Mittwoch, 5. Oktober 2016

Gesehen: Anne mit den roten Haaren


Die Familie Cuthberts bestehend aus dem Geschwisterpaar Marilla und Matthew betreiben ihre eigene Farm auf Green Gables. Da beide nicht mehr die Jüngsten sind, entscheiden sie sich einen Waisenjungen aufzunehmen, der ihnen bei der Farmarbeit behilflich sein soll. Gesagt, getan, sie beauftragen jemanden, der ihnen einen Waisenjungen überbringen soll. Doch wie groß doch die Verwunderung als stattdessen ein kleines, bleiches, dürres Mädchen erscheint, was sogar noch rote Haare und Sommersprossen besitzt! Nicht nur das: das Mädchen wehrt sich vehement dagegen Green Gables zu verlassen, zu sehr hat sie von ihrem eigenem Zuhause geträumt. Voller Mitleid beschließen die beiden das arme Mädchen aufzunehmen, ohne ahnen zu können, was noch Großartiges auf sie zukommen wird...


Meine Meinung:


Story und Figuren

Zugegeben die Story braucht zu Beginn etwas um überhaupt mal in Fahrt zu kommen. Doch ich fand es anfangs gar nicht so schlimm, dass die ersten drei bis vier Episoden sich nur um die Ankunft von Anne auf Green Gables drehten. Ich fand es erzählerisch sogar richtig gelungen, denn ich konnte es kaum abwarten, zu erfahren, was nun die Cuthberts mit Anne tun. Die beiden befinden sich nämlich wirklich in einem wahrhaftigen Zwiespalt: einerseits können sie kein Mädchen gebrauchen, das körperlich einfach keine harte Arbeit auf einer Farm leisten kann. Andererseits fühlen sich beide sehr zu dem merkwürdigen und doch warmherzigen Mädchen hingezogen, was bei beiden schon echt eine Besonderheit ist. Matthew ist beispielsweise ein sehr ruhiger Mensch, der aus unerfindlichen Gründen eine Abneigung gegenüber dem anderen Geschlecht entwickelt hat. Er kann mit Frauen und Mädchen nichts anfangen und es ist ihm einfach unangenehm mit ihnen zu tun zu haben. Und dann kommt ausgerechnet so jemand wie Anne, die das komplette Gegenteil zu ihm darstellt: sehr offen, fantasievoll, hyperaktiv, selbstbewusst und dann noch auch noch ein Plappermaul. Möchte man meinen, dass Matthew das gar nicht ausstehen kann, doch er fühlt sich vom ersten Moment an mit ihr allein wohl und möchte sie gar nicht hergeben. Bei Marilla ist es ähnlich, sie ist wirklich sehr streng und zeigt kaum Emotionen, bei ihr siegt immer die Vernunft und obwohl ihr die Art von Anne auf den Geist geht mit ihren ganzen Träumen und Fantasien, übt sie auf Marilla eine große Anziehungskraft. Auch sie kann sich bald gegen den Zauber dieses rothaarigen Mädchens nicht wehren und beschließt ja dann sie zu sich zu nehmen.


Wie gesagt werden vor allem die ersten Episoden sehr in die Länge gezogen, aber ich fand es passend, weil es eben eine wichtige Stelle war und so bedeutsam für das weitere Schicksal von Anne. Ihr müsst wissen, dass sie ja ein Waisenmädchen ist, und bisher noch nie so etwas wie eine richtige Familie hatte. Sie wurde immer nur weiter gereicht, empfand sich als unwillkommen und nun hatte sie endlich ein eigenes Zuhause gefunden. Sehr groß ist dementsprechend ihre Freude zumal sich der Anime viel Zeit lässt die Beziehung zwischen der Natur auf Green Gables und Anne zu vertiefen. Von Anfang an ist das Mädchen nämlich total fasziniert von der Umgebung, verliebt sich förmlich in die Landschaft und hat ihr Herz verloren. Umso mehr schmerzt es sie, als sie realisiert, dass sie das alles sehr bald aufgeben muss. Ich musste wirklich mit ihr mitfühlen, war ebenfalls wie Marilla und Matthew hin und her gerissen, bei allen dreien merkte man, wie emotional aufwühlend für sie die Situation war. Mag sein, dass die Reaktion von Anne anfangs etwas zu dramatisch übertrieben dargestellt wurde, aber alles weitere fand ich doch recht realitätsnah gemacht und das war es, was mich von Anfang an an diesem Anime erstaunt hatte. Wir kennen es aus vielen Anime, in denen Reaktionen und Verhaltensweisen einfach nur absurd unglaubwürdig wirken. Doch bei Anne war das selten mal der Fall. Besonders am Anfang konnte ich alles absolut nachvollziehen, mich in die Figuren hinein fühlen, zumal der Erzähler da ebenfalls gut geholfen hat.

Sehr schön fand ich wie die die ersten Episoden auch mit der vorherigen Lebensgeschichte von Anne verknüpft wurde. Es wurde ausreichend Hintergrundwissen über ihren Werdegang und ihr Leiden vermittelt, sodass ich mich automatisch noch mehr zu der Heldin hingezogen fühlte. Man versetzte sich einerseits in ihre Rolle, als ein Waisenmädchen, was von niemanden gewollt wurde. Aber auch in die Lage von Marilla, die das alles mit anhören musste und sich miserabel und schuldig fühlte, da sie dem Mädchen nur noch mehr Leid zufügen würde. Das hat man auch nicht häufig, dass man zwei doch gegensätzliche Situationen parallel nachempfinden kann.

Eine Folge, die mich extrem überrascht, aber auch belustigt hatte war die, als Anne auf Rachel Lynde trifft und man dadurch noch tiefer in ihr Herzen eindringen konnte. In der Folge ging es primär darum, dass Anne unter niedrigem Selbstwertgefühl leidet und wahnsinnig verletzt wird, sobald jemand ihr offen ins Gesicht sagt, dass sie doch ein seltsames Äußeres hat. Die Episode fand ich daher so überzeugend, weil uns mal wirklich eine exzentrische Figur gezeigt wurde. Anne ist keien die ihre Gefühle herunter schlucken kann, nein sie lässt sich von ihren Emotionen leiten und denkt auch nicht darüber nach, wie sie auf andere wirkt und welche Folgen ihr Handeln mit sich bringen wird. Explosionsartig rastet sie förmlich aus und verliert sich in Beleidigungen und schluchzenden Wutanfällen. Das habe ich soweit ich weiß, noch nie zuvor gesehen zumindest in Anime nicht und fand ich einfach nur herrlich menschlich. Daran sieht man, dass Figuren in Anime durchaus auch negative Seiten haben können und dennoch dadurch im positiven Sinne menschlicher wahrgenommen werden. Schön fand ich aber, dass bereits da auch ein Zeichen von Reife angedeutet wurde, weil Anne dann ihren Stolz herunter schluckt und sich bei der Frau entschuldigt. Weil es sich eben gehört und sie eben auch Reue empfunden hat.


Ein wichtiges Thema in dem Anime ist die Freundschaft. Anne hatte zuvor nie wirklich eine Freundin gehabt. Ihre Einsamkeit ging sogar soweit, dass sie sich ihre beste Freundin vorstellte und so tat als gäbe es sie wirklich. Manche würden mit dem Kopf schütteln, doch ich fand es verständlich, zumal ich das selbst als Kind ebenfalls mal getan habe. Wie der Zufall will freundet sie sich mit Diana Berry an, der Nachbarstochter, die ebenfalls ohne Freundin ist, zumindest hat sie in der Nähe niemanden mit dem sie spielen kann. Ich fand es erstaunlich wie leicht Kinder sich doch anfreunden können, nur weil sie eben allein sind. Aber besser zu zweit als allein. Etwas seltsam fand ich es, dass Diana gar nicht von Anne abgeschreckt war, obwohl sie selbst doch so normal und nett wirkte. Aber vielleicht ziehen sich Gegensätze ja an. 

Ihr Freundschaftsbund wurde im übrigen sehr feierlich zelebriert und hatte schon einen echt kitschigen Touch. Durchweg wird ihre Beziehung als eine schicksalshafte und besondere dargestellt, die von nichts und niemandem zerstört werden kann. Eine Freundschaft nach der sich jeder sehnt, die total idealisiert wurde, aber nicht immer perfekt war. Ich erinnere mich nämlich daran, dass ihre Beziehung immer wieder auf die Probe gestellt wurde. Sei es, weil Anne einfach nur stur war oder Diana ihr Verhalten nicht nachvollziehen konnte oder weil die Eifersucht zwischen ihnen lag. Es gab immer wieder Hürden zu überwinden, das weiß ich noch sehr gut, die beide glücklicherweise bewältigt haben. Man kann von beiden echt sagen, dass sie Busenfreundinnen und füreinander gemacht sind.


Den Großteil der Episoden kann man wirklich als Slice-of-Life bezeichnen, wobei die Episoden nicht wirklich zusammenhangslos wirken, sondern manche Episoden tatsächlich auch einen tieferen Sinn haben, weil sie sehr wichtig für die Entwicklung von Anne sind. So gibt es viele Episoden, die einfach nur unterhaltsam und witzig sind und uns die Fehler der Protagonistin vor Augen halten. So vergisst Anne mal den Pudding zuzumachen und entdeckt am nächsten Morgen eine tote Maus darin. Oder sie mischt aus Versehen, weil sie erkältet ist Hustensaft in einen Kuchen, der dann auch noch von den Gästen verspeist wird. Dann wieder aus Versehen füllt sie ihre beste Freundin Diana ab, weil sie den Alkohol mit Fruchtsaft verwechselt hat. Das an sich war schon witzig, unerwartet war dann die Folge dessen, die wieder ernste Töne in die Geschichte brachten. Weil sie ja ihre Haare nicht ausstehen kann, erwirbt sie sich Haarfärbemittel ohne zu wissen, wie ihre Haare dadurch am Ende aussehen. 


Ein weiteres Beispiel von ernsthaft aber auch lustigen Episoden wäre die, in der sie mit ihren Freundinnen ein Drama nachspielt und sich beinahe in Gefahr bringt. Die meisten ihrer Missgeschicke sind relativ harmlos, doch teilweise sind sie so waghalsig, dass sie sogar ihr eigenes Leben auf den Spiel setzt. Der Anime ist voll von solchen Missgeschicken und Fehlern, dass man sie gar nicht zählen kann. Das Gute ist aber, dass Anne niemals einen Fehler zwei Mal macht, wodurch die ganzen Missgeschicke also durchaus nicht nur Unterhaltungswert haben, sondern auch belehrend auf sie und den Zuschauer sind. All die Dinge, die sie nicht so gut tut, sind nicht einfach ohne Grund da, sie bereut sie und lernt auch wirklich aus ihnen.


Eine Sache, die meist eher am Rande ablief, aber lustig war, war die Beziehung zwischen ihr und Gilbert Blythe, dem gut aussehenden Jungen in ihrer Schule, der gerne andere auf die Schippe nimmt. Ich fand die Beziehung daher interessant, weil es nicht das typische „Mädchen trifft auf Junge“-Gedöns war, sondern ihre Beziehung von Anfang an unter einem schlechten Stern stand und von da an auch immer von Rivalität und Abneigung geprägt war. Das beginnt damit, dass er sie mal aus Spaß „Karotte“ nennt und an ihren Haaren zieht. Wie ihr euch vorstellen könnt, ein folgenschwerer Fehler, weil sie es hasst, wenn andere sie mit ihrem Aussehen aufziehen. Seitdem kann sie ihn nur hassen und dieser Hass währt tatsächlich sehr lange. Doch wie Anne entwickeln sich auch ihre Gefühle weiter und mit der Zeit vergeht der Groll. 

Tatsächlich bereut sie es, dass sie ihm nie offiziell verziehen hat. Selbst als sie keine Abneigung ihm gegenüber empfindet, bleibt sie auf Distanz und rivialisiert mit ihm. Immer unterstellt sie ihm Böses, obwohl er oft genug beteuert, dass es ihm leid tut und er sich mit ihr anfreunden will. Daran erkennt man wie stur Anne ist und wie viel Wert sie auf ihr Äußeres legt und eben auch sehr nachtragend sein kann. Ich bin nur froh, dass sie sich in der Hinsicht glücklicherweise verändert. Für alle Fangirls ist das Ende umso schöner, da die alte Rivalität endlich aufgegeben wird und die beiden sich endlich annähern. Darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut, weil ich fand, dass die beiden echt gut zueinander passten. Manchmal nervte es mich aber extrem, dass Anne einfach nicht verzeihen konnte und sich an einer Kleinigkeit so lange aufhängen konnte. Das war schon frustrierend anzusehen.


Eine sehr wichtige Thematik war die Erziehung von Anne selbst und die Beziehung zwischen ihr und Marilla. Ihr könnt euch vorstellen, dass die beiden Tag und Nacht sind und daher immer wieder aneinander geraten. Das erkennt man ja bereits daran, dass Anne nun wirklich kein braves Mädchen ist, sondern immer wieder aneckt und auch Dummheiten begeht. Das bringt Marilla teilweise echt um den Verstand, was ich vollkommen nachvollziehen kann. Anne ist einfach ein wahrer Wildfang und viel Bildung durfte sie nie genießen, weil sie ja keine wirkliche Familie hatte und eher in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Dementsprechend hat Marilla sehr viel Arbeit mit ihr. Für Marilla ist es zusätzlich eine Herausforderung, da sie gar keine Ahnung von Kindererziehung hat und immer wieder vor die Frage gestellt wird: ist das richtig, was ich da tue oder falsch? Da sie Matthew aus allem raus halten will, muss sie diese Frage für sich selbst beantworten.


 Ich finde, dass die Konflikte zwischen den beiden immer sehr realitätsnah und auch emotional inszeniert wurden. An keiner Stelle wurde übertrieben, alles wirkte so echt und vor allem auch vertraut, wenn man sich an seine eigene Kindheit erinnerte. Man übernahm sowohl die Perspektive von Marilla, als auch die von Anne, konnte beide Seiten irgendwie verstehen und war dementsprechend ebenfalls zwiegespalten. Marilla, die ja sonst immer so vernünftig und streng wirkt, zeigte sich in solchen Situationen immer sehr unsicher und konnte sich nicht entscheiden, ob sie dem Mädchen einfach vergeben oder es bestrafen sollte. Ganz schwierig war es wenn es um die Findung der Wahrheit ging. Konnte sie Anne vertrauen oder sollte sie sie lieber zu einem Geständnis bringen? Soll sie ihr erlauben irgendwohin zu gehen oder lieber nicht? Soll sie ihr verbieten, etwas zu tun, als eine Art Bestrafung? Was ist überhaupt eine gerechte und angemessene Bestrafung? Das sind so Sachen, die immer wieder in der Erziehung aufgeworfen werden. Doch allein schon Anne´s Persönlichkeit ist ein Problem für sich. Sie hängt ständig mit ihren Gedanken in den Wolken, hört nicht richtig zu, wird dadurch unaufmerksam und macht noch mehr Fehler. Marilla ist ja eine, die komplett auf dem Boden der Tatsachen ist und versucht alles, um sie zur Vernunft zu bringen, leider ohne großen Erfolg. Man kann daran sicherlich auch sehr gut die Normen und Werte der damaligen Gesellschaft und Kultur erkennen und auch heute noch sind diese gewissermaßen gültig. Anne ist eben das typische Kind, was nicht erwachsen werden will, während Marilla eben die Stimme der Vernunft ist und sie eben an die Konventionen und Regeln der Gesellschaft anpassen will. Doch Anne lässt das nicht zu, sie lebt in ihrer eigenen Welt.


Besonders fand ich ebenfalls auch die Art der Erzählweise, denn anders als in heutigen Anime haben wir eine Erzählerstimme, die verschiedene Funktionen übernimmt. Sie fasst Dinge zusammen, verortet etwas oder beschreibt Figuren. Sehr schön fand ich deren Einsatz immer dann, wenn es emotional wurde. Die Figuren verwendeten keine Monologe, zumindest selten, meist wurde der Erzähler eingesetzt, wenn es darum ging in die Gefühlswelt der Figuren einen Einblick zu bekommen, was ich schon nett fand.

Was ich am tollsten an dem Anime fand, war der Übergang von der Kind zur Jugend und dem früheren Erwachsenendasein von Anne. Ich muss sagen, dass mir die Veränderung teilweise etwas zu abrupt kam, zumal der Erzähler nur ganz kurz beschrieb, was aus Anne geworden ist und weswegen das war. Ich hätte mir gewünscht, dass man das über mehrere Episoden langsam ausweiten lässt. Aber ich fand es erstaunlich, dass aus dem ungezogenen kratzbürstigen, fantasireichen Mädchen mal eine so elegante und vor allem höfliche und gewissenhafte junge Frau wird. Und vor allem als Kind hat sie sich nur ihren Träumereien hingeben und mit Beginn des College wird sie total ehrgeizig und zielstrebig und lässt ihr altes Ich hinter sich. Ich fand es einerseits irgendwie schön, dass Anne nicht mehr ganz so exzentrisch war wie früher, sondern richtig vornehm und vor allem empathisch wurde, sie entwickelte ein Gespür für die Umwelt, lebte nicht mehr nur in ihrer eigenen Welt und sorgte sich mehr um andere. Anfangs drehte sich alles nur um sie und dann rückt der Fokus gegen Ende mehr auf ihre Mitmenschen. 


Andererseits vermisste ich ähnlich wie Marilla die alte Anne, die so besonders war und durch ihre Verrücktheit alle zum Lachen brachte. Aus dem sonst so wilden Mädchen wird eine wirklich sehr elegante, wohl erzogene Frau, das wird im Anime öfter erwähnt. Das ist schade, weil Anne als Kind noch so besonders war und so menschlich durch ihre Macken und Fehler. Die „neue“ Anne dagegen wirkt auf mich teilweise schon ideal und perfekt, ohne große Schwächen. Ich weiß nicht, was der Anime oder die Romanvorlage uns damit vermitteln will. Dass selbst aus solchen hoffnungsvollen Fällen mal tolle Menschen werden? Das wäre durchaus denkbar und optmistisch, weil Anne sich ja wirklich von ganzen unten ohne jegliche Bildung und sozialen Hintergrund hocharbeitet und Spitzenleistungen erbringt und dadurch eine sehr tolle Zukunft vor sich hat. Wenn man bedenkt, wie sehr sie anfangs noch im Rückstand ist und sich dann immer mehr bessert ist es erstaunlich. Man kann ihre Story als eine coming-of-age- oder Bildungsgeschichte interpretieren.

Eine andere Botschaft dahinter könnte aber auch weniger angenehm sein, nämlich dass sich selbst ein so besonderes Mädchen irgendwann mal der Gesellschaft beugen und vernünftig werden muss? Denn mal ehrlich am Ende ist sie nicht mehr wiederzuerkennen und das Besondere ist leider auch abhanden gekommen. Sie mag zwar angenehm und nett wirken, aber vielleicht auch etwas langweilig, so ganz ohne Ecken und Kanten. Selbst Marilla, die es früher nicht ausstehen konnte, wenn sie fantasierte und große Worte verwendete, vermisst die alte Anne.

Jedenfalls können wir Anne von der Kindheit bis zur Jugend begleiten und mit erleben, wie sie sich weiter entwickelt. Während in ihrer Kindheit die vielen Dummheiten und Abenteuer im Mittelpunkt stehen, wird es dann ab dem College richtig ernst. Man glaubt, man wäre in einem kompeltt anderen Anime, weil sich einfach die Stimmung total verändert. War die Kindheit noch voller Sorglosigkeit und lustigen Zwischenfälle, wirkt das College-Leben so ernst, monoton und teilweise sehr melancholisch. Der Stimmungswechsel ist nicht zu übersehen. Anne lernt nur noch und bringt ihre Gesundheit damit in Gefahr. Die neue Lebensphase bringt viele Probleme mit sich: Anne und ihre Adoptiveltern leiden sehr unter der Trennung. Anne begibt sich in die Leistungsgesellschaft, vergleicht sich mit anderen und wird mit Zukunftsängsten konfrontiert. Sie muss sich entscheiden, welchen Weg sie zukünftig gehen soll. 


Ehrlich gesagt fand ich diesen Teil des Anime einerseits gut aufgrund ihrer Veränderung, der Umbrüche und vor allem weil das Ende mich so getroffen hat. Andererseits muss ich daran kritisieren, dass das Tempo einfach total unpassend war. Da ich aber nebenbei auch die Originalvorlage also den Roman gelesen habe, verstehe ich auch warum es so war. Denn auch im Roman wurde diese Phase wirklich total komisch zusammen gefasst und reduziert. Teilweise nimmt sich der Anime sogar mehr Zeit für bestimmte Dinge als der Roman selbst! Um es euch mal zu verdeutlichen: In der einen Episode kommt Anne ans College und in der nächsten ist sie schon am Ende und lernt für die Prüfungen. Als ob das nicht etwas zu schnell geht... Man kann es dem Anime also nicht vorwerfen, er hat sich eben sehr nah an der Vorlage gehalten. Ein Pluspunkt finde ich, wobei sich da die Meinungen ja teilen, eine gute Adaption muss ja nicht unbedingt immer haar genau wie das Original sein oder?

Zum Schluss möchte ich mich dem Ende des Anime widmen, der für mich ein ganz besonderes war. In den letzten Episoden passieren so viele Unglücksfälle, dass man es schon fast als konstruiert ansehen könnte. Aber so ist das Leben. Anne ist auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung und schaut optimistisch in die Zukunft. Doch auf der anderen Seite sind Matthew und Marilla, die mit vielen Problemen zu kämpfen haben u.a. auch das Alter, körperliche Schwächen und finanzielle Sorgen. Es kommt Schlag auf Schlag und man ist selbst als Zuschauer richtig mitgerissen von dem, was da alles passiert. Diese letzten Episoden lehren uns, dass im Leben nichts sicher ist außer der Wandel. Darüber hinaus sieht sich Anne auch der schweren Entscheidung konfrontiert, ob sie nun ihre Karriere weiterverfolgen oder sich für die Familie entscheiden will. Es ist wirklich sehr schwer und ich möchte nicht in ihrer Haut stecken. Der Anime endet für mich zufriedenstellend und ich würde mir eine Fortsetzung mehr denn je wünschen.


Optik und Musik

Von einem Anime aus den 1970er Jahren darf man natürlich nichts zu Großes erwarten, aber ich finde die Animationen und auch den Zeichenstil nicht ganz so schlimm. Man gewöhnt sich daran und ich finde vor allem den Zeichenstil besonders. Er hat seinen Charme, man erkennt, dass Ghibli seine Finger im Spiel haben. Die Figuren sind für mich nicht typisch anime-like gezeichnet, sie gehen mehr in die realistische Richtung, was sehr gut zum Setting passt. Die Gesichtszüge und Gestik sind sehr fein und niemals übertrieben, wodurch eben der Realismus des Anime untersrichen wird. Musikalisch muss ich sagen, erinnere ich mich immer wieder an bestimmte Stücke, die bewusst angepasst an die Situationen gewählt wurden. Sie haben auf jeden Fall großen Wiedererkennungswert. Das Opening ist nicht so mein Fall gewesen, hat aber schon gut gepasst.


Fazit


Mir hat der Anime wirklich großen Spaß bereitet und ich habe ihn auch in einem Rutsch geschaut. Für mich war er wirklich etwas ganz besonderes, schon allein weil er auf einem Roman basierte und im europäischen Raum spielte. Mir sind die Figuren einfach sehr ans Herz gewachsen, mit ihren Ecken und Kanten. Die Episoden waren immer unterhaltsam, manchmal sehr aufregend, teilweise auch recht tragisch. Der Zeichenstil und auch die Musik haben gepasst und verleihen dem Anime einen besonderen Charme. Ich fand es auch toll, dass der Anime fast ohne Klischees auskam und vor allem sehr realitätsnah wirkte, was für mich eine willkommene Abwechslung war.

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