Sonntag, 28. Februar 2016

Japanische Geschlechterrollen und Klischees in Manga und Anime Teil I




 Es ist mal wieder Zeit Anime und Manga psychologisch und kulturell zu analysieren! An der heutigen Tagesordnung stehen die Geschlechterrollen bzw. Geschlechterklischees, die sich in unseren Lieblingsmedien finden lassen. Ich möchte mit euch heraus finden, welche bestehen und diskutieren, inwiefern sich die Erkenntnisse eventuell auch auf die japanische Kultur beziehen lassen.

Damit es nicht zu irgendwelchen Problemen hinsichtlich des Verständnisses kommt, sollte ich erklären, was ich mit Geschlechterrollen und Klischees genau meine:
In jeder Gesellschaft und Kultur werden den Geschlechtern bestimmte Verhaltensweisen und Eigenschaften zugeschrieben, die für Männlein oder Weiblein typisch sind und daher erwartet werden. Es sind also kulturelle Zuschreibungen, die nichts mit dem biologischen Geschlecht gemein haben.

Ein Geschlechterbild, was besonders in Japan noch recht aktuell, aber doch im Wandel ist, wäre die Frau, die den Haushalt macht, Kinder bekommt, sie erzieht und ihr Leben eigentlich nur für die Familie opfert. Dagegen ist der Mann der Alleinverdiener, der seine Familie ernähren muss und folglich stets am arbeiten ist. Was schlussendlich zur Entfremdung von seiner Familie führt. Der Mann ist derjenige, der sich vieles erlauben darf und bestimmt gewissermaßen über seine Frau. Diese muss alles dafür tun, damit es ihm gut geht bspw. wenn er nach Hause kommt schon das Abendessen gekocht und das Bad eingelassen haben. Es mag zwar archaisch klingen, aber ich vermute mal, dass die Frau tatsächlich in Japan dem Mann untergeordnet ist. Gleichberechtigung zu erlangen wird noch ein harter Weg werden. Wie man also an den Vorstellungen ablesen kann, muss die Frau vor allem sich selbst für andere aufopfern, sollte den Mann respektieren, fürsorglich sein und auch gehorchen. Der Mann nach japanischen Vorstellungen dagegen ist natürlich auch an Pflichten gebunden, hat jedoch weitaus mehr Freiraum und auch Autorität.

Warum ich euch dieses Geschlechterbild aufzeige? Weil ich im Laufe meines Textes auch an einigen Stellen darauf eingehen werde und euch mal verdeutlichen wollte, was man sich unter Geschlechterrollen vorstellen sollte. Ich möchte mich dabei zwar ausschließlich eben auf Verhaltensweisen konzentrieren, aber auch auf äußere Geschlechterideale eingehen.


Um gleich auf das Klischee der treuen Hausfrau einzugehen, erwähne ich an erster Stelle das Ideal einer Frau „Nadeshiko“. Heutzutage finden wir diesen Typ von Mädchen oder Frau doch eher seltener und wenn dann eher hintergründig in Anime und Manga. Bei diesem Ideal handelt es sich um Mädchen oder junge Frauen, die sehr gut kochen und den Haushalt führen können. Sie sind recht fleißig, verantwortungsbewusst, reserviert und streben immer nach Harmonie und Frieden. Sie sind sehr hilfsbereit, für die Sorgen anderer da und stellen sich oftmals als sehr gute Ehefrauen heraus. Sie haben auch etwas sehr mütterliches, wodurch andere recht schnell Vertrauen fassen. Diese weiblichen Exemplare sind warmherzig und fürsorglich und eignen sich daher auch sehr zum Herumkommandieren. Zugespitzt eben perfekte japanische Ehefrauen! Sie haben immer ein Lächeln auf den Lippen und zeigen kaum negative Gefühle, weil sie andere damit nicht belasten wollen. Darum wirken sie vielleicht tatsächlich wie Mary Sues, weil sie fast perfekt erscheinen.

Das wäre ein Ideal von Frauen, wonach sich wahrscheinlich viele japanische Männer sehnen. Ich will mal behaupten, dass es damit zusammen hängt, dass sich in der Kindheit und Jugend eine sehr starke Bindung zwischen Mutter und Sohn entwickelt hat und folglich der Junge/Mann auch bei der Suche nach einer potenziellen Frau sich eine aussucht, die der Mutter am ähnlichsten ist. Ich weiß, dass es eine gewagte These ist und ich habe irgendwo auch schon mal davon gehört, dass sich einige Menschen solche Partner suchen, die etwas mit den Eltern gemeinsam haben aufgrund gewisser Komplexe oder anderem. Eine andere Vermutung wäre, dass sich solche Frauen eben am besten für eine Ehe eignen. Sie kümmern sich gut um den Haushalt, um die Kinder und entlasten dadurch den Mann enorm. Außerdem machen sie keine Probleme, sind also sehr pflegeleicht.


Ein anderes Ideal, woran sich auch sehr viele Mädchen und junge Frauen in Japan orientieren wäre das der Niedlichkeit kurz „kawaii“ oder „moe“. Streng genommen darf man die zwei Begriffe nicht gleich setzen, weil es schon Unterschiede gibt, aber ich fasse sie dennoch an dieser Stelle zusammen. Was macht eigentlich ein niedliches Mädchen aus? Es wirkt extrem kindlich, naiv, weckt Beschützerinstinkte! Japaner mögen ja eindeutig Niedliches, was sich dann auf Zwischenmenschliches überträgt, aber viele japanische Mädchen haben diese Angewohnheit, dass sie extrem niedlich und kindlich tun, sobald sie mit einem Vertreter des anderen Geschlechts zu tun haben. Nicht umsonst finden wir in eigentlich fast allen Anime und Manga süße Mädchen, die nur darauf reduziert werden, aber ansonsten kaum nennenswerte Eigenschaften aufweisen. Ein Beispiel wäre wohl Yui aus „K-On!“, die ich sehr gern habe, aber bei der ich gestehen muss, dass sie außer Niedlichkeit nicht soo viel vorweisen kann.

Außerdem sieht man in jeder neuen Anime Season mindestens einen Anime in dem es nur darum geht putzigen Mädchen bei alltäglichen Dingen zuzuschauen. Scheinbar haben einige japanische Otaku ziemlich Gefallen daran, sonst würden solche Anime nicht ständig produziert und konsumiert werden. Außerdem ist eng damit auch der Charaktertyp „deredere“ verbunden, der einfach nur sehr liebenswürdig, unschuldig und hilfsbereit ist. Daran erkennt man womöglich die weibliche Geschlechterrolle, bei der das Mädchen sich besonders schön für den Jungen macht, weil es ihm gefallen möchte. Darüber hinaus weckt die kindliche Seite eben auch Beschützerbedürfnisse auf Seiten des Mannes, wodurch dieser sich als besonders stark empfindet, wenn er das Mädchen vor etwas bewahren muss.

Ähnlich wie bei der Nadeshiko, sind eben solche Mädchen/Frauen beliebt, mit denen man leicht umgehen kann, die einem die Wünsche von den Augen ablesen und alles für den Mann tun. Sie sind durch und durch perfekt. Mit den „Nadeshiko“-Ideal hat das „Kawaii“-Ideal wohl gemeinsam, dass beide weibliche Geschlechterrollen eine Abhängigkeit vom Mann suggerieren. Seltsam ist schon, dass sich Widersprüchlichkeiten finden lassen, denn bei ersteren stellt man sich erwachsene, mütterliche Frauen und bei letzteren kindliche Mädchen vor. Es gibt kein entweder-oder, sondern ein sowohl-als-auch! Im weiteren Verlauf werden wir nämlich sehen, dass es sehr verschiedene und sich ausschließende Geschlechtervorstellungen gibt und man nicht sagen kann, dass nur eine davon wirklich dominiert.



Doch bevor ich auf die Stereotypen eingehen möchte kurz etwas zu den äußerlichen Schönheitsidealen. Besonders in Shoujos und auch in Shonen finden wir die sogenannten "Bishoujo" oder "Bishounen". Beide haben gemeinsam, dass sie auf das schöne Aussehen abzielen. Ein Bishoujo bezeichnet ein schönes Mädchen und Bishounen einen schönen Jungen. Diese sind nicht nur besonders hübsch und gutaussehend, sondern haben meist noch andere Vorzüge. So können sie talentiert in bestimmten Bereichen, klug und auch sehr nett sein. Kein Wunder, dass sie dadurch auch sehr beliebt bei anderen sind. Es wird offensichtlich, dass Schönheit besonders in Animanga groß geschrieben wird und es lässt auch gewisse Rückschlüsse auf japanische Schönheitsvorstellungen zu. Tatsächlich gilt Schönheit in Japan als das Nonplusultra, weswegen sich viele Frauen und Mädchen enorm schick machen und auf keinen Fall ungeschminkt gesehen werden wollen! Das Aussehen ist schließlich auch wichtig für den ersten Eindruck und ob man überhaupt jemanden als Liebespartner erwählt oder nicht. Ganz deutlich wird das übrigens in Shoujos, auf die ich später im zweiten Teil der Artikelreihe eingehen will. Man könnte fast denken, dass Schönheit alles andere in den Schatten stellt und tatsächlich findet man in sehr wenigen Werken mal unschöne Figuren. Der ganze Zeichenstil in Manga und Anime muss ästhetisch ansprechen, denn beide Medien sind ja vor allem visuell angelegt.


Kommen wir also nun zu den anderen Charaktertypen, zu denen ich bereits ausführlich etwas geschrieben habe:


Ich möchte mir hier nicht auf alle beschränken, sondern auf einzelne und diese mal untersuchen.


Am beliebtesten fürchte ich gilt ja das Klischee der "Tsundere". Und das widerspricht meiner Ansicht nach den zwei wichtigsten Idealen (Nadeshiko und Moe/Kawaii), wobei Tsundere gerade auf ihre Art sehr niedlich sein können. Tsundere sind solche, die meist gegenüber den Protagonisten sehr böse, frech und brutal sein können, meist, weil sie eigentlich Gefühle für diesen hegen, aber nicht wissen, wie sie damit umzugehen haben. Sie können in manchen Situationen aber auch sehr liebenswürdig sein, was aber eine Seltenheit ist. Dann zeigt sich nämlich ihre „dere“-Seite. Wie lässt sich dieser Typ im Hinblick auf Geschlechterrollen betrachten? Wichtig ist der Aspekt der Widersprüchlichkeit von zwei Seiten. Einerseits wiederum die „dere“-Seite, die wie zuvor erwähnt einfach das Mädchen liebenswürdig für den Jungen macht. Zum anderen aber die strenge, brutale und eigenwillige Seite, die leicht sadistische Facetten vorweist.

Könnte darin vielleicht das Bedürfnis vom japanischen männlichen Geschlecht liegen, nicht nur bewundert und geliebt, sondern auch bestraft zu werden? Es widerspricht eindeutig der traditionellen Vorstellung einer Frau dem Mann ordentlich die Meinung zu sagen und sogar körperliche Gewalt anzuwenden. Inwiefern das von den japanischen Männern gemocht wird kann ich schwer beurteilen. Aber vielleicht macht eben diese Widersprüchlichkeit in der Tsundere den besonderen Reiz aus. Man könnte einen feministischen Ansatz dahinter entdecken: die Frau wird selbstständig, unabhängig, braucht den Mann nicht und folglich setzt sie ihren eigenen Willen durch. Die Veränderung des Machtverhältnis zeigt sich durch eine dominante Frau und einen passiven, unterdrückten Mann, wie wir das ja immer wieder sehen können. Es ist untypisch, wenn der Protagonist der Tsundere dann Einhalt gebietet, er lässt es mit sich machen, weil er nicht gegen sie ankommt. Spinnt man das weiter, könnte man daraus schließen, dass ein gewisser Masochismus darin verborgen liegt...


Dann gibt es noch die Vorstellung von Mädchen, die für ihre Liebe sogar über Leichen gehen, so sogenannten „Yandere“. Auch in ihnen findet man den extremen Kontrast zwischen Liebenswürdigkeit und Mordlust wie Gewaltbereitschaft. Während es bei der Tsundere aber noch im Rahmen bleibt, könnte man den Yandere eine psychische Störung nachweisen. Figuren dieser Art sind extrem besitzergreifend, sehr sensibel in Sachen Eifersucht und können leicht die Kontrolle über ihre Gefühle und Handlungen verlieren. Im Blutrausch bringen sie alles um, was ihrem Schwarm zu nahe kommt. Jedenfalls hatte ich bereits in einem Artikel angesprochen, dass die Vorliebe diesen Stereotyp daher rühren könnte, dass Frauen alles für ihren Geliebten tun und dies extrem faszinierend wenn auch verstörend ist. Zum anderen wäre erneut der Gewaltaspekt zu nennen, der vielleicht auch anziehend ist? Bezüglich einer Geschlechterrolle würde ich sagen, dass man wieder einen Widerspruch erkennt, wenn man die Yandere mit der Nadeshiko vergleichen würde. Denn die Yandere hat zwar die Liebenswürdigkeit einer Nadeshiko, ist aber nicht so rein wie sie, sondern vielmehr ein „schmutziges“ Mädchen aufgrund ihrer Gewalttätigkeit und ihres verdrehten Charakters. Hinzu kommt, dass auch hier das Kräfteverhältnis verkehrt wird: die Yandere braucht niemanden, der sie beschützt, vielmehr glaubt sie, dass ihr Geliebter vor anderen beschützt werden muss, was sie zu drastischen Mitteln greifen lässt. Könnte dahinter die Sehnsucht von japanischen Männern stecken, die die Verantwortung mal fallen lassen und beschützt zu werden?


Ein anderer Stereotyp stellt die „Dandere“ dar. Mädchen dieser Art sind sehr verschlossen, reden kaum und zeigen auch wenig Emotionen. Sie sind deswegen so beliebt, weil sie von einer geheimnisvollen Aura umgeben sind und das finden Männer anziehend, weil sie dadurch Neues entdecken können. Außerdem wirken sie distanziert, was auch das Eroberungsbedürfnis weckt, ähnlich wie bei der Tsundere, die schwer zu kriegen ist. Auf die Geschlechterrolle japanischer Frauen übertragen sieht man die Parallele, dass Frauen sich zurück halten müssen. Immer wird von ihnen verlangt, dass sie ihre Bedürfnisse unterdrücken, dass sie sich anpassen müssen. Bei Männern ist das nicht so drastisch, denn sie können sich eher schlechte Manieren leisten als Frauen. Doch sie müssen immer darauf achten, nichts Falsches zu sagen, Höflichkeit und Reserviertheit an den Tag legen. Außerdem glaube ich auch, dass Frauen bei vielen Sachen gar nicht mitreden dürfen, weil es Männerangelegenheiten sind und Frauen davon nichts verstehen dürfen. Das hängt dann also wieder mit dem unterschiedlichen Machtverhältnis zusammen. Ich denke aber auch, dass das Prinzip des Verstecken der Gefühle und wahren Gedanken generell sowohl bei Frauen wie Männern in Japan veranlagt ist. Für gewöhnlich spricht man etwas nicht aus, wenn es Normen und Erwartungen verletzt und setzt eben eine Maske auf, damit man sein Gesicht nicht verliert. Die Dandere wäre deswegen eine Extremform dieser Verhaltensart.


Die „Uchikidere“ bezeichnet eine Figur, die sehr schüchtern ist und sich einfach nicht traut, ihrem Angebeteten die Liebe zu gestehen, aus Angst, dass sie abgelehnt wird. Auch hier sehe ich wieder die generelle japanische Norm, bei der das wahre Ich nicht gezeigt wird, weil man Angst davor hat nicht akzeptiert zu werden und auch die daraus folgenden Probleme zu seinen Gefühlen zu stehen. Darüber hinaus sind womöglich schüchterne Mädchen ähnlich wie Dandere für das männliche Geschlecht reizvoll, weil sie hilflos und schwach wirken und beschützt werden müssen. Außerdem sind sie kaum willensstark und würden sich dem eigenen Willen sehr fügen.


Das Gleiche kann man auch von der „Undere“ sagen, die sich dadurch auszeichnet, immer mit allem einverstanden zu sein, weil diese Figur es hasst, wenn es Konflikte und Streitigkeiten gibt. Genauso wie die Uchikidere fügt sie sich wunderbar in die japanische Gesellschaft, weil sie nicht aus der Masse hervor sticht. Wie ihr wahrscheinlich wisst, ist in Japan Kooperation und die Gesellschaft wichtiger als das Individuum, weswegen man versucht immer Frieden und Harmonie zu wahren. Dazu gehört auch seine eigenen Ansichten für sich zu behalten und gute Miene zum falschen Spiel zu wahren. Besonders von Frauen wird das erwartet, während Wutausbrüche von Männern eher toleriert werden.


Und damit kommen wir zum Ende des ersten Teils meiner Artikelreihe zu japanischen Geschlechterklischees in Anime und Manga! Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid neugierig auf den zweiten Teil, der ebenso interessante Einblicke liefern wird.
 Kommentare, Kritik und Anregungen sind erwünscht! :)


1 Kommentar:

  1. Also ich finde es keineswegs unschön wenn sich eine Frau sanft und zurückhaltend verhält. Die Japaner haben laut dem was man hier alles ließt den Europäern deutlich was voraus. Gerade weil die Frauen in diesem Land sehr viel stärker darauf achten gut auszusehen und freundlich rüber zukommen. Mir ist klar das es nicht der gängigen Meinung entspricht aber was solls.

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