Samstag, 20. August 2016

Vorurteile über Anime und Manga - was ist dran und was kompletter Mist?


Als Anime- und Manga-Fan ist man heutzutage in Deutschland immer noch eher Teil einer Nischenkultur, auch wenn Deutschland von einem wahren Anime-und Manga-Boom erfasst wurde. Hin und wieder werden auch Reportagen über die Fanszene gebracht, die mal mehr oder weniger die Wirklichkeit darstellen. Doch auch wenn Manga und Anime schon seit Jahrzehnten in Deutschland etabliert sind, werden sie eher toleriert als wirklich akzeptiert. Beide Medien sind noch weit davon entfernt, so hingenommen zu werden wie Literatur und Film. Man könnte diese Stellung mit der von Games gleichsetzen, wobei letztere dann doch etwas besser wegkommen, da es hier scheinbar eine größere Community gibt und sogenannte Casual Games wie Spiele für die WiiU und diverse Apps für Smartphones auch die breite Öffentlichkeit ansprechen. Natürlich gibt es hinsichtlich Games genug Vorurteile (a la Killerspiele und Nerds). Doch heute möchte ich mich mit den Vorurteilen über Anime und Manga befassen und meine Meinung dazu abgeben, wie diese Vorurteile zustande kommen und wie viel tatsächlich auch dran ist.


Doch zunächst einmal etwas Begriffserklärung.
Vorurteile sind stabile negative Einstellungen gegenüber Gruppen, aber auch Gegenständen und Sachverhalten. Sie basieren meist nicht auf eigenen Erfahrungen, sondern werden einfach vom „Hören-und-Sagen“ unreflektiert übernommen. Der Vorurteilsbegriff ist besonders normativ und moralisch geprägt. Die Definitionen, die ich während meiner Recherche gefunden habe, beziehen sich meist auf soziale Werturteile, also auf Menschen bzw. Menschengruppen. Dabei werden diese als minderwertig und negativ betrachtet, obwohl man sie eigentlich gar nicht kennt und diese Urteile auch nicht Hand und Fuß haben müssen. Meist gehen Vorurteile also mit viel Irrationalität einher, Logik muss nicht vorhanden sein. In unserem Fall jedoch meine ich aber Vorurteile gegenüber bestimmten Dingen und finde, dass man diese Definition auch auf Animanga übertragen kann. Vorurteile stammen also von Leuten, die eigentlich keine Ahnung über das haben, worüber sie vorurteilshaft belastet sind. Sie haben vielleicht eine vage Vorstellung, haben sich aber nie eingehend damit befasst, weswegen es ja auch „Vor“-urteil heißt. Ein richtiges Urteil kann man nur fällen, wenn man genügend weiß. Doch Vorurteile sind solche Einstellungen, die getroffen werden, bevor man wirklich urteilen kann. Man urteilt nicht selbst, sondern übernimmt nur Urteile anderer. Meiner Meinung nach gibt es folgende Vorurteile über Manga und Anime:



Nummer 1: „Anime/Manga sind doch nur etwas für Kinder!“


Für mich eindeutig auf Nummer 1, weil man es immer wieder zu hören bekommt, wenn man jemanden von seinem Hobby erzählt. Eine solche Aussage stammt meist von Leuten, die wirklich fast überhaupt nichts mit diesem Hobby zu tun haben. Vielleicht haben sie mal zufälligerweise vor paar Jahren in das Nachmittagsprogramm von RTL 2 geschaut und dann eben die Mainstream Anime wie Digimon und Pokemon gesehen, bei denen man schon durchaus den Verdacht haben kann, dass Anime nur etwas für Kinder sind. Ich nehme an, dass dieses Vorurteil besonders stark ist, weil viele der früheren Anime tatsächlich von den deutschen Sendern eher an die Kinder gerichtet waren. Sie liefen im Nachmittagsprogramm und es wurden eben mehr Anime gebracht, die auch Kinder/Jugendliche als Protagonisten haben. Das ist so eine Sache, die nicht von der Hand zu weisen ist: Der Anteil an Kindern und Jugendlichen in Anime ist einfach sehr viel höher als der der erwachsenen Figuren. Ich kann mir das dadurch erklären, dass die Kindheit und Jugend etwas besonders schönes für die Japaner gewesen ist und „ewige Jugend“ einfach erstrebenswert ist. Jeder kann sich mit diesen beiden Entwicklungsphasen identifizieren. Das führt dann aber leider dazu, dass das Vorurteil „Animanga seien nur Kinderkram“ noch stärker hervortritt.

Darüber hinaus kommt noch dazu, dass die Optik bei vielen Anime und Manga (Mainstream) eben doch sehr kindlich angehaucht ist. Die Figuren sehen einfach schön und jung aus, und werden dann noch extra niedlich gezeichnet (siehe Kindchen-Schema), damit man sie noch sympathischer findet. Das ist ein Phänomen, was sowieso sehr tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist. Irgendwann hat sich eine Kawaii-Kultur in Japan eingenistet, die man nicht nur bei Manga und Anime sieht, sondern in der gesamten Popkultur u.a. auch bei japanischen Idols. Die meisten, die nur mal einen Blick auf Anime werfen, werden wohl eher nur das Optische wahrnehmen und da sie sehen, dass der Zeichenstil meist doch sehr kindlich aussieht, wird die Assoziation „Animanga = Kinderkram“ noch mehr verstärkt. Darüber hinaus kommt hinzu, dass auch westliche Zeichentrickfilme eindeutig nur für Kinder gebracht werden. Da ist die Vielfalt noch viel geringer als bei Anime. Nun darf man natürlich nicht den Fehler machen und Disney-Filme mit Anime gleichsetzen, doch für den unwissenden Zuschauer wird es wohl kaum Unterschiede geben. Er wird beides gleichsetzen und folglich denken, dass auch Anime wie Manga nur etwas für Kinder sind. Doch nur, weil etwas so aussieht, muss es noch nicht so sein. Man sollte nicht den Fehler begehen, die Form mit dem Inhalt gleichzusetzen, was aber bei Vorurteilen sowieso leicht passieren kann. Sicher, sind viele Anime und Manga im kindlichen Look gehalten, doch schaut man sich auch mal die Handlung an, wird man feststellen, dass so vieles ganz bestimmt kein Kinderkram ist.

Doch stimmt es tatsächlich, dass sie nur etwas für Kinder sind? Meine Antwort darauf ist eindeutig: NEIN. Denn wer sich eingehend mit Manga und Anime befasst hat, wird merken, dass es eine breite Vielfalt an verschiedenen Genres sowie Kategorien nach Altersgruppen gibt. Natürlich sind einige Genres in Deutschland sehr stark verbreitet und andere dagegen eher weniger (wie Manga für Senioren beispielsweise). Shonen und Shojo dominieren nahezu den gesamten Manga-Markt in Deutschland, was wahrscheinlich dazu führt, dass man deswegen glaubt, dass auch Manga eher etwas für das jüngere Publikum ist. Was mir nun aber auffällt ist, dass beide nicht unbedingt an Kinder gerichtet sind. Sicher an etwas ältere Kinder und auch Jugendliche, aber wir als Fans wissen auch, dass sich beide auch großer Beliebtheit unter erwachsenen Fans erfreuen. Während in Japan eine starke Differenzierung nach Alters- und Geschlechtsgruppen existiert, ist das in Deutschland etwas lockere. Nicht nur, weil auch viele Mädchen Shonen lesen, sondern auch weil sich eben die Genres immer mehr vermischen. Jedenfalls haben beide Genres nicht mal unbedingt Kinder als Zielgruppe. Es gibt aber ein Genres, was sich speziell an „Kodomo“ (Kinder) richtet, aber in Detschland, soweit ich weiß, nicht wirklich Zugang gefunden hat. Jedenfalls gibt es nicht nur Genres für Kinder wie Jugendliche, sondern auch welche, die sich an Erwachsene richten wie Seinen, Josei etc. Nicht zu vergessen, die Genres, die sich an der sexuellen Orientierung halten wie Yaoi, Yuri und Hentai, womit ich mich im nächsten Urteil intensiver befassen will.

Jedenfalls gibt es auch in dem Medium Manga und Anime eine breite Themenvielfalt, für jede Altersgruppe ist etwas dabei. Nur ein kleiner Bestandteil ist wirklich explizit an Kinder gerichtet, der Rest verteilt sich auf alle anderen Altersgruppen. Zu sagen, dass Manga/Anime nur Kinderkram wären, ist also FALSCH. Das hängt wie gesagt mit der einseitigen öffentlichen Wahrnehmung, den westlichen Zeichentrickfilmen und nur oberflächlichen Wissen über die Genres zusammen.



Nummer 2: „Anime/Manga sind doch alle pornographisch und pervers!“


Dieses Vorurteil steht eigentlich im direkten Kontrast zum ersten, wird aber mindestens genauso häufig abwertend angebracht. Nun frage ich mich, ob die Leute merken, dass da irgendwie keine Logik ist, wenn man mal annehmen würde, dass beide Vorurteile der Wahrheit entsprechen. Vielleicht ist es auch eher so, dass beide Vorurteile nebeneinander bestehen, aber von verschiedenen Fraktionen geteilt werden. Es wäre bestimmt lustig, beide miteinander darüber diskutieren zu sehen und zu schauen, wer am Ende recht hat (was fraglich ist).

Wie kommt es aber dazu, dass man nun Manga/Anime einerseits als Kinderkram abstempelt, aber dann auch wieder behauptet, dass sie pervers sind? Erst einmal muss man pervers und pornographisch voneinander trennen, beides ist ja nicht das Gleiche. Pervers ist ein Werturteil und meint eigentlich einfach nur das Gegenteil von „normal“, so etwas wie krank, abnormal, jenseits der Normen, abstoßend. Ist also sehr abwertend gemeint. Das Vorurteil ist schon mal definitiv falsch, weil das Medium Anime und Manga gar nicht pervers sein kann. Was höchstens pervers sein kann, ist höchstens der Inhalt. Also schon mal ein inhaltlicher Fehler, der sich hier eingeschlichen hat. Pornographisch muss ich wahrscheinlich gar nicht erklären, damit sind also sexualisierte Handlungen gemeint bzw. explizite sexuelle Handlungen, die die Figuren durchführen.

Ich vermute, dass dieses Vorurteil dadurch zustande kam, weil man einfach das Urteil über ein sagen wir mal extremen Genre auf das gesamte Medium übertragen hat. Denn wovon die Leute eben ausgehen ist, dass alle Manga/Anime Hentais sind und die sind natürlich pornographisch, das liegt einfach in der Natur des Genres. Der Fehler den die Leute machen ist zum einen, dass sie sich nicht mit Manga/Anime auskennen, folglich keine Ahnung von deren Genresvielfalt haben und zweitens davon ausgehen, dass alle Anime Hentais sind. Der Umkehrschluss, dass Hentais Anime sind ist richtig, aber es ist falsch vom Gegenteil auszugehen. Ein typischer Denkfehler. Das Vorurteil wird dadurch bekräftigt, weil heutzutage überall das Prinzip „Sex sells“ verbreitet ist. Hentais sind einfach aufgrund ihres Inhalts obszön und bei einigen Vertretern glaubt man wirklich, dass dieses Genre Grenzen überschreitet. Vieles darin ist nicht normal, aber was ist schon normal? Jedenfalls weckt alles, was mit Sex zu tun hat, natürlich die Sensationslust der Leute. Man muss sich nur die ganzen Klatschblätter ansehen und wird ständig über irgendwelche Affären, Sex-Skandale und Ehebrüche informiert werden. Die Leute lieben das Sex und alles was dazu gehört. Kein Wunder also, dass Hentais ebenso für Aufmerksamkeit sorgt und man folglich so stark davon geprägt ist, dass man eben alle Anime für Hentais hält. Da wäre wieder eine Art Aspektbetonung zu nennen, denn Hentais überschatten als Minderheit also als Subgenre das gesamte Medium. Die Leuten glauben, dass ein Genre repräsentativ für den Rest steht, was auch beim ersten Vorurteil der Fall war.

Jedoch zurück zur Ausgangsfrage, weswegen man nun Anime/Manga immer als Schweinchenkram abtut. Und da muss ich leider gestehen, dass sie tatsächlich nicht ganz unschuldig daran sind. Tatsächlich ist der Gehalt an sexuellen oder sagen wir mal erotischen Elementen in Anime zumindest recht hoch, was aber damit zu tun hat, dass vor allem Ecchi und Harem-Werke sehr beliebt und von Otakus konsumiert wird. Hinzu kommt, dass auch in Shonen und anderen Genres viel Erotik mit eingebracht wird und selbst in solchen Genres wie Slice of Life meinetwegen, immer mal wieder Fanservice gebracht wird. Andererseits sollte man Ecchi sowie Harem nicht mit Pornos gleichsetzen. Denn Sex etc. taucht da ja gar nicht auf. Höchstens vielleicht erotische Szenen, in denen es förmlich knistert. Mir ist aber generell auch aufgefallen, dass sehr viel Wert auf „Sex sells“ gelegt wird. Schauen wir uns doch nur mal die Frauen und Mädchen in diesen Genres an, die schreien förmlich nach „Nimm mich!“. Große Oberweite, schöne Körper, knackiger Popo und dazu auch immer mal wieder Pantsu-Shots und erotische Szenen mit dem Protagonisten. Das brennt sich eben in das Gedächtnis der unwissenden Laien, die dann sofort glauben, dass alle Anime nur aus Sex bestehen. Wobei das ja auch nicht korrekt ist, weil nur ein winziger Teil der Anime/Manga wirklich aus Hentais besteht. Es wird also eindeutig übertrieben. Dennoch muss ich gestehen, dass durch die gezielte Selektion eben solcher Werke das öffentliche Bewusstsein über Anime/Manga stark beeinflusst wird. Kein Wunder also, wenn Unwissende so ein Vorurteil entwickeln.

Doch wie immer kann man das nicht auf alles übertragen. In Shojo und Comedy beispielsweise finden wir solche sexuellen und erotischen Aspekte kaum. Da gilt eher die reine übertriebene Unschuld und Liebe. Und um weitere Gegenbeispiele zu nennen: die alten Anime, die mal im deutschen Fernseher liefen wie „Dragon Ball“, „Pokemon“, „Sailor Moon“, „Doremi“ etc. sind eigentlich fast nahezu befreit von solchen sexuellen Anspielungen. Damit schlägt Vorurteil 1 Vorurteil 2, auch sehr praktisch. Ich sage also mal wieder, dass das Vorurteil nicht stimmt. Nicht alle Anime sind Hentais, aber alle Hentais sind Anime. So wird ein Schuh daraus. Es gibt wie gesagt verschiedene Genres und auch Themenfelder, die Animanga abdecken und der sexuelle Bereich ist nur einer von vielen. Dieses Vorurteil verkennt einfach die Themenvielfalt und auch Qualität von den beiden Medien.


Nummer 3: „Manga und Anime sind voller Sexismus.“


Ihr werdet jetzt bestimmt denken, wieso ich eigentlich Nummer 2 wiederhole, aber lest mal genau, Sexismus ist nicht das gleiche wie Pornographie. Es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied in der Form sowie Bedeutung der beiden Begriffe „sexualisiert“ und „sexistisch“. Ersteres meint, dass es sexuelle Handlungen und Elemente gibt, während „sexistisch“ die Diskriminierung eines bestimmten Geschlechts, meist das weibliche, meint. Hat also nicht wirklich etwas mit Pornos zu tun, wie ihr seht. Wie kann dieses Vorurteil erklärt werden? Ich denke mal, dass es stark mit dem zweiten Vorurteil verbunden ist. Und auch bei diesem muss ich leider etwas differenziert schreiben. In Hentais und in Ecchi/Harem-Titeln werden Frauen tatsächlich ziemlich sexistisch behandelt. Sie werden auf ihre sexuellen Reize und ihren weiblichen Körpern reduziert, was Persönlichkeit angeht, die ist meist nicht sonderlich wichtig, wie man es auch aus normalen Pornos kennt. Da hat man sich also als Unwissender gedacht „Hey Manga und Anime sind doch eh nur Pornos, deswegen sind sie auch alle sexistisch!“ Ist doch klar, dass Pornos und Sexismus zusammenhängen, denn es geht ja eigentlich auch nur um Sex. Und weil solche Filmchen sich mehr an Männer richten, die dann gerne Wünscherfüllung betreiben, werden Frauen eben als Objekte, die man nehmen kann, behandelt.

Doch trifft das auf alle Manga und Anime zu? Hier wird es tatsächlich etwas schwieriger. Ich will nicht verallgemeinern und sagen, alle Manga und Anime sind sexistisch. Wie gesagt es ist nicht das Medium, sondern der Inhalt höchstens. Es gibt gewisse Genres, die zu Sexismus neigen wie beispielsweise Hentais, aber auch Ecchi und Harem. Einfach weil in allen drei, aber in unterschiedlicher Ausprägung, weibliche Figuren nur auf ihre Sexualität und körperlichen Reize reduziert werden. Sicher, sie haben schon andere Eigenschaften, aber die stehen weniger im Vordergrund. Ich will mal so sagen, dass es eine gewisse Tendenz gibt und eine gewisse Diskriminierung kann insofern sehen, dass die Mädchen sich für den Protagonisten aufopfern, ihre Würde fallen lassen, bewusst auf sexuelle Reize setzen, um ihm zu gefallen. Sie sind nicht gerade unabhängig. Gerade diese Abhängigkeit von weiblichen Figuren gegenüber männlichen fällt mir nicht nur da auf, sondern auch im Shojo-Bereich. Die Mädchen diskriminieren sich indirekt, indem sie sich minderwertig und nicht genug für ihren Traumprinzen fühlen. Dieser kann die weiblichen Figuren schikanieren wie er will, am Ende ist er ja überhaupt nicht an irgendetwas schuld. Die Mädchen lassen alles mit sich machen, sollen aber gefälligst immer für ihren Prinzen da sein. Das hat für mich schon einige sexistische Tendenzen.

Trotzdem will ich abschließend dazu sagen, dass Anime und Manga nicht grundsätzlich sexistisch sind. Es gibt Genres und Vertreter, die eindeutig Sexismus beweisen, aber die Minderheit kann eben nicht für das große Ganze stehen.


Nummer 4: „Anime/Manga sind reine Realitätsflucht.“


Anknüpfend an einen früheren Beitrag möchte ich zumindest als letztes dieses Vorurteil behandeln. Eine Lehrerin sagte einmal zu mir, als sie mich Manga lesend gesehen hat, dass das doch absolute Realitätsflucht wäre. Das hatte mich zum Nachdenken gebracht. Was bedeutet denn eigentlich Realitätsflucht? Für die meisten bedeutet es, dass man sich von der Wirklichkeit entfernt, dass man in eine andere Welt abtaucht, was ja vollkommen in Ordnung sein kann. Doch der Begriff hat eine eindeutig negative Bewertung in sich. Flucht meint hier nicht die Erlösung von etwas, sondern, dass man vor etwas flieht, vor Problemen, Ängsten. Es ist ein Zeichen von Schwäche, wenn man flieht, so kann man es am besten erklären. Auch andere Animations- und Zeichentrickfilme werden eher als Realitätsflucht angesehen, nur weil sie nicht in der echten Welt spielen. Ich könnte auch behaupten, dass Filme, Literatur und Spiele alle Realitätsflucht bedeuten, weil man ja vorübergehend seine Welt verlässt und in eine andere, fiktionale versinkt. Doch der Unterschied zu Animanga ist bei Filmen und Büchern, dass sie meist Wirklich suggerieren, weil „echte“ Menschen dargestellt werden, besonders im Film und in Serien. In Büchern gehen wir auch davon aus.

Bei Anime und Manga sieht das etwas anders aus. Man mag vielleicht glauben und davon ausgehen, dass sie Menschen verkörpern, aber ich denke, dass man die Figuren nicht als Menschen sehen sollte. Dafür sind sie meist doch zu eindimensional. Sie sind Figuren, die menschliche Eigenschaften widerspiegeln, aber sich teilweise nicht wie echte Menschen verhalten. Sie sind stereotyp und teilweise sehr überzogen. Darüber hinaus glaube ich, dass es auch an der Optik liegt, dass man Anime und Manga eben für unrealistisch hält. Sie spielen eben nicht in der Wirklichkeit, man sieht es ihnen umso mehr an, weil die Figuren wie Figuren aussehen, nicht wie echte Menschen (siehe Frisuren, Gesichter, Haarfarben, Körper etc.).

Ich finde dennoch, dass es keinen zu großen Unterschied zu Filmen und Büchern macht, auch da liegt eine Realitätsflucht vor. Andererseits denke ich mir aber auch, dass die Settings und Geschichten in Anime vor allem teilweise wirklich überzogen, überdreht und unrealistisch sind, dass ich dann doch mehr zu einer Realitätsflucht tendiere. Hier wäre zumindest eine Realitätsflucht stärker vorhanden, weil die Manga und Animewelt etwas weiter entfernt ist von unserer als in Filmen und Büchern.

Warum konsumieren wir eigentlich Anime und Manga? Um unterhalten zu werden. Um fremde Welten zu entdecken. Weil wir abschalten wollen. Ist das dann aber schon Realitätsflucht? Es kommt eben darauf an, wie man das definiert. Eine echte Realitätsflucht auch im negativen Sinne wäre für mich erst dann erreicht, wenn man nur noch in der fiktiven Welt lebt und kein Interesse mehr an der Realität hätte. Man schottet sich ab, soziale Kontakte gehen verloren, man lebt nicht mehr wirklich. Mal ernsthaft, das kann bei jedem Medium passieren und das hängt auch nicht mit Manga und Anime zusammen, sondern immer von den Konsumenten und deren Motivationen. Man kann diese „Funktion“ oder Verwendungsweise eben nicht einfach pauschal auf ein Medium festlegen. Ein Potenzial ist sicher vorhanden, doch jeder kann selbst entscheiden, was er daraus macht. Deswegen halte ich das Vorurteil für falsch, auch wenn ich einige starke Tendenzen in der japanischen Popkultur sehen, die doch verführerisch wirken.



Das war also mein erster Teil zu den Vorurteilen über Anime und Manga. Kennt ihr Leute, die solche Vorurteile haben? Wie geht ihr damit um? Kennt ihr die von mir genannten? Wenn ja wie erklärt ihr euch diese und wie bewertet ihr sie? Ich bin schon gespannt auf eure Antworten. :)





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