Es
ist mal wieder Zeit Anime und Manga psychologisch und kulturell zu
analysieren! An der heutigen Tagesordnung stehen die
Geschlechterrollen bzw. Geschlechterklischees, die sich in unseren
Lieblingsmedien finden lassen. Ich möchte mit euch heraus finden,
welche bestehen und diskutieren, inwiefern sich die Erkenntnisse
eventuell auch auf die japanische Kultur beziehen lassen.
Damit es nicht zu irgendwelchen Problemen hinsichtlich des Verständnisses
kommt, sollte ich erklären, was ich mit Geschlechterrollen und
Klischees genau meine:
In
jeder Gesellschaft und Kultur werden den Geschlechtern bestimmte
Verhaltensweisen und Eigenschaften zugeschrieben, die für Männlein
oder Weiblein typisch sind und daher erwartet werden. Es sind also
kulturelle Zuschreibungen, die nichts mit dem biologischen Geschlecht
gemein haben.
Ein
Geschlechterbild, was besonders in Japan noch recht aktuell, aber
doch im Wandel ist, wäre die Frau, die den Haushalt macht, Kinder
bekommt, sie erzieht und ihr Leben eigentlich nur für die Familie
opfert. Dagegen ist der Mann der Alleinverdiener, der seine Familie
ernähren muss und folglich stets am arbeiten ist. Was schlussendlich
zur Entfremdung von seiner Familie führt. Der Mann ist derjenige,
der sich vieles erlauben darf und bestimmt gewissermaßen über seine
Frau. Diese muss alles dafür tun, damit es ihm gut geht bspw. wenn
er nach Hause kommt schon das Abendessen gekocht und das Bad
eingelassen haben. Es mag zwar archaisch klingen, aber ich vermute
mal, dass die Frau tatsächlich in Japan dem Mann untergeordnet ist.
Gleichberechtigung zu erlangen wird noch ein harter Weg werden. Wie
man also an den Vorstellungen ablesen kann, muss die Frau vor allem
sich selbst für andere aufopfern, sollte den Mann respektieren,
fürsorglich sein und auch gehorchen. Der Mann nach japanischen
Vorstellungen dagegen ist natürlich auch an Pflichten gebunden, hat
jedoch weitaus mehr Freiraum und auch Autorität.
Warum
ich euch dieses Geschlechterbild aufzeige? Weil ich im Laufe meines
Textes auch an einigen Stellen darauf eingehen werde und euch mal
verdeutlichen wollte, was man sich unter Geschlechterrollen
vorstellen sollte. Ich möchte mich dabei zwar ausschließlich eben
auf Verhaltensweisen konzentrieren, aber auch auf äußere
Geschlechterideale eingehen.
Um
gleich auf das Klischee der treuen Hausfrau einzugehen, erwähne ich
an erster Stelle das Ideal einer Frau „Nadeshiko“. Heutzutage
finden wir diesen Typ von Mädchen oder Frau doch eher seltener und
wenn dann eher hintergründig in Anime und Manga. Bei diesem Ideal
handelt es sich um Mädchen oder junge Frauen, die sehr gut kochen
und den Haushalt führen können. Sie sind recht fleißig,
verantwortungsbewusst, reserviert und streben immer nach Harmonie und
Frieden. Sie sind sehr hilfsbereit, für die Sorgen anderer da und
stellen sich oftmals als sehr gute Ehefrauen heraus. Sie haben auch
etwas sehr mütterliches, wodurch andere recht schnell Vertrauen
fassen. Diese weiblichen Exemplare sind warmherzig und fürsorglich
und eignen sich daher auch sehr zum Herumkommandieren. Zugespitzt
eben perfekte japanische Ehefrauen! Sie haben immer ein Lächeln auf
den Lippen und zeigen kaum negative Gefühle, weil sie andere damit
nicht belasten wollen. Darum wirken sie vielleicht tatsächlich wie
Mary Sues, weil sie fast perfekt erscheinen.
Das
wäre ein Ideal von Frauen, wonach sich wahrscheinlich viele
japanische Männer sehnen. Ich will mal behaupten, dass es damit
zusammen hängt, dass sich in der Kindheit und Jugend eine sehr
starke Bindung zwischen Mutter und Sohn entwickelt hat und folglich
der Junge/Mann auch bei der Suche nach einer potenziellen Frau sich
eine aussucht, die der Mutter am ähnlichsten ist. Ich weiß, dass es
eine gewagte These ist und ich habe irgendwo auch schon mal davon
gehört, dass sich einige Menschen solche Partner suchen, die etwas
mit den Eltern gemeinsam haben aufgrund gewisser Komplexe oder
anderem. Eine andere Vermutung wäre, dass sich solche Frauen eben am
besten für eine Ehe eignen. Sie kümmern sich gut um den Haushalt,
um die Kinder und entlasten dadurch den Mann enorm. Außerdem machen
sie keine Probleme, sind also sehr pflegeleicht.
Ein
anderes Ideal, woran sich auch sehr viele Mädchen und junge Frauen
in Japan orientieren wäre das der Niedlichkeit kurz „kawaii“
oder „moe“. Streng genommen darf man die zwei Begriffe nicht
gleich setzen, weil es schon Unterschiede gibt, aber ich fasse sie
dennoch an dieser Stelle zusammen. Was macht eigentlich ein
niedliches Mädchen aus? Es wirkt extrem kindlich, naiv, weckt
Beschützerinstinkte! Japaner mögen ja eindeutig Niedliches, was
sich dann auf Zwischenmenschliches überträgt, aber viele japanische
Mädchen haben diese Angewohnheit, dass sie extrem niedlich und
kindlich tun, sobald sie mit einem Vertreter des anderen Geschlechts
zu tun haben. Nicht umsonst finden wir in eigentlich fast allen Anime
und Manga süße Mädchen, die nur darauf reduziert werden, aber
ansonsten kaum nennenswerte Eigenschaften aufweisen. Ein Beispiel
wäre wohl Yui aus „K-On!“, die ich sehr gern habe, aber bei der
ich gestehen muss, dass sie außer Niedlichkeit nicht soo viel
vorweisen kann.
Außerdem
sieht man in jeder neuen Anime Season mindestens einen Anime in dem
es nur darum geht putzigen Mädchen bei alltäglichen Dingen
zuzuschauen. Scheinbar haben einige japanische Otaku ziemlich
Gefallen daran, sonst würden solche Anime nicht ständig produziert
und konsumiert werden. Außerdem ist eng damit auch der Charaktertyp
„deredere“ verbunden, der einfach nur sehr liebenswürdig,
unschuldig und hilfsbereit ist. Daran erkennt man womöglich die
weibliche Geschlechterrolle, bei der das Mädchen sich besonders
schön für den Jungen macht, weil es ihm gefallen möchte. Darüber
hinaus weckt die kindliche Seite eben auch Beschützerbedürfnisse
auf Seiten des Mannes, wodurch dieser sich als besonders stark
empfindet, wenn er das Mädchen vor etwas bewahren muss.
Ähnlich
wie bei der Nadeshiko, sind eben solche Mädchen/Frauen beliebt, mit
denen man leicht umgehen kann, die einem die Wünsche von den Augen
ablesen und alles für den Mann tun. Sie sind durch und durch
perfekt. Mit den „Nadeshiko“-Ideal hat das „Kawaii“-Ideal
wohl gemeinsam, dass beide weibliche Geschlechterrollen eine
Abhängigkeit vom Mann suggerieren. Seltsam ist schon, dass sich
Widersprüchlichkeiten finden lassen, denn bei ersteren stellt man
sich erwachsene, mütterliche Frauen und bei letzteren kindliche
Mädchen vor. Es gibt kein entweder-oder, sondern ein
sowohl-als-auch! Im weiteren Verlauf werden wir nämlich sehen, dass
es sehr verschiedene und sich ausschließende
Geschlechtervorstellungen gibt und man nicht sagen kann, dass nur
eine davon wirklich dominiert.
Doch
bevor ich auf die Stereotypen eingehen möchte kurz etwas zu den
äußerlichen Schönheitsidealen. Besonders in Shoujos und auch in
Shonen finden wir die sogenannten "Bishoujo" oder "Bishounen". Beide
haben gemeinsam, dass sie auf das schöne Aussehen abzielen. Ein
Bishoujo bezeichnet
ein schönes Mädchen und Bishounen einen schönen Jungen. Diese sind
nicht nur besonders hübsch und gutaussehend, sondern haben meist
noch andere Vorzüge. So können sie talentiert in bestimmten
Bereichen, klug und auch sehr nett sein. Kein Wunder, dass sie
dadurch auch sehr beliebt bei anderen sind. Es wird offensichtlich,
dass Schönheit besonders in Animanga groß geschrieben wird und es
lässt auch gewisse Rückschlüsse auf japanische
Schönheitsvorstellungen zu. Tatsächlich gilt Schönheit in Japan
als das Nonplusultra, weswegen sich viele Frauen und Mädchen enorm
schick machen und auf keinen Fall ungeschminkt gesehen werden wollen!
Das Aussehen ist schließlich auch wichtig für den ersten Eindruck
und ob man überhaupt jemanden als Liebespartner erwählt oder nicht.
Ganz deutlich wird das übrigens in Shoujos, auf die ich später im
zweiten Teil der Artikelreihe eingehen will. Man könnte fast denken,
dass Schönheit alles andere in den Schatten stellt und tatsächlich
findet man in sehr wenigen Werken mal unschöne Figuren. Der ganze
Zeichenstil in Manga und Anime muss ästhetisch ansprechen, denn
beide Medien sind ja vor allem visuell angelegt.
Kommen
wir also nun zu den anderen Charaktertypen, zu denen ich bereits
ausführlich etwas geschrieben habe:
Ich
möchte mir hier nicht auf alle beschränken, sondern auf einzelne
und diese mal untersuchen.
Am
beliebtesten fürchte ich gilt ja das Klischee der "Tsundere". Und das
widerspricht meiner Ansicht nach den zwei wichtigsten Idealen
(Nadeshiko und Moe/Kawaii), wobei Tsundere gerade auf ihre Art sehr
niedlich sein können. Tsundere sind solche, die meist gegenüber den
Protagonisten sehr böse, frech und brutal sein können, meist, weil
sie eigentlich Gefühle für diesen hegen, aber nicht wissen, wie sie
damit umzugehen haben. Sie können in manchen Situationen aber auch
sehr liebenswürdig sein, was aber eine Seltenheit ist. Dann zeigt
sich nämlich ihre „dere“-Seite. Wie lässt sich dieser Typ im
Hinblick auf Geschlechterrollen betrachten? Wichtig ist der Aspekt
der Widersprüchlichkeit von zwei Seiten. Einerseits wiederum die
„dere“-Seite, die wie zuvor erwähnt einfach das Mädchen
liebenswürdig für den Jungen macht. Zum anderen aber die strenge,
brutale und eigenwillige Seite, die leicht sadistische Facetten
vorweist.
Könnte
darin vielleicht das Bedürfnis vom japanischen männlichen
Geschlecht liegen, nicht nur bewundert und geliebt, sondern auch
bestraft zu werden? Es widerspricht eindeutig der traditionellen
Vorstellung einer Frau dem Mann ordentlich die Meinung zu sagen und
sogar körperliche Gewalt anzuwenden. Inwiefern das von den
japanischen Männern gemocht wird kann ich schwer beurteilen. Aber
vielleicht macht eben diese Widersprüchlichkeit in der Tsundere den
besonderen Reiz aus. Man könnte einen feministischen Ansatz dahinter
entdecken: die Frau wird selbstständig, unabhängig, braucht den
Mann nicht und folglich setzt sie ihren eigenen Willen durch. Die
Veränderung des Machtverhältnis zeigt sich durch eine dominante
Frau und einen passiven, unterdrückten Mann, wie wir das ja immer
wieder sehen können. Es ist untypisch, wenn der Protagonist der
Tsundere dann Einhalt gebietet, er lässt es mit sich machen, weil er
nicht gegen sie ankommt. Spinnt man das weiter, könnte man daraus
schließen, dass ein gewisser Masochismus darin verborgen liegt...
Dann
gibt es noch die Vorstellung von Mädchen, die für ihre Liebe sogar
über Leichen gehen, so sogenannten „Yandere“. Auch in ihnen
findet man den extremen Kontrast zwischen Liebenswürdigkeit und
Mordlust wie Gewaltbereitschaft. Während es bei der Tsundere aber
noch im Rahmen bleibt, könnte man den Yandere eine psychische
Störung nachweisen. Figuren dieser Art sind extrem besitzergreifend,
sehr sensibel in Sachen Eifersucht und können leicht die Kontrolle
über ihre Gefühle und Handlungen verlieren. Im Blutrausch bringen
sie alles um, was ihrem Schwarm zu nahe kommt. Jedenfalls hatte ich
bereits in einem Artikel angesprochen, dass die Vorliebe diesen
Stereotyp daher rühren könnte, dass Frauen alles für ihren
Geliebten tun und dies extrem faszinierend wenn auch verstörend ist.
Zum anderen wäre erneut der Gewaltaspekt zu nennen, der vielleicht
auch anziehend ist? Bezüglich einer Geschlechterrolle würde ich
sagen, dass man wieder einen Widerspruch erkennt, wenn man die
Yandere mit der Nadeshiko vergleichen würde. Denn die Yandere hat
zwar die Liebenswürdigkeit einer Nadeshiko, ist aber nicht so rein
wie sie, sondern vielmehr ein „schmutziges“ Mädchen aufgrund
ihrer Gewalttätigkeit und ihres verdrehten Charakters. Hinzu kommt,
dass auch hier das Kräfteverhältnis verkehrt wird: die Yandere
braucht niemanden, der sie beschützt, vielmehr glaubt sie, dass ihr
Geliebter vor anderen beschützt werden muss, was sie zu drastischen
Mitteln greifen lässt. Könnte dahinter die Sehnsucht von
japanischen Männern stecken, die die Verantwortung mal fallen lassen
und beschützt zu werden?
Ein
anderer Stereotyp stellt die „Dandere“ dar. Mädchen dieser Art
sind sehr verschlossen, reden kaum und zeigen auch wenig Emotionen.
Sie sind deswegen so beliebt, weil sie von einer geheimnisvollen Aura
umgeben sind und das finden Männer anziehend, weil sie dadurch Neues
entdecken können. Außerdem wirken sie distanziert, was auch das
Eroberungsbedürfnis weckt, ähnlich wie bei der Tsundere, die schwer
zu kriegen ist. Auf die Geschlechterrolle japanischer Frauen
übertragen sieht man die Parallele, dass Frauen sich zurück halten
müssen. Immer wird von ihnen verlangt, dass sie ihre Bedürfnisse
unterdrücken, dass sie sich anpassen müssen. Bei Männern ist das
nicht so drastisch, denn sie können sich eher schlechte Manieren
leisten als Frauen. Doch sie müssen immer darauf achten, nichts
Falsches zu sagen, Höflichkeit und Reserviertheit an den Tag legen.
Außerdem glaube ich auch, dass Frauen bei vielen Sachen gar nicht
mitreden dürfen, weil es Männerangelegenheiten sind und Frauen
davon nichts verstehen dürfen. Das hängt dann also wieder mit dem
unterschiedlichen Machtverhältnis zusammen. Ich denke aber auch,
dass das Prinzip des Verstecken der Gefühle und wahren Gedanken
generell sowohl bei Frauen wie Männern in Japan veranlagt ist. Für
gewöhnlich spricht man etwas nicht aus, wenn es Normen und
Erwartungen verletzt und setzt eben eine Maske auf, damit man sein
Gesicht nicht verliert. Die Dandere wäre deswegen eine Extremform
dieser Verhaltensart.
Die
„Uchikidere“ bezeichnet eine Figur, die sehr schüchtern ist und
sich einfach nicht traut, ihrem Angebeteten die Liebe zu gestehen,
aus Angst, dass sie abgelehnt wird. Auch hier sehe ich wieder die
generelle japanische Norm, bei der das wahre Ich nicht gezeigt wird,
weil man Angst davor hat nicht akzeptiert zu werden und auch die
daraus folgenden Probleme zu seinen Gefühlen zu stehen. Darüber
hinaus sind womöglich schüchterne Mädchen ähnlich wie Dandere für
das männliche Geschlecht reizvoll, weil sie hilflos und schwach
wirken und beschützt werden müssen. Außerdem sind sie kaum
willensstark und würden sich dem eigenen Willen sehr fügen.
Das
Gleiche kann man auch von der „Undere“ sagen, die sich dadurch
auszeichnet, immer mit allem einverstanden zu sein, weil diese Figur
es hasst, wenn es Konflikte und Streitigkeiten gibt. Genauso wie die
Uchikidere fügt sie sich wunderbar in die japanische Gesellschaft,
weil sie nicht aus der Masse hervor sticht. Wie ihr wahrscheinlich
wisst, ist in Japan Kooperation und die Gesellschaft wichtiger als
das Individuum, weswegen man versucht immer Frieden und Harmonie zu
wahren. Dazu gehört auch seine eigenen Ansichten für sich zu
behalten und gute Miene zum falschen Spiel zu wahren. Besonders von
Frauen wird das erwartet, während Wutausbrüche von Männern eher
toleriert werden.
Und damit kommen wir zum Ende des ersten Teils meiner Artikelreihe zu japanischen Geschlechterklischees in Anime und Manga! Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid neugierig auf den zweiten Teil, der ebenso interessante Einblicke liefern wird.
Kommentare, Kritik und Anregungen sind erwünscht! :)
Also ich finde es keineswegs unschön wenn sich eine Frau sanft und zurückhaltend verhält. Die Japaner haben laut dem was man hier alles ließt den Europäern deutlich was voraus. Gerade weil die Frauen in diesem Land sehr viel stärker darauf achten gut auszusehen und freundlich rüber zukommen. Mir ist klar das es nicht der gängigen Meinung entspricht aber was solls.
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