Genre die Emotionalität
ebenso zu besondere Stilmittel verstärkt wird. Wer von euch schon
mal ein Werk gelesen hat, dem wird aufgefallen sein, dass viele
Bilder recht leer wirken, dass die Hintergründe kaum bis gar nicht
vorhanden sind und dadurch der Fokus mehr auf den Gesichtern liegt.
Zum anderen wird man feststellen, dass eigentlich in einem Band fast
gar nicht passiert, würde man es mit einem Shonen Manga vergleichen.
Eben weil Bilder dominieren, die nur Gesichtspunkte oder Momente
darstellen, wodurch sozusagen die Zeit vorübergehend außer Kraft
gesetzt wurde, um den Moment und die Gefühle der Figuren besser
einfangen zu können. Die sogenannten „leeren Bilder“ in solchen
Manga bewirken, dass wir uns besser in die Figuren hinein fühlen
können. Die Bilder sind nicht einfach nur Ausschmückungen, sondern
dienen als Spiegel der inneren Vorgänge der Protagonisten oder
zeigen auch Beziehungen oder die Atmosphäre an.
Ästhetik
in Manga
Darüber
hinaus und auch dem Leser zuträglich ist der Zeichenstil in
japanischen Comics. Die meisten Mangaka bemühen sich doch um
ästhetisch schöne Figuren. Die Proportionen sind zwar extrem
überzogenen, könnten aber auch eine Art Ideal darstellen. Die
Figuren sehen aufgrund ihrer Größe und ihres Umfangs fast wie
Models aussehen. Etwas komisch wirken dann die überproportional
aussehenden Köpfe mit denen kleinen Nasen, den kleinen Mündern und
den tellergroßen Augen. Die Mädchen und Frauen sehen meist auch
schlank aus, sehr süß oder schön, mit großen Brüsten, Jungs und
Männer sind meist muskulös. Nicht zu vergessen haben wir auch
Bishojo und Bishonen, die die Ideale noch mal mehr betonen. Aber
eigentlich sehen so gut wie alle Figuren schön aus, auch wenn
angeblich Unterschiede erwähnt werden. Sie alle entsprechen gewissen
Schönheitsidealen, die nicht nur in Japan, sondern weltweit gelten
dürften. Man sieht kaum mal entstellte oder dicke Figuren, Figuren
mit Mängeln sind eindeutig in der Unterzahl.
Darüber
hinaus sehen die Figuren in Manga fast alle gleich aus. Vergleicht
man nun die Optik von westlichen Comics mit japanischen fällt eben
auch auf, dass Individualität bei Manga eine Seltenheit ist. Sicher
möchte ich als positives Kriterium erwähnen, dass es auch bei den
japanischen Werken sehr viele unterschiedliche Zeichenstile gibt, die
sich deutlich voneinander unterscheiden, sodass Leser realistischen
Designs wie auch überzeichneten auf ihre Kosten kommen. Und doch
fällt auf, dass besonders bei Manga alle Figuren einheitlich
aussehen. Wie gesagt findet man besonders bei Manga das sogenannte
Kindchenschema, was wiederum noch einen zusätzlichen
Niedlichkeitsfaktor zusammen mit den Persönlichkeiten der Figuren
mit sich bringt. Die Figuren wecken dadurch noch mehr Sympathie und
eine stärkere Bindung zu ihnen wird möglich. Zwar mögen die
Zeichenstile von Mangaka nicht so ausgefeilt und detailliert sein,
wie die von westlichen Comiczeichnern, dafür punkten sie umso mehr
durch ästhetisch ansprechende, wenn auch hochstilisierte Figuren,
die auf jeden Fall dem Auge schmeicheln. Schönen Bildern ist doch
jeder angetan oder? Kein Wunder, dass die Optik bei Manga so
entscheidend ist, ob wir ein Werk lesen oder nicht. Wo wir übrigens
wieder bei dem Aspekt sind, dass Menschen vor allem visuell
orientierte Wesen sind und daher eben die Optik ein wichtiger Faktor
bleibt.
Japanisch
spezifische Aspekte für das Exotische
Der
Einfluss der Herkunft ist einfach nicht übersehen, was für mich
ebenso ein wichtiger Grund ist, warum Manga so beliebt sind. Zwar
haben sie durchaus sehr viel Universelles, worauf ich danach noch mal
zurück kommen will, aber den Reiz der Manga macht doch besonders ihr
exotischer Charakter aus nicht wahr? Besonders für amerikanische und
europäische Fans üben Manga eine unglaubliche Anziehungskraft aus.
Hinsichtlich der Tatsache, dass wir vor allem eine Unterhaltung
jenseits der Realität suchen, eignen sich Manga besonders an. Wir
können in eine fremde Welt eintauchen, eine neue Kultur entdecken,
wenn auch vieles fiktional ist, beruhen viele Elemente eben doch aus
der Wirklichkeit. Viele Wissenschaftler haben sich bereits mit
japanisch spezifischen Eigenschaften in Manga befasst und ich möchte
hier einige an der Stelle erwähnen.
Zum
einen wären da natürlich der Niedlichkeitsfaktor für den das Land
Japan einfach Paradebeispiel ist. Ich weiß nicht woran es liegt und
habe daher auch keine Erklärung für dieses Phänomen, aber
besonders Manga stehen stellvertretend für den Niedlichkeitskult
Japans. Alle Figuren haben irgendwo etwas Niedliches durch ihr
Design.
Zum
anderen finden wir ein Genre, das man sonst nirgendwo findet: das
Mecha-Genre. Sicherlich Technik und Roboter gibt es auch in Filmen
wie Büchern besonders im Zusammenhang mit Science Fiction, doch es
ist mir bisher nicht bekannt, dass es auch ein eigenständiges Genre
gibt, in denen Figuren sich in übergroße Roboter setzen um dann im
Universum oder sonst wo gegen andere Parteien oder Außerirdische zu
kämpfen und die Welt zu retten. Interessant fand ich hierbei den
möglichen kulturellen Hintergrund, weil Japan ja doch ein sehr
modernisiertes Land ist, was vor allem in Sachen Technologien sehr
weit vorne mitspielt. Das wird also sozusagen auch mit dem Genre
deutlich gemacht. Japaner sind fasziniert von Innovationen und
technischen Erfindungen und da erstaunt es nicht, dass sich dafür
auch ein eigenes Genre etabliert hat.
Oder
auch das Thema Endzeit-Szenario oder Apokalypse finden wir in sehr
vielen bekannten Manga wie z.B. Attack on Titan, Psycho Pass, Ergo
Proxy, Ghost in the Shell, Cowboy Bebop, Guilty Crown etc. Warum sind
Japaner so begeistert davon? Ich nehme mal an, dass es Spuren der
Geschichte sind, die sich hier abzeichnen. Vordergründig denke ich
an den Zweiten Weltkrieg und vor allem auch den Bombeneinsätzen in
Nagasaki und Hiroshima und welche verheerenden Folgen das für
Bevölkerung hatte. Die Verarbeitung dieser problematischen
Erinnerungen finden also sogar Eingang in populären Medien wie Manga
und Anime.
Dass
ein Stück Religion und Geschichte in Manga steckt sehen wir auch in
den Monstern, die immer wieder auftauchen. Meist handelt es sich
wirklich um japanisch spezifische Monster wie Yokai, Tengu, Oni,
Kappa und auch Geister, die unsere Helden heimsuchen. Bekannte
Beispiel, die sich mit Yokai auseinander setzen gibt es unzählige
wie Mushishi, Mononoke, sowie Prinzessin Mononoke, die Abenteuer von
Natsume, Inuyasha usw. Euch fallen bestimmt noch einige mehr ein. Der
Glaube an diese übernatürlichen Wesen hat sich sehr lange in der
japanischen Bevölkerung gehalten, was mich sehr gewundert hatte.
Fakt ist jedoch, dass in westlichen Comics übernatürliche Wesen
dieser Art so gut wie nicht auftauchen und wenn dann sind sie
höchstens an westliche Götter oder Fabelwesen angelehnt, während
man diese in japanischen Comics vergeblich sucht. Pokemon wie auch
Digimon und aktuell Yokai Watch sind sicherlich auch daran beteiligt,
dass Manga um die Jahrtausendwende so populär in der Welt geworden
sind und es auch immer bleiben werden. Meist auch gepaart mit dem
Aspekt der Niedlichkeit steht ihrem Siegeszug nichts entgegen.
Interessant
fand ich auch, dass es das Genre Magical Girl nicht in westlichen
Comics oder anderen Medien gibt. Dafür dominieren eher die
Superhelden, die wiederum in Japan kaum Beliebtheit erfahren. Warum
aber gerade Mädchen mit übernatürlichen Kräften? Ich nehme an,
dass es wieder mit dem Bedürfnis nach Niedlichkeit zusammen hängt
und weniger die Coolness von Superhelden.
Universelle
Bildsprache und Emotionalität
Würden
Manga nun aber nur japanisch sein, was ja eigentlich der Fall ist,
bedenkt man, dass viele Mangaka ihre Werke nur für japanische Leser
machen, würden sie bestimmt nicht so beliebt sein, wie es nun mal
der Fall ist. Das Geheimrezept von Manga ist gerade die Balance
zwischen japanisch spezifisch kulturellen Aspekten sowie universellen
Elementen. Das fängt bei den Figuren an, von denen man behauptet,
sie würden absolut nicht japanisch aussehen, sondern sich an
westlichen Idealen anlehnen (bunte Haare, große Augen etc.) Ob dem
zuzustimmen ist, bleibt offen. Ich sehe aber eine gewisse Tendenz zur
Multikulturalität bei Manga gerade, weil sie eben so
unterschiedliche Haarfarben haben, aber lustigerweise doch alle nur
japanisch sprechen. Ein Großteil der Universalität finden wir
jedoch eher auf der Bildebene.
Wie
schon eingangs erwähnt arbeiten Manga mehr mit Bildern als mit
Texten und Sprache. So wie bei Manga werden Figuren sehr vereinfacht
dargestellt, sehr ikonisch und viele Symbole werden verwendet, die
jedoch länderübergreifend verstanden werden können, was ein großer
Pluspunkt ist. Die Bildersprache und vor allem die verstärkte
Emotionalität vor allem durch Gestik und Mimik der Figuren in
japanischen Comics führen dazu, dass sie universell verstanden
werden können. Die Bilder sprechen teilweise sehr für sich selbst
und sie gehen einfach direkt ins Herz. Ein Aspekt der eben auch
wichtig ist, dass vor allem Manga sehr stark auf Emotionalität und
Dramatik bemüht sind, wie es in westlichen Comics weniger der Fall
ist. Hier dominieren vor allem die Handlungen und Ergebnisse, nicht
die Reaktionen, Gefühle und die Atmosphäre.
Zurück
zu der Mimik der Figuren. Obwohl Mangafiguren viel einfacher
gezeichnet sind, nur aus wenigen Strichen bestehen, vermitteln sie
doch einen starken emotionalen Eindruck auf uns. Mit nur wenigen
Strichen erkennen wir sofort, wie die Figuren sich fühlen. Es gibt
eine enorme Bandbreite an verschiedenen Gestiken und Mimiken, die man
ohne Worte verstehen kann und auch für die einzelnen Emotionen gibt
es eine Vielzahl an unterschiedlichen Umsetzungen.
Typisch
für Manga sind auch die Super Deformed Gestalten oder die Chibis,
die die Niedlichkeit an die Spitze treiben, aber auch für sehr viel
Unterhaltung sorgen
Balance
zwischen Dramatik und Komik
Wo
wir auch schon beim letzten Punkt wären, die Balance zwischen
Dramatik und Komik. Manga weisen doch einen sehr eigensinnigen Humor
auf, den sogenannten Manzai-Humor, über den ich bereits geschrieben
habe. Darüber hinaus legen die japanischen Comics auch sehr viel
Wert auf Emotionalität, was manche für konstruierte Dramatik halten
würden. Es wird übertrieben wo es nur geht, nur damit Emotionen
erzeugt werden. Das geschieht meist durch übertriebene Gestik und
Mimik, wo wir wieder bei der universellen Bildsprache wären. Auch
die Hintergründe in Manga sind immer ein Spiegel der Seele der
Figuren und verstärken die Dramatik umso mehr. Demgegenüber stehen
dann wiederum auch Übertreibungen in die andere Richtung, eben wenn
Figuren verzerrt und verkleinert gezeigt werden, was einen komischen
Effekt hat. Man mag davon halten was man will, aber Manga schaffen es
einerseits immer wieder für lustige Momente zu sorgen, dann aber
auch wieder schnell auf die emotionale Schiene zu fahren, was beides
durch die bildtechnischen Mittel geschieht.
Schlussendlich
wurde aus dem Beitrag ein ziemlich langer, ich hoffe, er hat euch
einige neue Erkenntnisse gebracht. An dieser Stelle möchte ich euch
fragen, was ihr von meinen vorgestellten Aspekten haltet. Stimmt ihr
denen zu oder eher nicht? Ist euch etwas bekannt oder habt ihr etwas
neu dazu gelernt? Fallen euch eventuell andere Aspekte ein, auf die
ich nicht eingegangen bin? Habt ihr euch überhaupt mal gefragt,
warum Manga so beliebt sind? Vorschläge, Ideen und Verbesserungen
sind erlaubt und ich freue mich auf eure Antworten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen