„Omiai“
bedeutet auf Deutsch „einander betrachten“ und gilt als
japanische Tradition der Ehevermittlung und deren Umsetzung. Es kann
nicht von Zwangsheirat die Rede sein, denn die Eheschließung muss
von beiden zugestimmt werden. Dabei beschränkt sich dies nicht nur
auf ein Omiai, meist folgen mehrere bevor der Bund des Lebens
geschlossen wird.
Besonders
in ländlichen Gebieten Japans, in denen noch traditionelle
Vorstellungen prägend sind, wird auf unverheiratete Frauen ab 25
Jahren gesellschaftlicher Druck ausgeübt. Gleiches gilt auch für
Männer, die sich den 30ern nähern. Besonders die Eltern wollen mit
den sogenannten übrigen Weihnachtskuchen (die nach dem 25. Dezember
entsorgt werden) darauf hinweisen, dass sie sich unbedingt Enkel
wünschen. Meist auf Drängen dieser lassen sich junge Menschen auf
ein Omiai ein.
Geschichte
Die
Durchführung von Omiai entstand in im 16. Jahrhundert in Japan
innerhalb der Samuraiklasse um militärische Allianzen und
gegenseitige Unterstützung zwischen den Familien zu sichern. Später
in der Tokugawa-Periode (1603-1868) verbreitete sich die Tradition
des Omiai auch bei den städtischen Klassen, die versuchten die
Samurai-Traditionen nachzuahmen. Omiai basierten auf Grundlage der
Familien-Blutlinie und der Klasse, was heutzutage keine große Rolle
mehr spielt. Diese Art von arrangierter Ehen in Japan wird noch in
Filmen oder in Fernsehdramen dargestellt.
Noch
heute werden moderne Formen des Omiai in Japan praktiziert, auch wenn
sie nicht mehr so wesentlich sind wie in der Zeit vor der Meiji-Erä.
Laut einer Studie der National Institute of Population and Social
Security in 2005, wurde bewiesen, dass ca. 6,2 % der Ehen in Japan
arrangiert sind.
Allgemein
Hat
man sich dazu entschlossen, muss man zunächst ein Kurzprofil (Alter,
Beruf, Hobbys, ein Foto, etc). erstellen und bekommt ebenfalls eine
Auswahl an Profilen passender Partner. Besteht auf beiden Seiten
Interesse wird ein Omiai organisiert. Dabei handelt es sich meist um
ein Abendessen in einem Hotel oder Restaurant, bei dem neben der
betreffenden Personen auch die Eltern und die Vermittlerin anwesend
sind.
Sollte
sich danach kein Interesse auf ein besseres Kennenlernen einstellen,
muss der Vermittler daraufhin informiert werden. Finden sich aber
beide Kandidaten sympathisch und wollen mehr voneinander wissen,
treffen sich beide nur zu zweit, womit eine normale Partnerschaft
ihren Anfang nimmt.
Nach
traditioneller Vorstellung sollte bis zum Start der wirklichen
Heiratsvorbereitungen ein halbes Jahr vergangen sein. Innerhalb
dieser Zeit ist es noch möglich die Partnerschaft zu beenden, wenn
die Chemie zwischen den Partner nicht stimmt.
Ein
Omiai muss nicht zwangsläufig von einem Vermittler durchgeführt
werden, auch die Eltern, Freunde sogar Vorgesetzte der Arbeitsstelle
können den Anstoß bringen.
„Nakodo“
„Nakodo“
bedeutet übersetzt Heiratsvermittler und kommuniziert zwischen den
Familien. Jedoch ist er nicht unbedingt Pflicht. Ein Kuppler kann
sowohl ein Familienmitglied, ein Freund oder eben eine
Heiratsvermittlungsagentur sein.
Die
allgemeine Absicht eines Heiratsstifter ist es, besonders bei der
traditionellen Art und Weise, potenzielle Kandidaten miteinander
bekannt zu machen und eher schüchternen Heiratswilligen zu helfen.
Dabei wird von ihm gefordert verschiedene Rollen beim Omiai zu
übernehmen. Die erste wäre die vermittlende Rolle, „hashikake“,
bei der der Heiratsvermittler die potenziellen Kandidaten und deren
Familien vorstellt. Die zweite Rolle wäre jegliche direkte
Konfrontationen und Differenzen in Meinungen zwischen beiden Seiten
zu umgehen, indem er die genauen Details der Eheschließung
recherchiert.
Auswahlprozess
Die
Initiative für ein Omiai geht meist von den Eltern aus, die sich
darum sorgen, das deren Kinder im heiratsfähigen Alter („tekireiki“)
meist von 22-30 Jahren, noch keinen Partner in Aussicht haben.
Andererseits kann auch der Betreffende den 1. Schritt machen, indem
er Freunde oder Kollegen nach potenziellen Partner fragt.
Eltern
fügen meist die Phrase „onegai shimasu“ (etwa „Ich bitte um
etwas“) in das Gespräch ein, was bedeutet, dass beide Eltern
zustimmen, dass deren Tochter passende Männer treffen darf. Die
Tochter darf dabei nichts davon wissen, dass die Eltern deren
Verfügbarkeit suggeriert haben. Darüber hinaus senden einige Eltern
auch ein Foto an den zukünftigen Ehemann ohne dass die Tochter damit
einverstanden ist oder in Kenntnis gesetzt wird.
Die
Eltern gebrauchen meist die Hilfe von Nakodo oder fragen einen
Dritten mit einem großen sozialen Netzwerk um für Verbindungen zu
sorgen. Das Wort „miai“ beschreibt sowohl den gesamten Prozess
als auch das erste Treffen zwischen dem Paar und dem Vermittler.
Außerdem deutet das Wort daraufhin, dass beide Seiten zum Zwecke der
Ehe zusammen gebracht worden sind. Es meint des weiteren, dass die
Auswahlkriterien objektiv sind. So schauen sich die Familien meist
die betreffenden Kandidaten an und „untersuchen“ diese genau. Der
Nakodo besitzt meist Fotos der Teilnehmer und ein „rirekisho“,
einen kurzen Lebenslauf., Darunter fallen der Name, Alter,
Gesundheit, Bildung, beruflicher Werdegang, sozialer Status der
Familienmitglieder.
Die
Familien setzen sich mit dem Heiratsstifter zusammen und schauen
gemeinsam nach einem passenden Kandidaten. Die Fotos und die kurzen
Biographien werden nach sozialen Kriterien unter die Lupe genommen.
Der Bildungsstand und die Berufe der Familie des Zukünftigen sind
die ersten Aspekte, die an Wichtigkeit haben. Danach wird eine Liste
mit den besten Kandidaten erstellt und der Vermittler wird beauftragt
diese zu untersuchen.
In
eher sehr selektiven Omiai werden die Auserwählten und deren
Familien strenger unter vielen Kriterien beurteilt, damit beide
Heiratswilligen genau aufeinander abgestimmt sind und eine Balance
der Ehe herrscht. Der Kriterien-Katalog ist in Japan unter „iegara“
bekannt. Dieser umfasst den Stand der Bildung, das Einkommen, Beruf,
Attraktivität, Religion, sozialer Rang und Hobbys. Moderne Frauen
schauen typischerweise nach drei Eigenschaften: Größe, hohes
Einkommen und Bildungsstand.
Die
Blutlinie („ketto“) spielt eine wesentliche Rolle. Viele
befürchten, dass das Blut der Kandidaten Krankheiten wie Neurosen
oder mentale Schwäche aufweist. Auch der soziale Status ist sehr
wichtig und die Familien versuchen einen geeigneten Partner zu
finden, der mindestens den gleichen sozialen Status inne hat.
Recherche
Der
Heiratsvermittler bereitet eine Menge wichtiger Informationen für
jeden Kandidaten auf. Eine Methode der Recherche wäre die Nutzung
von „kooshinjo“ oder einer Detektei. In eher ländlichen Gebieten
werden Geschäftsführer oder Nachbarn nach der Familie des
Auserwählten befragt („kuchikiki“).
Vorstellung
des Paares
Das
Omiai ist eine Möglichkeit für die Familien den Zukünftigen/die
Zukünftige sowie das Paar an sich zu bewerten. Das Treffen wird mit
einer Vorstellung beider Familien durch den Heiratsverkuppler
begonnen. Danach folgt Small Talk zwischen den Eltern. Meist
verlagert sich der Fokus der Konversation auf einen der potenziellen
Kandidaten. Gegen Ende des Treffens wird dem Paar angewiesen, einige
Zeit zu zweit zu verbringen.
Ist
das erste Omiai geglückt, folgt für das Paar eine Reihe an Dates
bis die Entscheidung schließlich fällt. Diese wird meist beim
dritten Treffen zwischen dem Pärchen fällig. Wenn beide mit einer
Heirat einverstanden sind, müssen sie einen formalen Eheprozess
durchführen, der als „miai kekkon“ bezeichnet wird, bei der eine
Zeremonie von der Familie des Bräutigams arrangiert wird.
Diskriminierung
Aufgrund
der Auswahlkriterien kann es zu einigen Diskriminierungen bezüglich
der Rasse, Klasse und der Gene kommen.
Viele
in Japan geborene Koreaner werden aufgrund ihres „Halbbluts“
diskriminiert, weil sie keinen vollständigen japanischen Hintergrund
aufweisen. Das Jahr des Pferds im fünften Zyklus des Japanischen
Mondkalender „hinoeuma“ - jedes sechste Jahr - wird als
unglücksbringend aufgefasst. Frauen, die während dieses Jahres
geboren worden sind, bestehen darauf Geburtstag im vorherigen oder
darauf folgenden Jahr zu haben.
Die
weit verbreiteste Diskriminierung bezüglich der Klasse betrifft die
Mitglieder der „burakumin“. Ursprünglich wurden diese mit Handel
assoziiert, der auf Blut, Tod und anderen unerwünschten Dingen zu
tun hatte. Einige Beispiele wären Lederarbeiter, Schumacher etc.
Auch Mitglieder der „Ainu“, Einwohner von Hokkaido werden
ebenfalls vermieden. Nachfahren von Opfern der Atombomben in
Hiroshima und Nagasaki werden ebenfalls abgelehnt, weil die Angst
besteht, dass zukünftige Kinder Behinderungen und Krankheiten mit
sich bringen.
Meinungen
Moderne
Einstellungen bezüglich arrangierter Ehen haben sich signifikant
verändert. Die junge Generation, die sich an westlichen Werten
orientiert, wollen eine Ehe auf romantischer Basis. Romantische
Liebe („ren´ai“) impliziert, dass es keine Grenzen gibt bei der
Auswahl des Partners. Jeder kann jeden heiraten. Es ist nicht möglich
eine Ehe als Liebesehe oder arrangierte aufgrund des elterlichen
Einflusses zu deuten. Frauen tendieren eher zu romantischen
Beziehungen als Männer.
Es
gibt heutzutage abgewandelte und moderne Formen von Omiai. Ein
Beispiel wäre „konpa“ oder „compa“ (Kamerad) eine Methode
junger Menschen, die aus der modernen Gesellschaft entnommen wurde.
Konpa findet man in Gruppen bestehend aus vier oder fünf Jungen, die
mit der gleichen Anzahl an Mädchen ausgehen, um potenzielle Partner
zu finden.
Fazit
Sicherlich
sind arrangierte Ehen heutzutage, auch in Japan nicht mehr so üblich,
wie es in früheren Zeiten der Fall gewesen ist. Doch wie ich im Text
darauf hingewiesen habe, haben sich zumindest moderne Formen der
arrangierten Ehen oder auch Partnerschaften etabliert. Ein wirklich
neues Phänomen wäre meiner Ansicht nach in dem Zusammenhang das
Online-Dating. Dabei fungiert das Dating-Portal als indirekter
Partnerschafts-Vermittler. Ähnlich wie bei Omiai suchen meist aber
die Menschen, die sich nach einem Geliebten sehnen, auf eigene Faust
nach Gleichgesinnten. Eltern spielten heutzutage weniger eine Rolle,
auch ist der gesellschaftliche Druck lange nicht mehr so stark wie
früher. Darüber hinaus scheint auch die Ehe als Institution einem
Wandel unterworfen sein. Jedenfalls sehe ich ich hier die Parallelen
zu einem Omiai oder einer Ehevermittlung. Man gibt bei solchen
Online-Diensten eigene Daten ein (u.a. Hobbys, Interessen) und sucht
dann nach passenden Partner. Sind beide interessiert, steht dem
Kennenlernen nichts mehr im Wege. Der Grundgedanke, nach jemanden zu
suchen, der zu einem passt, hat sich also in modernen digitalen
Formen erhalten. Man könnte auch von arrangierten Treffen sprechen,
wenn beide sich näher kommen wollen. Es ist also nicht so zwanglos,
wie wenn man zufällig aufeinander stößt, weil man ja weiß, welche
Absicht der andere hegt. Differenzen zeigen sich aber, dass erstens
kein so finanzieller Aufwand besteht, kein wirklicher
Heiratsvermittler anwesend ist und das Ganze auch eher persönlich
als formell abläuft.
Nun
würde ich euch gerne fragen, was eure Meinung dazu ist. Was haltet
ihr von sogenannten Omiai oder den modernen Formen? Stimmt ihr dem
zu, dass die digitale Partnersuche dem Omiai ähnelt oder nicht? Und
würdet ihr selbst solche Vermittlungsdienste in Anspruch nehmen oder
seid ihr eher dagegen?
Hai,
AntwortenLöschenwieder einmal ein Interessanter Beitrag. Von dem Thema hört man zwar immer mal wieder, kommt auch in wenigen Mangas/Animes (die ich bislang gelesen/gesehen hab) vor, aber direkte Beiträge zur Erklärung gibts nicht ganz so viele. Daher danke für den Beitrag.
mit freundlichen Grüßen
Linden
Schön, dass du erneut auf meinen Blog gestoßen bist und weitere Texte liest. Das freut mich. :)
LöschenDas stimmt wohl! Mein Ziel ist es mit dem Blog auch ein Stückchen japanische Kultur zu vermitteln, um mal das Hintergrundwissen zu liefern und dadurch auch Anime/Manga besser zu verstehen.