Sonntag, 17. Januar 2016

Gelesen: Girls Love Bible


Im Fokus der Handlung steht die junge Yun, die alles andere als ein einfaches Leben führt. Mit ihren zarten 16 Jahren wohnt sie schon seit einiger Zeit nicht mehr bei ihren Eltern. Zwar hat sie zwei treue beste Freunde, die immer für sie da sind, aber selbst diesen kann sie nichts von ihrem großen Problem erzählen: Immer wenn sie mit einem Jungen Sex hat, leidet sie unter unerträglichen Schmerzen. 

Jede ihrer unzähligen Beziehungen hielt bisher nicht lange und Yun gibt sich selbst die Schuld dafür. Wieso kann sie nicht einfach normalen, schönen Sex haben wie jedes andere Mädchen auch? Wieso kann sie nicht endlich jemanden kennen lernen, den sie liebt und der sie so akzeptiert wie sie ist? Warum muss sie immer solche Schmerzen dabei haben? Kein Wunder, dass sie da die Nase voll von der eigentlich schönsten Nebensache der Welt hat.

Der Manga steigt ohne Vorschweife auch direkt in diese Problematik ein.
Ihr werdet es sicherlich schon bemerkt haben, dass der Manga keiner der gewöhnlichen, unschuldigen Shoujos ist, da hier eine Menge „Smut“ also Erotik mit hinein fließt. Darum sollen schon mal die gewarnt werden, die lieber nach unschuldigen, langsam entwickelten Beziehungen suchen. Es soll aber auch nicht gesagt werden, dass der Manga ausschließlich aus Sex besteht, wie man es vielleicht aus Werken der Mangaka Kasane Katsumoto (Deep Kiss, Deep Sex etc.) kennt, in denen die Handlung komplett auf den Liebesakt reduziert wird. Durchaus kann man hier eine Geschichte mit interessanten, abwechslungsreichen Ansätzen erwarten.

Zurück zur Eingangsszene des Manga. Diese zeigt uns Yun direkt beim Sex mit ihrem Freund und wie sie sich sehr damit quält. Sie versucht, so abhängig sie scheinbar von Männern ist, es ihnen Recht zu machen. Sie täuscht Orgasmen vor und zwingt sich immer wieder eigene Bedürfnisse hinten anzustellen, damit sie nicht allein ist. Viele mögen an dieser Stelle seufzen und sich fragen, warum sie sich das antut. Wenn man Schmerzen beim Geschlechtsverkehr hat, dann kann man den anderen doch nicht ernsthaft lieben? Da muss doch etwas an der Beziehung nicht stimmen. Tatsächlich wird deutlich, dass Yun zwar bisher mit vielen Jungs zusammen war, aber keinen so wirklich geliebt hatte.

Anfangs wird erwähnt, dass sie einfach zu jedem „Ja“ gesagt hat, der Interesse an ihr gezeigt hat und sie sich sofort verknallt hat. Aber ich denke mal, dass dieses Verliebtsein eher daher rührt, dass sie sich nach Liebe und Geborgenheit sehnt und die Jungs ihr das eben geben konnten, auch wenn sie gar nicht so an diesen gehangen hatte. So ist es auch mit ihrem aktuellen Freund, der zu ihrem Leidwesen gemerkt hat, dass sie sich quält. Anstatt nun aber auf sie einfühlsam einzugehen, wirft er ihr vor, dass sie ihn nicht liebt. So als wäre es ihre Schuld, dass er so einen schlechten Sex haben muss. Ich muss echt ziemlich den Kopf schütteln, weil ich mir denke, dass es mal wieder typisch ist, dass man sich gegenseitig missversteht. Der Konflikt zwischen den beiden bringt die Handlung erst ins Rollen. Jahre lang wohnte Yun womöglich immer bei ihren Freunden und jetzt, wo ihr Freund sie vor die Tür setzt, weiß sie nicht mehr wohin sie soll. Zu ihren Freunden kommt auf jeden Fall nicht in Frage.

Ich möchte an dieser Stelle kurz einwerfen, dass ich es gut finde, dass das der Manga auch mal die Schattenseiten von Beziehungen zeigt. Wie oft sehen wir eigentlich solche idealisierten Beziehungen, in denen alles perfekt erscheint. Wenn ein Mädchen mit einem Jungen zusammen kommt, ist es DIE wahre Liebe und die hält märchenhaft bis ans Lebensende, oder zumindest bis ans Ende des Manga. In „Girls Love Bible“ jedoch sehen wir, dass Menschen eben nicht immer die große Liebe finden, dass Beziehungen nicht gut laufen, dass Sex nicht immer schön und dass man eben erst viele Anläufe braucht, bis man den Richtigen gefunden hat. Das fand ich schon mal etwas realistischer vom Ausgangspunkt und interessant gestaltet.


Nun lässt der Manga seine Protagonistin natürlich nicht hängen, weswegen Yun dann schließlich auf ihren Traummann Hiromichi stößt. Wobei das Wort Traummann eigentlich von der Definition her nicht auf ihn zugeschnitten wäre. Hiromichi ist eher das, was man allgemein als „Bad Boy“ bezeichnet. Er ist zwar jung, sehr attraktiv, gut gebaut, aber er hat auch viel Mist am Stecken. Er kommandiert eine gewalttätige berüchtigte Gang, verkloppt regelmäßig Leute, wird zu einem richtigen Berserker wenn es darauf ankommt und lässt auch an Frauen nichts anbrennen. Gerüchten zufolge, solle er sogar mehrere uneheliche Kinder haben. Sowohl Frauen wie Männer sollten also lieber die Finger von diesem Kerl lassen. Schön ist es, dass man passend zum erotischen Unterton der Geschichte einen gefährlichen Mann hat, der eben nicht in die Kategorie Märchenprinz hinein fällt. Negativ kann man dagegen halten, dass man einfach nur von einem Extrem ins nächste verfällt. Vom besonders tollen zum besonders Bösen.

Jedenfalls lernt Yun ihn schließlich kennen. Durch einen kleinen Zwischenfall in der Bahn, fällt Yun ausgerechnet auf den ehrfürchtigen Hiromichi, steht unter Schock und bangt schon um ihr Leben. Aber er wirkt alles andere als gefährlich oder böse, bemerkt sogar, welches Parfüm Yun trägt und lobt sie für ihren Geschmack. Ab diesem Punkt merkt Yun, dass Hiromichi doch nicht ganz den Gerüchten entspricht. Jedenfalls ist er derjenige, der Yun auffängt, als sie am Tiefpunkt angekommen ist. Lustigerweise kann sie sich nur ihm wirklich öffnen, obwohl sie ihn nicht kennt. Als die Heldin ihm gesteht, dass sie Sex scheußlich findet, bietet er ihr an, es mal mit ihm zu probieren. Ohhh, wenn das mal kein verlockendes Angebot ist. Durchaus wäre Yun nicht abgeneigt. Aber natürlich spannt einen der Manga sehr auf die Folter, sodass es im Verlauf der zwei Bände immer wieder zu Annäherungen zwischen den beiden kommt, aber der große Höhepunkt auf sich warten lässt. Gerade in solchen Szenen, in denen man meinen könnte, dass sie endlich tun, merkt man wie spannend es doch ist. Ich habe beim Lesen durchaus dieses Prickeln gespürt und das ist wohl ein Grund, weswegen ich den Manga regelrecht verschlungen habe.

Jedenfalls zieht Yun auch kurzerhand bei ihm ein, verliebt sie nach und nach in ihn, jedoch weiß sie, dass er längst eine andere liebt, gegen die sie niemals ankommen würde. Das einzige, bei dem sie punkten könnte ist ihre schöne Haut und da kommt eine zweite interessante Idee der Geschichte ins Spiel. Hiromichi entpuppt sich nicht als endgültiger Bad Boy, sondern hat entgegen aller Erwartungen einen großen Traum: er will Visagist werden! Dafür hat er bereits sehr viel Erfahrung gesammelt, sehr viel Make-Up gekauft usw. Und er meint es tatsächlich ernst und dieser starke Wille fasziniert Yun, sodass sie ihm noch mehr verfällt. Hiromichi ist besonders an Yun interessiert, weil sie eben diese wunderschöne, makellose Haut hat, die sonst nur wenige vorzeigen können. Nun ist Yun also immer wieder in einem Dilemma, denn einerseits will sie in seiner Nähe sein, ihn besser kennen lernen, ihm helfen, seinen Traum zu erfüllen. Doch dann wäre da noch Kaede, scheinbar die feste Freundin, die Hiromichi nicht weggeben möchte.

Die Heldin will natürlich nicht die zweite Wahl sein und versucht eher eine platonische, geschwisterliche Liebe anzustreben, was regelmäßig scheitert, weil beide sich gegenseitig stark anziehen. Jedenfalls ist die Geschichte jetzt nicht voller Twists oder Überraschungen, an vielen Stellen vorhersehbar. Ich fand es im übrigen seltsam, dass Hiromichi nicht Gewissensbisse hatte, weil er doch eigentlich vergeben war, aber ich vermute mal, dass Kaede ihm das „Streunern“ erlaubt, hauptsache er bleibt ihr im innerlich treu. Eine Art offene Beziehung? Hin und wieder funken wie gesagt auch der beste Freund von Yun und Kaede dazwischen, was für Konflikte sorgt.
Am Ende geht es dann darum, dass Hiromichi an einem Wettbewerb für angehende Visagisten teilnimmt und Yun sein Modell präsentiert. Wird Hiromichi seinen Traum erfüllen und Yuns Gefühle erwidern?


An sich ist die Geschichte sicherlich nicht die tollste, aber wie schon erwähnt bietet sie interessante Ideen, die auch mehr oder weniger gut entfaltet werden. Auf jeden Fall ist keine der typischen und bietet ausreichend Unterhaltung durch lustige Interaktionen zwischen den Figuren, sowie auch kritische Themen, über die man nachdenken kann.

Die zwei Hauptfiguren fand ich im übrigen recht erfrischend. Yun mag zwar auf den ersten Blick wie ein naives, schwaches Mädchen wirken, zumal sie sich von Kerlen abhängig macht. Aber man lernt sie dann doch immer besser kennen und entdeckt ganz andere Seiten an ihr. Sie nimmt kein Blatt vor dem Mund sogar gegenüber Hiromichi kann sie sehr bissig und dominant sein. Sie setzt sich für die Menschen ein, die sie liebt und verteidigt sie auch. Sie ist recht willensstark, dann wiederum schwankt sie aber auch immer zwischen Entscheidungen, was sie menschlicher macht. Außerdem verfügt sie über ein gewisses Selbstbewusstsein. Sie ist also schon anders gestaltet als die typischen Heldinnen solcher Geschichten. Und schön ist auch, dass sie überhaupt nicht zurückhaltend ist, sich für etwas schämt, sie geht auch sehr offensiv ran und dadurch, dass sie eben mehr Erfahrungen in Sachen Liebe hat, kann sie sehr gierig sein. Sie steht jedenfalls zu ihren Bedürfnissen. Hiromichi hat mich auch überrascht. Zwar kann er durchaus sehr böse und gewalttätig sein, aber er hat auch eine sehr einfühlsame, erwachsene Art. Schön ist, dass er auch einen Traum hat, den er sich erfüllen will und hart dafür arbeitet. Er weiß einfach, was er will und lässt sich kaum aus der Ruhe bringen. Ich mochte ihn irgendwie. Die anderen Figuren sind dagegen sehr eindimensional, wobei ich den besten Freund Ryogo von Yun ganz nett fand. Obwohl er punkig aussieht, scheint er poetisch und philosophisch veranlagt und sensibel. Schade, dass man nicht mehr von ihm gesehen hat.


Nun aber auch mal was zu den negativen Punkten.

Nun fand ich es aber komisch, dass die Beziehung zu den Eltern nur mal so erwähnt wird, aber nicht weiter ausgebaut wird. Schön war, dass überhaupt mal so ein Konflikt innerhalb der Familie eingebaut wurde, ich fand es aber schade, dass man da nicht mehr darauf eingegangen ist. Wozu hat man das einfließen lassen? Nur damit Yun von einem Freund zum nächsten hopst, um bei diesem wohnen zu können? Und auch das Thema Schmerzen im Unterleib fand ich etwas konstruiert gelöst. Ich hatte mich immer gefragt woher diese Schmerzen kommen, aber am Ende wird dann eine so simple Erklärung geliefert und natürlich sind die Schmerzen dann auch mit dem richtigen Mann komplett weg. So typisch. Das hat die Mangaka wahrscheinlich extra so gemacht und wollte sich nicht ernsthaft damit auseinander setzen. Und was für ein Zufall, dass die Frauenärztin von Yun dann auch noch die Schwester von Hiromichi ist. Was ich ebenfalls etwas schade fand, dass man nicht mehr auf die Gefühle von Hiromichi eingegangen ist. Man hat zwar gesehen, dass er sich zu Yun hingezogen fühlte aber dass es ihn nicht weiter gestört hat, als er Kaede hat fallen lassen, war komisch. Ich weiß nicht wieso, sicherlich liegt es in der Kürze des Manga begründet und vielleicht hatte die Autorin auch noch mehr in petto gehabt. Und fragwürdig ist es auch, dass Yun sich sofort bei Hiromichi einquartiert, obwohl sie ihn kaum kennt und natürlich sofort in ihn verliebt. Denke mal, dass es wieder mit dem Genre zusammen hängt.

Zeichnerisch sticht der Manga sehr von der Masse der üblichen Shoujos hervor. Ich kann den Zeichenstil gar nicht so wirklich in Worte fassen, aber er ist schon ziemlich charakteristisch für die Mangaka. Zwar hat Yun die üblichen Eigenschaften einer Shoujo-Figur, aber ich finde es gerade herrlich wenn die Gesichter der Hauptfiguren sich total verziehen und nicht mehr schön aussehen. Es ist einfach lustig anzusehen. Gestik und Mimik wurden immer sehr genau heraus gearbeitet und auch so fand ich den Zeichenstil sehr angenehm. Er ist auf jeden Fall filigran und sauber, zwar schlicht, aber genau richtig.


Fazit: Ich muss sagen, dass mich der Manga schon überrascht hat, weil er doch einige abwechslungsreiche Ideen mit sich bringt und nicht ganz so stereotype Hauptfiguren aufweist. Dann gibt es noch eine gehörige Portion Erotik, die aber nicht zu derb ausfällt und lustige, unterhaltsame Interaktionen zwischen den Figuren und auch einen Spritzer Romantik. Dennoch gibt es einige Punkte, die man kritisieren muss, die jedoch nicht so sehr ins Gewicht fallen.

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