Da
so langsam die Halloween-Zeit naht, werde ich mich mit den
übersinnlichen Wesen des japanischen Volksglaubens befassen.
Obaka
(jap. お化け),
auch Bakemono (化け物),
werden traditionelle Geister, Kobolde und Monster des japanischen
Volksglaubens bezeichnet. Der Begriff beinhaltet weiterhin Yokai
(Monster und Kobolde) und yuurei (Geister von Verstorbenen). Der
Begriff "Obake" ist vom japanischen Verb "bakeru"
(sich verwandeln) abgeleitet. Obake werden also als jenseitige Wesen
verstanden, die sich verwandeln können und von der natürlichen in
eine übernatürliche Welt kommen.
So
gibt es Obake in Tierform, die ihre Gestalt verändern können wie
z.B. Kitsune, Tanuki und Mujina, aber auch mythologische Wesen wie
auch unbelebte Objekte, denen Leben eingehaucht wurde (Tsukumogami)
Besonders
zur Edo-Zeit (1600-1867) wurden Geschichten aus der Geisterwelt sehr
beliebt, wie beispielsweise die „Geschichten unter dem Regenmond“
(Ugetsu monogatari) von Ueda Akinari. Aber auch viele
ukiyo-e-Holzschnitte von übersinnlichen Wesen beweisen, dass die
Japaner seit jeher vom Übernatürlichen angezogen wurde. Zu jener
Zeit wurden auch Gespensterklassifikationen erstellt, u.a. von
Toriyama Sekien, die auch heute noch Vestand haben und in Filmen wie
Manga behandelt werden. Hierbei lassen sich zwei grundsätzliche
Arten übernatürlicher Kreaturen ausmachen:
1
die Fabelwesen genannt yokai, die konstante Gemeinschaften außerhalb
der menschlichen Gesellschaft bilden. Zu ihnen gehören die tengu,
oni und andere geisterhafte Wesen, wie auch Tiere (Kitsune).
2
die Seelen der Verstorbenen (yuurei), die noch nicht komplett ins
Jenseits gewandert sind und somit noch keine neue Wiedergeburtsform
erhalten haben.
Totengeister
(yuurei)
In
der Edo-Zeit etablierte sich die auch heute noch bekannte Art der
Totengeister (yuurei, die eine starke Gemeinsamkeit zu europäischen
Geistern besitzt:
Sie
werden in einem weißen Totengewand (shini shozoku, sowie mit einer
dreieckigen Stirnkappe – hitaikakushi) und langen, offenen Haaren
gezeigt. Ihre Arm sind fest an der Brust, während die Hände sehr
schlaff herunter fallen. Die Assoziationen mit diesem Aussehen haben
eine lange Geschichte.
Im
Shinto galt Weiß als Farbe ritueller Reinheit und war
dementsprechend für Priester und Tote reserviert. Der Kimono kann
ein katabira (ein einfacher, weißer, schnittloser Kimono sein) oder
ein kyokatabira (ein weißer katabira mit buddhistischen Sutras).
Das
schwarze Haar wird von einigen als ein Markenzeichen des Kabuki
verstanden, bei dem Perücken von allen Schauspielern getragen
wurden. Das ist jedoch ein Missverständnis: japanische Frauen haben
ihre Haare generell lang wachsen lassen und dann zusammen gesteckt
und nur zu Beerdigungen offen getragen.
Die
Hände und Füße werden in Darstellungen meist nicht gezeigt,
wodurch sie einen schwebenden Eindruck hinterlassen.
Bereits
in der Heian-Zeit glaubte man, dass jeder Mensch nach seinem Tod zu
einem Geist werden kann, wenn er keine ordentliche Bestattung erfährt
oder ihm der Weg ins Jenseits verwehrt wird, weil sich niemand um
seinen Leichnam kümmert. Wenn bei diesem Weg oder diesem Ritus etwas
schief geht, kann der Geist in Träumen der Hinterbliebenen diese
heimsuchen. Solche Totengeister werden erst dann wirklich gefährlich,
wenn diese zu Rachegeistern (onryo) werden. Das geschieht dann, wenn
ihnen in ihrem diesseitigen Leben Unrecht geschehen ist oder sie
leidvoll sterben mussten.
Die
damaligen religiösen Institutionen haben diese Vorstellungen gerade
zu gefördert und nicht etwa als eine Art Aberglauben abgetan.
Bereits im frühen Buddhismus lassen sich Zeremonien nachweisen, die
nach brutalen Schlachten durchgeführt wurden, um sich vor Racheakten
der Geister der Gefallenen zu beschützen. Auch im höfischen Shinto
gibt es seit dem Altertum eine Zeremonie, die die Geister besänftigen
sollen (chinkonsai), aber nicht direkt an Totengeister orientiert
ist. Geschahen doch unglückliche Ereignisse trotz dieser Zeremonien,
so lag es meist an Rachegeistern von einflussreichen Personen, die
auch als „erhabene Geister“ (goryo) bezeichnet wurden. Diese sind
von den gewöhnlichen Rachegeistern insofern zu differenzieren, da
man sie beruhigen kann, indem man sie auf die Stufe einer Gottheit
(kami) bringt und sie mit einem eigenen Schrein ehrt.
Anders
als die Kami-Gottheiten werden Geister nicht als höhere Autoritäten
aufgefasst, sondern befinden sich sozusagen mit der Menschheit auf
einer Stufe. Sie verfügen zwar über Fähigkeiten, die Menschen
nicht besitzen, sind diesen aber nicht dominant, sondern in einem
konträren Verhältnis: sie verlangen nach menschlichen Gütern und
hegen Neid, Hass und Groll gegenüber Menschen, verzehren sich aber
nach menschlicher Schönheit und sind sogar bereit, bestimmten
Menschen zu Diensten zu stehen.
Die
Grenzen zur Götterwelt sind jedoch nicht eindeutig. Sehr mächtige
Fabelwesen und Geister können ebenfalls eine gottähnliche Verehrung
genießen und sogar zu Göttern werden, andere Wesen mit magischen
Kräften wie Kitsune, können auch als Botschafter zwischen Göttern
und Menschen dienen.
yuurei
unterscheiden sich von den traditionellen bakemono aufgrund ihrer
temporalen Eigenschaft. Sie sind die einzigen Kreaturen der
japanischen Mythologie, die eine bestimmte „Heimsuchungszeit“
haben (eta von 2 Uhr bis 2.30 Uhr morgens, die Hexenstunde in Japan,
wenn die Grenzen zwischen der Welt der Toten und der Lebenden am
schwächsten sind). Im Vergleich dazu schlagen obake meist zu jeder
Zeit zu. Ähnlichkeit zeigt sich, indem yuurei ebenfalls an
spezifische Orte gebunden sind, während bakemono an jedem Ort spuken
können.
Yanagita
Kunio unterscheidet yuurei von Obake, da yuurei einen bestimmten
Grund für ihr Heimsuchen haben, wie Rache oder unerfüllte Aufgaben.
Es
gibt in Japan einige sehr bekannte Orte, die angeblich von Yuurei
heimgesucht werden, wie z.B. das Himeji Schloss, das vom Geist Okiku
bewohnt wird und Aokigahara, der Wald am Fuße des Fuji, der auch ein
bekannter Ort für Selbstmorde ist.
Totengeister
in Literatur und Kunst
Totengeister
haben auch Eingang in die buddhistische Erzählliteratur der Heian
Zeit gefunden. Im Mittelalter wurden sie sehr häufig im No-Theater
verarbeitet. Zwei von fünf Hauptklassen des No sind rastlose
Geister, nämlich die Krieger- und die Wahnsinnsstücke. Erstere
thematisieren tragische Helden aus dn klassischen Kriegereben wie
Heike monogatari, die als Geister wieder auf die Bühne zurückkehren.
Letztere beschäftigen sich besonders mit Frauen, die aufgrund
schwerer Schicksalsschläge oder aufgrund enttäuschter Liebe keinen
Frieden finden können.
Dass
der Glaube an diese Geister auch heute noch anhält, sehen wir in dem
Abhalten des japanischen Bon-Festes, das jährlich im August
stattfindet und die Rückkehr der Toten behandelt. Dabei sind aber
nicht Rachegeister, sondern Ahnenseelen der Schwerpunkt, die auch
eher wohlwollend aus der Geisterwelt in die Menschenwelt kommen, um
zu schauen, dass alles auch gut verläuft. Vor diesen Geistern muss
man also keine Angst haben. Dennoch ist anzumerken, dass das Fest
früher ein Ritus war, durch den verstorbene Ahnen, die als
Hungergeister Wiedergeburt fanden, gerettet wurden. Daran ist also
erkennbar, dass positive wie auch gefürchtete Vorstellungen von
Totengeistern Hand in Hand gehen.
Darüber
hinaus erkennt man auch den Glauben an real existierende Totenseelen
in der Riten der Geisterbeschwörung. In manchen ländlichen Arealen
Japans, vor allem in Nordjapan, praktizieren nach wie vor religiöse
Experten einen Ritus, bei dem sie mit den Seelen der Toten
kommunizieren. Es sind sogenannte itako, meist blinde Frauen, die
davon auch ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie wandern von Haus zu
Haus und vollführen häusliche Rituale, in denen sie mit den
Verstorbenen reden. Mit deren Hilfe kann man Fragen an die Geister
stellen und Antworten erhalten. Diese Riten werden auch als kuchiyose
bezeichnet.
Bekannte
yuurei und Kategorien der yuurei
Onryo
Diese
sind die typischen Rachegeister, die aus der Unterwelt kommen, da sie
in ihrem früheren Leben Unrecht begangen haben.
Goryo
Goryo
sind die rachsüchtigen Geister der Adligen.
Funayuurei
Diese
Geister stammen von Menschen, die auf See ihr Leben gelassen haben.
Sie werden teilweise als fischähnliche Humanoiden gezeigt, die eine
ähnliche Gestalt wie Meerjungfrauen besitzen.
Zashiki-warashi
Geister von Kindern, die eher sehr frech sind als gefährlich.
Ato-oi-kozou
Ato-oi-kozou
sind Berggeister, die ursprünglich aus Kanagawa stammen. Diese sind
Geister von verstorbenen Kindern. Es sind aber nicht unbedingt solche
Kinder gemeint, die auch in den Bergen gestorben sind. In früheren
Zeiten glaubte man, dass Berge die Orte sind, in denen die Seelen
ihren Weg in die andere Welt finden würden, daher können diese
Geister von Kindern aus aller Welt stammen. Sie sehen aus wie junge
Kinder im Alter von 4 bis 10 Jahren und hinterlassen keine Fußspuren.
Meist laufen sie durch die Berge während der Mittagszeit. Sie
folgen Wanderern, reden mit ihnen, stellen Fragen und erhalten ein
kostenloses Essen. Sie sind sehr harmlos, will man sie dennoch
loswerden, muss man ihnen nur Essen geben wie Süßkaroffel oder
Reisbälle. Sie werden das Essen nehmen und verschwinden.
Hito-dama
Dieser
yuurei ist ein Feuergeist und sieht aus wie ein schwebender
Feuerball.
Das
Phänomen ist allbekannt und resultiert aus bestimmten
Phosphorhaltigen Gasen. Es wird erzählt, dass hitodama ein Geist
einer toten Person ist. Für gewöhnlich finden man diese Art von
yuurei auf Friedhöfen.
Ikiryou
Dieser
wird nicht als klassischer Geist nach westlichem Verständnis
aufgefasst, gilt aber als einer im Japanischen. Diese Geister sind
die Seelen von lebenden Menschen, was sie deutlich von anderen
Geistern abhebt. Sie haben genau das gleiche Aussehen wie die lebende
Person, können jedoch auch unsichtbar werden. Eine Person, dessen
Herzen mit negativen Emotionen gefüllt ist (Neid, Hass, Ärger),
wird zum Manifestieren dieses Geistes beitragen. Es ist wichtig zu
wissen, dass diese Person sich dessen meist nicht bewusst ist. Die
Doppelgänger verfolgen die Person, die das Ziel der negativen
Gefühle ist und machen sie krank, töten sie sogar in manchen
Fällen. In der japanischen Erzähliteratur sind es meist Frauen, die
eifersüchtig auf die Geliebten ihrer Männer sind.
Shiryou
Dieser
Geist zeigt anders als die anderen Zeichen des Todes. Sie sehen sehr
grotesk aus, wohingegen die meisten anderen Geister nach japanischer
Sichtweise Schönheit besitzen. Diese Geister stammen von Menschen,
die eines gewalttätigen qualvollen Todes gestorben sind. Aus dem
Grunde sind sie auch selbst brachial und äußerst unsozial. Sie
suchen die Orte heim, an denen sie ihren Tod gefunden haben.
Ubu-me
Dieser
Geist sieht aus wie eine Frau, die ein Baby in ihren Armen hält,
einen roten Rock trägt, der von der Geburt Blut durchtränkt ist.
Wenn eine Frau im Kindbett gestorben ist, verwandelt sie sich in eine
Ubu-me. Diese erscheint neben Flüssen und Brücken an regnerischen
Nächten und fragt die Leute, denen sie begegnet, ob sie ihr
Neugeborenes halten können. Geht jemand darauf ein, wird das Baby
schwerer und schwerer. Selbst der stärkste Mensch kann dem
irgendwann nicht mehr standhalten und lässt das Kind fallen.
Daraufhin gerät der Geist in Rage und verflucht das opfer. Wenn
jemand doch stark genug sein sollte das Kind zu halten, dem wird der
Geist Dankbarkeit zeigen und er wird endlich Frieden finden.
Yuki-Onna
Sie
ist eine der bekanntesten japanischen Geister und ich habe von ihr
auch bereits im Zusammenhang mit Geistergeschichten geschrieben. Sie
ist sehr schön und jung, hat eine blasse Haut und trägt einen
weißen Kimono. Sie wandert durch schneebedeckte Landschaften Japans.
Normalerweise lässt sie Menschen zu Eis gefrieren, doch die
Geschichte, die sie bekannt machte, erzählt davon, wie sie einem
jungen hübschen Mann begegnete, der ind er Lage war ihr Herz zum
Schmelzen zu bringen.
Beerdigungsriten
Nach
alter Tradition legen die Verwandten sechs Münzen neben den
Leichnams nieder, bevor die Beerdigung ihren Lauf nimmt. Gemäß dem
japanischen Glauben muss man in der Unterwelt zunächst an drei
Grenzübergängen jeweils zwei Münzen zu Weiterreise abgeben. Der
Fluss dieser Grenzübergänge wird „sanzu no kawa“ bezeichnet und
ist vergleichbar mit dem Styx der griechischen Mythologie.
Der
erste Grenzübergang ist eine Brücke. Wer Gutes vollbracht hat, kann
die Brücke voller Edelsteine überqueren. Diejenigen, die Unrecht in
ihrem Leben getan haben, werden jedoch gezwungen, durch einen Fluss
voller Schlangen zu gehen.
Der
zweite Abschnitt besteht aus einer Furt. Die guten Menschen können
mit einem Boot zum dritten Übergang gebracht werden. Schlechte
Menschen sind wieder gezwungen durch einen Fluss voller Schlangen zu
schwimmen.
Nähert
man sich dem Ufer, wird man von einem weiblichen Gott der Unterwelt
empfangen, die „datsueba“ genannt wird und diese entkleidet
einen. Ihr Mann, ebenfalls ein männlicher Gott der Unterwelt keneoo,
bringt die Kleidung an einen Baum an. Biegen sich die Zweige und
hängen sogar auf dem Boden, bedeutet dies, dass der Verstorbene
viele Sünden gesammelt hat und daher bestraft werden muss. Die
Strafe besteht darin, die Glieder auseinanderzureißen und sie wieder
anzubringen.
Wie
ihr sicherlich aus einigen Anime und Manga wisst, findet man bei
jeder japanischen Beerdigung ein Porträt des Verstorbenen in einem
Rahmen und eine ihai also Ahnentafel. Der Name des Verstorbenen wird
auf diese Ahnentafel geschrieben. Man glaubte daran, dass die Seele
des Verstorbenen sich auf der Ahnentafel befindet. Daher nehmen die
Verbliebenen, die Seele mit der Ahnentafel mit sich und stellen sie
auch in einem besonderen Raum im Haus auf. Wird der Leichenwagen
dann getragen, drücke alle Gäste ihre Handfläche gegen ihren
Daumen. Man glaubte, dass die oyayubi oder Daumen ihre Eltern
darstellen. Oya bedeutet auch Elternteil, während yubi den Finger
bezeichnet. Um die Eltern vor dem frühzeitigen Tod zu bewahren, wird
also der Daumen gegen die Handfläche gedrückt, sobald ein
Leichenwagen vorbeifährt.
Ist
die Einäscherung abgeschlossen, holen die Verwandten die Knochen aus
der Asche und legen sie mit Essstäbchen in eine Urne, wobei der
Knochen von einem Verwandten zum nächsten gereicht wird, bis alle
Knochen in die Urne gelangt sind. Dies mag etwas seltsam erscheinen,
ist aber eine Form der Respekterweisung, bei dem die Verwandten auch
noch Zeit mit dem Verstorbenen verbringen. Aus diesem Brauch lassen
sich einige Tabus erklären: Das Essen wird nicht von Stäbchen zu
Stäbchen gereicht. Stattdessen legt man das Essen auf die Schüssel
des Partners. Darüber hinaus sollte man die Stäbchen auch nicht
einfach in die Schüssel Reis stecken, da dies an die Totenehrung
erinnert.
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