Als
Anime- und Manga-Fan ist man heutzutage in Deutschland immer noch
eher Teil einer Nischenkultur, auch wenn Deutschland von einem wahren
Anime-und Manga-Boom erfasst wurde. Hin und wieder werden auch
Reportagen über die Fanszene gebracht, die mal mehr oder weniger die
Wirklichkeit darstellen. Doch auch wenn Manga und Anime schon seit
Jahrzehnten in Deutschland etabliert sind, werden sie eher toleriert
als wirklich akzeptiert. Beide Medien sind noch weit davon entfernt,
so hingenommen zu werden wie Literatur und Film. Man könnte diese
Stellung mit der von Games gleichsetzen, wobei letztere dann doch
etwas besser wegkommen, da es hier scheinbar eine größere Community
gibt und sogenannte Casual Games wie Spiele für die WiiU und diverse
Apps für Smartphones auch die breite Öffentlichkeit ansprechen.
Natürlich gibt es hinsichtlich Games genug Vorurteile (a la
Killerspiele und Nerds). Doch heute möchte ich mich mit den
Vorurteilen über Anime und Manga befassen und meine Meinung dazu
abgeben, wie diese Vorurteile zustande kommen und wie viel
tatsächlich auch dran ist.
Doch
zunächst einmal etwas Begriffserklärung.
Vorurteile
sind stabile negative Einstellungen gegenüber Gruppen, aber auch
Gegenständen und Sachverhalten. Sie basieren meist nicht auf eigenen
Erfahrungen, sondern werden einfach vom „Hören-und-Sagen“
unreflektiert übernommen. Der Vorurteilsbegriff ist besonders
normativ und moralisch geprägt. Die Definitionen, die ich während
meiner Recherche gefunden habe, beziehen sich meist auf soziale
Werturteile, also auf Menschen bzw. Menschengruppen. Dabei werden
diese als minderwertig und negativ betrachtet, obwohl man sie
eigentlich gar nicht kennt und diese Urteile auch nicht Hand und Fuß
haben müssen. Meist gehen Vorurteile also mit viel Irrationalität
einher, Logik muss nicht vorhanden sein. In unserem Fall jedoch meine
ich aber Vorurteile gegenüber bestimmten Dingen und finde, dass man
diese Definition auch auf Animanga übertragen kann. Vorurteile
stammen also von Leuten, die eigentlich keine Ahnung über das haben,
worüber sie vorurteilshaft belastet sind. Sie haben vielleicht eine
vage Vorstellung, haben sich aber nie eingehend damit befasst,
weswegen es ja auch „Vor“-urteil heißt. Ein richtiges Urteil
kann man nur fällen, wenn man genügend weiß. Doch Vorurteile sind
solche Einstellungen, die getroffen werden, bevor man wirklich
urteilen kann. Man urteilt nicht selbst, sondern übernimmt nur
Urteile anderer. Meiner Meinung nach gibt es folgende Vorurteile über
Manga und Anime:
Nummer 1: „Anime/Manga
sind doch nur etwas für Kinder!“
Für
mich eindeutig auf Nummer 1, weil man es immer wieder zu hören
bekommt, wenn man jemanden von seinem Hobby erzählt. Eine solche
Aussage stammt meist von Leuten, die wirklich fast überhaupt nichts
mit diesem Hobby zu tun haben. Vielleicht haben sie mal
zufälligerweise vor paar Jahren in das Nachmittagsprogramm von RTL 2
geschaut und dann eben die Mainstream Anime wie Digimon und Pokemon
gesehen, bei denen man schon durchaus den Verdacht haben kann, dass
Anime nur etwas für Kinder sind. Ich nehme an, dass dieses Vorurteil
besonders stark ist, weil viele der früheren Anime tatsächlich von
den deutschen Sendern eher an die Kinder gerichtet waren. Sie liefen
im Nachmittagsprogramm und es wurden eben mehr Anime gebracht, die
auch Kinder/Jugendliche als Protagonisten haben. Das ist so eine
Sache, die nicht von der Hand zu weisen ist: Der Anteil an Kindern
und Jugendlichen in Anime ist einfach sehr viel höher als der der
erwachsenen Figuren. Ich kann mir das dadurch erklären, dass die
Kindheit und Jugend etwas besonders schönes für die Japaner gewesen
ist und „ewige Jugend“ einfach erstrebenswert ist. Jeder kann
sich mit diesen beiden Entwicklungsphasen identifizieren. Das führt
dann aber leider dazu, dass das Vorurteil „Animanga seien nur
Kinderkram“ noch stärker hervortritt.
Darüber
hinaus kommt noch dazu, dass die Optik bei vielen Anime und Manga
(Mainstream) eben doch sehr kindlich angehaucht ist. Die Figuren
sehen einfach schön und jung aus, und werden dann noch extra
niedlich gezeichnet (siehe Kindchen-Schema), damit man sie noch
sympathischer findet. Das ist ein Phänomen, was sowieso sehr tief in
der japanischen Kultur verwurzelt ist. Irgendwann hat sich eine
Kawaii-Kultur in Japan eingenistet, die man nicht nur bei Manga und
Anime sieht, sondern in der gesamten Popkultur u.a. auch bei
japanischen Idols. Die meisten, die nur mal einen Blick auf Anime
werfen, werden wohl eher nur das Optische wahrnehmen und da sie
sehen, dass der Zeichenstil meist doch sehr kindlich aussieht, wird
die Assoziation „Animanga = Kinderkram“ noch mehr verstärkt.
Darüber hinaus kommt hinzu, dass auch westliche Zeichentrickfilme
eindeutig nur für Kinder gebracht werden. Da ist die Vielfalt noch
viel geringer als bei Anime. Nun darf man natürlich nicht den Fehler
machen und Disney-Filme mit Anime gleichsetzen, doch für den
unwissenden Zuschauer wird es wohl kaum Unterschiede geben. Er wird
beides gleichsetzen und folglich denken, dass auch Anime wie Manga
nur etwas für Kinder sind. Doch nur, weil etwas so aussieht, muss es
noch nicht so sein. Man sollte nicht den Fehler begehen, die Form mit
dem Inhalt gleichzusetzen, was aber bei Vorurteilen sowieso leicht
passieren kann. Sicher, sind viele Anime und Manga im kindlichen Look
gehalten, doch schaut man sich auch mal die Handlung an, wird man
feststellen, dass so vieles ganz bestimmt kein Kinderkram ist.
Doch
stimmt es tatsächlich, dass sie nur etwas für Kinder sind? Meine
Antwort darauf ist eindeutig: NEIN. Denn wer sich eingehend mit Manga
und Anime befasst hat, wird merken, dass es eine breite Vielfalt an
verschiedenen Genres sowie Kategorien nach Altersgruppen gibt.
Natürlich sind einige Genres in Deutschland sehr stark verbreitet
und andere dagegen eher weniger (wie Manga für Senioren
beispielsweise). Shonen und Shojo dominieren nahezu den gesamten
Manga-Markt in Deutschland, was wahrscheinlich dazu führt, dass man
deswegen glaubt, dass auch Manga eher etwas für das jüngere
Publikum ist. Was mir nun aber auffällt ist, dass beide nicht
unbedingt an Kinder gerichtet sind. Sicher an etwas ältere Kinder
und auch Jugendliche, aber wir als Fans wissen auch, dass sich beide
auch großer Beliebtheit unter erwachsenen Fans erfreuen. Während in
Japan eine starke Differenzierung nach Alters- und Geschlechtsgruppen
existiert, ist das in Deutschland etwas lockere. Nicht nur, weil auch
viele Mädchen Shonen lesen, sondern auch weil sich eben die Genres
immer mehr vermischen. Jedenfalls haben beide Genres nicht mal
unbedingt Kinder als Zielgruppe. Es gibt aber ein Genres, was sich
speziell an „Kodomo“ (Kinder) richtet, aber in Detschland, soweit
ich weiß, nicht wirklich Zugang gefunden hat. Jedenfalls gibt es
nicht nur Genres für Kinder wie Jugendliche, sondern auch welche,
die sich an Erwachsene richten wie Seinen, Josei etc. Nicht zu
vergessen, die Genres, die sich an der sexuellen Orientierung halten
wie Yaoi, Yuri und Hentai, womit ich mich im nächsten Urteil
intensiver befassen will.
Jedenfalls
gibt es auch in dem Medium Manga und Anime eine breite
Themenvielfalt, für jede Altersgruppe ist etwas dabei. Nur ein
kleiner Bestandteil ist wirklich explizit an Kinder gerichtet, der
Rest verteilt sich auf alle anderen Altersgruppen. Zu sagen, dass
Manga/Anime nur Kinderkram wären, ist also FALSCH. Das hängt wie
gesagt mit der einseitigen öffentlichen Wahrnehmung, den westlichen
Zeichentrickfilmen und nur oberflächlichen Wissen über die Genres
zusammen.
Nummer 2: „Anime/Manga
sind doch alle pornographisch und pervers!“
Dieses
Vorurteil steht eigentlich im direkten Kontrast zum ersten, wird aber
mindestens genauso häufig abwertend angebracht. Nun frage ich mich,
ob die Leute merken, dass da irgendwie keine Logik ist, wenn man mal
annehmen würde, dass beide Vorurteile der Wahrheit entsprechen.
Vielleicht ist es auch eher so, dass beide Vorurteile nebeneinander
bestehen, aber von verschiedenen Fraktionen geteilt werden. Es wäre
bestimmt lustig, beide miteinander darüber diskutieren zu sehen und
zu schauen, wer am Ende recht hat (was fraglich ist).
Wie
kommt es aber dazu, dass man nun Manga/Anime einerseits als
Kinderkram abstempelt, aber dann auch wieder behauptet, dass sie
pervers sind? Erst einmal muss man pervers und pornographisch
voneinander trennen, beides ist ja nicht das Gleiche. Pervers ist ein
Werturteil und meint eigentlich einfach nur das Gegenteil von
„normal“, so etwas wie krank, abnormal, jenseits der Normen,
abstoßend. Ist also sehr abwertend gemeint. Das Vorurteil ist schon
mal definitiv falsch, weil das Medium Anime und Manga gar nicht
pervers sein kann. Was höchstens pervers sein kann, ist höchstens
der Inhalt. Also schon mal ein inhaltlicher Fehler, der sich hier
eingeschlichen hat. Pornographisch muss ich wahrscheinlich gar nicht
erklären, damit sind also sexualisierte Handlungen gemeint bzw.
explizite sexuelle Handlungen, die die Figuren durchführen.
Ich
vermute, dass dieses Vorurteil dadurch zustande kam, weil man einfach
das Urteil über ein sagen wir mal extremen Genre auf das gesamte
Medium übertragen hat. Denn wovon die Leute eben ausgehen ist, dass
alle Manga/Anime Hentais sind und die sind natürlich pornographisch,
das liegt einfach in der Natur des Genres. Der Fehler den die Leute
machen ist zum einen, dass sie sich nicht mit Manga/Anime auskennen,
folglich keine Ahnung von deren Genresvielfalt haben und zweitens
davon ausgehen, dass alle Anime Hentais sind. Der Umkehrschluss, dass
Hentais Anime sind ist richtig, aber es ist falsch vom Gegenteil
auszugehen. Ein typischer Denkfehler. Das Vorurteil wird dadurch
bekräftigt, weil heutzutage überall das Prinzip „Sex sells“
verbreitet ist. Hentais sind einfach aufgrund ihres Inhalts obszön
und bei einigen Vertretern glaubt man wirklich, dass dieses Genre
Grenzen überschreitet. Vieles darin ist nicht normal, aber was ist
schon normal? Jedenfalls weckt alles, was mit Sex zu tun hat,
natürlich die Sensationslust der Leute. Man muss sich nur die ganzen
Klatschblätter ansehen und wird ständig über irgendwelche Affären,
Sex-Skandale und Ehebrüche informiert werden. Die Leute lieben das
Sex und alles was dazu gehört. Kein Wunder also, dass Hentais ebenso
für Aufmerksamkeit sorgt und man folglich so stark davon geprägt
ist, dass man eben alle Anime für Hentais hält. Da wäre wieder
eine Art Aspektbetonung zu nennen, denn Hentais überschatten als
Minderheit also als Subgenre das gesamte Medium. Die Leuten glauben,
dass ein Genre repräsentativ für den Rest steht, was auch beim
ersten Vorurteil der Fall war.
Jedoch
zurück zur Ausgangsfrage, weswegen man nun Anime/Manga immer als
Schweinchenkram abtut. Und da muss ich leider gestehen, dass sie
tatsächlich nicht ganz unschuldig daran sind. Tatsächlich ist der
Gehalt an sexuellen oder sagen wir mal erotischen Elementen in Anime
zumindest recht hoch, was aber damit zu tun hat, dass vor allem Ecchi
und Harem-Werke sehr beliebt und von Otakus konsumiert wird. Hinzu
kommt, dass auch in Shonen und anderen Genres viel Erotik mit
eingebracht wird und selbst in solchen Genres wie Slice of Life
meinetwegen, immer mal wieder Fanservice gebracht wird. Andererseits
sollte man Ecchi sowie Harem nicht mit Pornos gleichsetzen. Denn Sex
etc. taucht da ja gar nicht auf. Höchstens vielleicht erotische
Szenen, in denen es förmlich knistert. Mir ist aber generell auch
aufgefallen, dass sehr viel Wert auf „Sex sells“ gelegt wird.
Schauen wir uns doch nur mal die Frauen und Mädchen in diesen Genres
an, die schreien förmlich nach „Nimm mich!“. Große Oberweite,
schöne Körper, knackiger Popo und dazu auch immer mal wieder
Pantsu-Shots und erotische Szenen mit dem Protagonisten. Das brennt
sich eben in das Gedächtnis der unwissenden Laien, die dann sofort
glauben, dass alle Anime nur aus Sex bestehen. Wobei das ja auch
nicht korrekt ist, weil nur ein winziger Teil der Anime/Manga
wirklich aus Hentais besteht. Es wird also eindeutig übertrieben.
Dennoch muss ich gestehen, dass durch die gezielte Selektion eben
solcher Werke das öffentliche Bewusstsein über Anime/Manga stark
beeinflusst wird. Kein Wunder also, wenn Unwissende so ein Vorurteil
entwickeln.
Doch
wie immer kann man das nicht auf alles übertragen. In Shojo und
Comedy beispielsweise finden wir solche sexuellen und erotischen
Aspekte kaum. Da gilt eher die reine übertriebene Unschuld und
Liebe. Und um weitere Gegenbeispiele zu nennen: die alten Anime, die
mal im deutschen Fernseher liefen wie „Dragon Ball“, „Pokemon“,
„Sailor Moon“, „Doremi“ etc. sind eigentlich fast nahezu
befreit von solchen sexuellen Anspielungen. Damit schlägt Vorurteil
1 Vorurteil 2, auch sehr praktisch. Ich sage also mal wieder, dass
das Vorurteil nicht stimmt. Nicht alle Anime sind Hentais, aber alle
Hentais sind Anime. So wird ein Schuh daraus. Es gibt wie gesagt
verschiedene Genres und auch Themenfelder, die Animanga abdecken und
der sexuelle Bereich ist nur einer von vielen. Dieses Vorurteil
verkennt einfach die Themenvielfalt und auch Qualität von den beiden
Medien.
Nummer 3: „Manga und
Anime sind voller Sexismus.“
Ihr
werdet jetzt bestimmt denken, wieso ich eigentlich Nummer 2
wiederhole, aber lest mal genau, Sexismus ist nicht das gleiche wie
Pornographie. Es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied in der
Form sowie Bedeutung der beiden Begriffe „sexualisiert“ und
„sexistisch“. Ersteres meint, dass es sexuelle Handlungen und
Elemente gibt, während „sexistisch“ die Diskriminierung eines
bestimmten Geschlechts, meist das weibliche, meint. Hat also nicht
wirklich etwas mit Pornos zu tun, wie ihr seht. Wie kann dieses
Vorurteil erklärt werden? Ich denke mal, dass es stark mit dem
zweiten Vorurteil verbunden ist. Und auch bei diesem muss ich leider
etwas differenziert schreiben. In Hentais und in Ecchi/Harem-Titeln
werden Frauen tatsächlich ziemlich sexistisch behandelt. Sie werden
auf ihre sexuellen Reize und ihren weiblichen Körpern reduziert, was
Persönlichkeit angeht, die ist meist nicht sonderlich wichtig, wie
man es auch aus normalen Pornos kennt. Da hat man sich also als
Unwissender gedacht „Hey Manga und Anime sind doch eh nur Pornos,
deswegen sind sie auch alle sexistisch!“ Ist doch klar, dass Pornos
und Sexismus zusammenhängen, denn es geht ja eigentlich auch nur um
Sex. Und weil solche Filmchen sich mehr an Männer richten, die dann
gerne Wünscherfüllung betreiben, werden Frauen eben als Objekte,
die man nehmen kann, behandelt.
Doch trifft das auf alle Manga und Anime zu? Hier wird es tatsächlich
etwas schwieriger. Ich will nicht verallgemeinern und sagen, alle
Manga und Anime sind sexistisch. Wie gesagt es ist nicht das Medium,
sondern der Inhalt höchstens. Es gibt gewisse Genres, die zu
Sexismus neigen wie beispielsweise Hentais, aber auch Ecchi und
Harem. Einfach weil in allen drei, aber in unterschiedlicher
Ausprägung, weibliche Figuren nur auf ihre Sexualität und
körperlichen Reize reduziert werden. Sicher, sie haben schon andere
Eigenschaften, aber die stehen weniger im Vordergrund. Ich will mal
so sagen, dass es eine gewisse Tendenz gibt und eine gewisse
Diskriminierung kann insofern sehen, dass die Mädchen sich für den
Protagonisten aufopfern, ihre Würde fallen lassen, bewusst auf
sexuelle Reize setzen, um ihm zu gefallen. Sie sind nicht gerade
unabhängig. Gerade diese Abhängigkeit von weiblichen Figuren
gegenüber männlichen fällt mir nicht nur da auf, sondern auch im
Shojo-Bereich. Die Mädchen diskriminieren sich indirekt, indem sie
sich minderwertig und nicht genug für ihren Traumprinzen fühlen.
Dieser kann die weiblichen Figuren schikanieren wie er will, am Ende
ist er ja überhaupt nicht an irgendetwas schuld. Die Mädchen lassen
alles mit sich machen, sollen aber gefälligst immer für ihren
Prinzen da sein. Das hat für mich schon einige sexistische
Tendenzen.
Trotzdem
will ich abschließend dazu sagen, dass Anime und Manga nicht
grundsätzlich sexistisch sind. Es gibt Genres und Vertreter, die
eindeutig Sexismus beweisen, aber die Minderheit kann eben nicht für
das große Ganze stehen.
Nummer 4: „Anime/Manga
sind reine Realitätsflucht.“
Anknüpfend
an einen früheren Beitrag möchte ich zumindest als letztes dieses
Vorurteil behandeln. Eine Lehrerin sagte einmal zu mir, als sie mich
Manga lesend gesehen hat, dass das doch absolute Realitätsflucht
wäre. Das hatte mich zum Nachdenken gebracht. Was bedeutet denn
eigentlich Realitätsflucht? Für die meisten bedeutet es, dass man
sich von der Wirklichkeit entfernt, dass man in eine andere Welt
abtaucht, was ja vollkommen in Ordnung sein kann. Doch der Begriff
hat eine eindeutig negative Bewertung in sich. Flucht meint hier
nicht die Erlösung von etwas, sondern, dass man vor etwas flieht,
vor Problemen, Ängsten. Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn man
flieht, so kann man es am besten erklären. Auch andere Animations-
und Zeichentrickfilme werden eher als Realitätsflucht angesehen, nur
weil sie nicht in der echten Welt spielen. Ich könnte auch
behaupten, dass Filme, Literatur und Spiele alle Realitätsflucht
bedeuten, weil man ja vorübergehend seine Welt verlässt und in eine
andere, fiktionale versinkt. Doch der Unterschied zu Animanga ist bei
Filmen und Büchern, dass sie meist Wirklich suggerieren, weil
„echte“ Menschen dargestellt werden, besonders im Film und in
Serien. In Büchern gehen wir auch davon aus.
Bei
Anime und Manga sieht das etwas anders aus. Man mag vielleicht
glauben und davon ausgehen, dass sie Menschen verkörpern, aber ich
denke, dass man die Figuren nicht als Menschen sehen sollte. Dafür
sind sie meist doch zu eindimensional. Sie sind Figuren, die
menschliche Eigenschaften widerspiegeln, aber sich teilweise nicht
wie echte Menschen verhalten. Sie sind stereotyp und teilweise sehr
überzogen. Darüber hinaus glaube ich, dass es auch an der Optik
liegt, dass man Anime und Manga eben für unrealistisch hält. Sie
spielen eben nicht in der Wirklichkeit, man sieht es ihnen umso mehr
an, weil die Figuren wie Figuren aussehen, nicht wie echte Menschen
(siehe Frisuren, Gesichter, Haarfarben, Körper etc.).
Ich
finde dennoch, dass es keinen zu großen Unterschied zu Filmen und
Büchern macht, auch da liegt eine Realitätsflucht vor. Andererseits
denke ich mir aber auch, dass die Settings und Geschichten in Anime
vor allem teilweise wirklich überzogen, überdreht und unrealistisch
sind, dass ich dann doch mehr zu einer Realitätsflucht tendiere.
Hier wäre zumindest eine Realitätsflucht stärker vorhanden, weil
die Manga und Animewelt etwas weiter entfernt ist von unserer als in
Filmen und Büchern.
Warum
konsumieren wir eigentlich Anime und Manga? Um unterhalten zu werden.
Um fremde Welten zu entdecken. Weil wir abschalten wollen. Ist das
dann aber schon Realitätsflucht? Es kommt eben darauf an, wie man
das definiert. Eine echte Realitätsflucht auch im negativen Sinne
wäre für mich erst dann erreicht, wenn man nur noch in der fiktiven
Welt lebt und kein Interesse mehr an der Realität hätte. Man
schottet sich ab, soziale Kontakte gehen verloren, man lebt nicht
mehr wirklich. Mal ernsthaft, das kann bei jedem Medium passieren und
das hängt auch nicht mit Manga und Anime zusammen, sondern immer von
den Konsumenten und deren Motivationen. Man kann diese „Funktion“
oder Verwendungsweise eben nicht einfach pauschal auf ein Medium
festlegen. Ein Potenzial ist sicher vorhanden, doch jeder kann selbst
entscheiden, was er daraus macht. Deswegen halte ich das Vorurteil
für falsch, auch wenn ich einige starke Tendenzen in der japanischen
Popkultur sehen, die doch verführerisch wirken.
Das war also mein
erster Teil zu den Vorurteilen über Anime und Manga. Kennt ihr
Leute, die solche Vorurteile haben? Wie geht ihr damit um? Kennt ihr
die von mir genannten? Wenn ja wie erklärt ihr euch diese und wie
bewertet ihr sie? Ich bin schon gespannt auf eure Antworten. :)
Tolle Argumentation!
AntwortenLöschen