Sonntag, 12. Juni 2016

Das Japanische in Manga und Anime








In einem früheren Beitrag habe ich mich bereits damit beschäftigt, warum Manga so faszinierend auf uns Europäer wirken undinternational so populär sind. Dabei ist heraus gekommen, dass es nicht nur daran lag, dass Manga universelle Aspekte und Themen umfassen, die weltweit interessant sind, sondern besonders durch ihre Andersartigkeit heraus stechen. Meine Frage heute ist, inwiefern die besonderen Merkmale von Manga und Anime wirklich japanisch spezifisch sind? Haben sie überhaupt etwas mit dem Herkunftsland zu tun und wenn ja, was könnte sich dahinter weiter verbergen? Dieser Frage möchte ich heute mal nachgehen...

Kawaii und Kindchenschema


Wenn man gefragt wird, was wohl das Besondere an Manga und Anime ist, wird man sofort die Optik das Charakterdesign oder den Zeichenstil im Kopf haben. Keine Frage, Manga und Anime stechen bereits durch das Optische heraus und unterscheiden sich sehr stark von den westlichen Pendants. Die Gestaltung der Figuren fällt meist nach einem bestimmten Schema aus: übergroße Köpfe, mit großen funkelnden Augen, kleinen Nasen, kleinen bis auch großen Mündern, dafür recht schlanke Körper, die jedoch in keinem ordentlichen oder realistischen Verhältnis zum Rest stehen. Wirklich eine sehr eigene spezielle Gestaltung, das muss man schon sagen. Die Figuren sehen doch hauptsächlich sehr niedlich aus und erinnern direkt an das Kindchenschema, wodurch sie glatt noch mehr Sympathiepunkte einheimsen können.

Tatsächlich wissen wir, dass Manga und Anime-Figuren in Japan sehr beliebt sind, nicht nur in Form von Comics oder Filmen, sondern generell den japanischen Alltag bereichern. So wird jede Menge Merchandise rund um erfolgreiche Serien vermarktet, die Figuren tauchen in allerlei Werbungen auf, man findet sie auf Zügen auf Lebensmitteln und selbst in Schulbüchern sind sie eine nette Dekoration. Auch japanische Institutionen machen teilweise Gebrauch von den niedlichen Gestalten. Nicht nur das, auch generell niedliche Tiere und Figuren wie Hello Kitty, My Melody etc. sind überall zu finden. Ich möchte einfach mal behaupten, dass Japaner einfach eine Vorliebe für süße Dinge haben und wenn man mal nachforscht wird man auch genug Beweise finden. In keinem anderen Land wir so viel Wert auf Niedlichkeit gelegt, wird es so gesellschaftlich geschätzt und überall gezeigt wie in Japan. Die Frage ist nun, warum mögen die Japaner niedliche Sachen?

Eine direkte Antwort auf diese Frage kann ich nur schwer finden. Ich sehe nur einige Erklärungsansätze beispielsweise bei den japanischen Mädchen und Frauen, die bewusst auf Niedlichkeit setzen, damit sie bei anderen vor allem dem männlichen Geschlecht besser ankommen. Die machen das sicherlich nicht umsonst, es muss ja einen Grund dafür geben, dass Männer und Jungs so etwas gut finden. Warum das so ist, kann ich nicht sagen, da muss man die werten Herren selbst mal befragen. Ich glaube mich vage daran erinnern zu können, dass diese Niedlichkeit eventuell auch als eine Art Protest oder Widerstand gegenüber dem starren, zugeknöpften Erwachsenendasein diente, bin mir aber diesbezüglich nicht mehr ganz sicher.


Monster


In so gut wie jedem Fantasy-Werk ob Manga oder Anime erscheinen außergewöhnliche, schreckliche oder auch groteske Gestalten übernatürlicher Herkunft. Teilweise sind es Fabelwesen oder Kreaturen oder andere besondere Wesen aus dem europäischen Raum wie Vampire, Werwölfe, Götter, Ghouls, Zombies etc. Doch ich glaube, dass es genauso viele Wesen gibt, die japanischen Ursprung haben. Ich erinnere mal an Inuyasha, Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland, Mononoke, Mushishi oder auch Natsume Yuujinchou, um nur einige Vertreter dieser Sorte zu benennen. Allen ist gemeinsam, dass die Figuren eindeutig aus der japanischen Mythologie oder Religion stammen, auf jeden Fall Sagen- und Legendengestalten sind, die ganz besondere Merkmale haben und sich auch von den europäischen Wesen unterscheiden. Meist sind solche Geschichten auch mit einem entsprechendem fantastischem Setting versehen, die Handlungen spielen im mittelalterlichen Japan, wodurch ein Hauch von Nostalgie und Fantasie mitschwingt.

Beschäftigt man sich mehr mit den einzelnen Fantasiewesen, wird man zu jedem eine Art Hintergrundgeschichte feststellen und dass sie wirklich tief im japanischen Glauben verwurzelt sind. Und hier komme ich nämlich auch zur japanischen Relevanz, denn bis zum 19. Jahrhundert vor der Öffnung Japans dem Westen gegenüber glaubte der Großteil der Bevölkerung tatsächlich noch an solche Wesen wie Kappa, Oni oder Tengus. Es ist nicht so wie in Europa, dass man deutlich zwischen Jenseits und Diesseits trennte, vielmehr herrscht in Japan noch immer dieser Glaube an die Einheit von Natur und Mensch. Göttliches befindet sich nicht nur in Vermenschlichungen, sondern auch in Tieren oder in der Natur selbst. Die Grenzen zwischen dem Realem und dem Fantastischen schienen verschwommen, was auch die ganzen Geistergeschichten und urban legends noch heute beweisen können.

Man muss aber eigentlich nicht weit nachforschen, es reicht schon, wenn man sich die beliebte Spielereihe Pokemon oder Digimon, Yokai Watch (wo es eigentlich noch offensichtlicher ist aufgrund der Yokai) oder eben Godzilla anschauen. Überall dominieren übernatürliche Wesen meist in tierischer Form, die aber nicht vorwiegend erschreckend wirken, sondern durchaus sehr liebenswürdig sein können. Während Godzilla anfangs noch das böse Wesen, das die Menschheit bedrohte, war, veränderte sich das über die Jahrhunderte und mit Zunahme verschiedener Filme, in denen weitere Kreaturen zum Vorschein kamen. Dagegen sind Pokemon in der Regel zahme Wesen, die wir zu unseren Haustieren und Freunden machen und selbst die, die anfangs böse sind, werden meist dann doch gezähmt. Da hat man also den anderen Aspekt von Monstern in der japanischen Popkultur. Es ist doch interessant, dass man in keinem anderen Medium ob westliche Comics, Literatur oder Filme eine so enge Bindung zwischen Mensch und Monster sieht wie in den erwähnten Beispielen.

Besonders an diesem Aspekt lässt sich also nicht leugnen, dass sehr viel japanische Kultur und Mythologie in Anime und Manga integriert ist und somit wirklich ein japanisch spezifisches Merkmal von Animanga ist.


Mecha


Oftmals in der Mangaforschung erwähnt ist das besondere Genre „Mecha“, dass tatsächlich in keinem anderen Medium in dem Masse etabliert ist wie in Manga oder Anime. Sicherlich hat es viele Berührungspunkte zum Science Fiction und Cyperpunk und doch grenzt es sich von den ähnlichen Genres ab. Mecha umfasst kurz gesagt Geschichten, in denen Kinder oder Jugendliche riesige menschenähnliche Roboter steuern müssen, um gegen Aliens oder andere schreckliche Kreaturen zu kämpfen und die Menschheit zu beschützen. Damit ist meist viel Verantwortung verbunden, eine unheimliche Last liegt auf den kleinen Schultern der Helden und sie müssen sich mit Gewissensbissen und ihren Höhen und Tiefen während ihres Entwicklungsprozesses auseinander setzen. Mit in dieses Genre fließen noch andere Aspekte mit hinein wie auch die Entwicklung von Technologien, deren Folgen positiver und negativer Art, die Verantwortung die man mit solchen technischen Erfindungen trägt etc.

Inwiefern nun ist das Mecha-Genre wirklich etwas japanisch Besonderes? Zum einen denke ich, dass es auf jeden Fall spezifisch für den Manga- und Anime-Bereich ist und insofern auch etwas mit Japan zu tun hat, weil dieses Land einfach eines der Vorreiter in Sachen technische Fortschritte ist. Zwar ist Japan nach wie vor auch sehr traditionell geprägt, doch wir wissen doch, dass es bereits schon viele technische Erfindungen und Neuerungen heraus gebracht hat, die unser Leben prägen (allen voran natürlich die ganzen Spielekonsolen und Handys).

Ein weiterer Gedankengang meinerseits wäre wohl auch ein wenig spekulativ, aber denkbar, nämlich, dass Japan sich selbst irgendwie in Form seiner Mecha-Helden als Retter der Welt ansehen. Das kann auf die Geschichte Japans übertragen werden besonders im Hinblick auf den 2. Weltkrieg, in dem Japan sich vor allem als göttliches Land und den Kaiser als Nachfahre der Sonnengöttin Amaterasu gesehen hatte. Das Land hatte sich als etwas Besonderes angesehen, der Samurai-Kodex mit den Werten Disziplin, Kampfbereitschaft, Solidarität und Mut wurden besonders propagiert auch in Form von Manga, die als Propaganda-Mittel missbraucht wurden. Nach der Niederlage jedoch wurden derlei Werke vorübergehend verbannt. Man könnte sagen, dass das Mecha-Genre zusammen mit dem Magical-Girl Genre eine besondere Art von Superhelden-Comics ist wie wir es aus amerikanischen Comics kennen. Im Unterschied dazu aber, verfügen unsere Helden meistens nicht über besondere Fähigkeiten, sondern bedienen sich der Technik, die schon sehr weit voran geschritten ist. Das passt eben wunderbar zum technischen Stand Japans.


Apokalypse und Endzeitszenarios


Ein Thema, dass ebenso oft in der Forschung angesprochen wird, ist das der Apokalypse und der Endzeitszenerios. Wir finden es in unzähligen futuristischen Werken wie Attack on Titan, Psycho-Pass, Ghost in The Shell, Ergo Proxy etc. Im Kern wird auf das Ende der Menschheit oder eben auf schlechte Lebensbedingungen der Menschen verwiesen. Die Menschen müssen um ihr Überleben kämpfen oder werden von einem System kontrolliert und beherrscht oder es herrscht eben überall Chaos. Auf jeden Fall haben diese Geschichten meist einen ernsteren Ton, manchmal sind sie sozialkritisch, teilweise auch brutal gewalttätig und dadurch eindringlich erzählt. Auch hier sehe ich die Verbindung zu Japan hinsichtlich der Geschichte, der Niederlage Japans im 2. Weltkrieg und vor allem bezüglich der Atombombenvorfälle in Hiroshima und Nagasaki, was Japan zu einem besonderen „Opfer“ gemacht hatte. Mit den Geschichten könnte gewissermaßen die eigene schlimme Vergangenheit, die Kriegserlebnisse und Verluste verarbeitet werden. Wahrscheinlich können sich die Japaner aber nicht wirklich davon lösen und greifen diese Themen immer und immer wieder auf.


Differenzierung von Manga und Anime nach Geschlechtern


Ich hatte schon einmal davon geschrieben, dass Manga sich besonders dafür aufzeichnen, dass es für jede Altersgruppe und für jedes Geschlecht etwas dabei ist. Es haben sich mit Shojo und Shonen, Seinen und Josei wirklich geschlechtspezifische Genre oder eben Kategorien ausgebildet, die sich deutlich optisch und inhaltlich voneinander unterscheiden. Während Shojo und Josei mehr auf Emotionen und auf Beziehungen wie auch Liebe fokussiert sind, sich mehr Raum für die Entwicklung der Persönlichkeit nehmen, generell weniger Handlung aufweisen und mehr im realitischen Setting verweilen, sind es meist Werke aus dem Shonen und Seinen Bereich, die das Realistische übersteigern. Natürlich wird nicht alles in Shojo und Josei glaubwürdig dargestellt, im Gegenteil hier wird auch viel übertrieben und idealisiert, doch es bewegt sich einigermaßen im glaubwürdigen Rahmen. Dagegen haben die Protagonisten im Shonen und Seinen Bereich doch mehr übernatürliche Kräfte, Freundschaft, die Entwicklung der eigenen Fähigkeiten, Kämpfe gegen Gegner und Bösewichte dominieren, wodurch diese Geschichten recht actionlastig und sehr dynamisch sind. Emotionen und innere Entwicklungen kommen weniger zum Tragen, dafür werden eher äußere Tätigkeiten in den Fokus gebracht. Eng verbunden mit den beiden Genres sind weitere wie Fantasy, Material Arts, Action und Abenteuer.

Man sieht also klar, warum diese vier Genres geschlechtspezifisch sein sollen, weil sie eben auf diese Geschlechterrollen und Klischees verweisen. Frauen, die doch mehr auf Beziehungskram, Liebe und Emotionen stehen, dagegen Männer, die hart im Nehmen sind, eher Action und Kämpfe bevorzugen. Sicherlich sind solche Vorstellungen nicht direkt japanisch spezifisch, sondern finden sich eigentlich in fast jeder Kultur also universell und doch ist es in Japan doch noch ein wenig anders. Denn hier sind die traditionellen Geschlechterrollen noch immer sehr stark vorhanden, es wird immer noch von der Frau verlangt, dass sie sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, während der Mann das Geld verdient. Sicherlich gibt es schon viel mehr arbeitende Frauen, doch von Akzeptanz oder Gleichberechtigung ist man in Japan im Gegensatz zu Europa oder Amerika weit entfernt. Frauen sollten am besten passiv sein, Männer unterstützen, können sich kaum zur Wehr setzen, während Männer die aktiven und dominanten sind.

Daher frage ich mich, ob diese Tatsache auch durch Anime und Manga widergespiegelt wird? Und tatsächlich denke ich erkennt man so einige Ansätze in diese Richtung. Nehmen wir doch einfach mal Shojo und Shonen im Vergleich. In Shojo haben wir meist durchschnittliche Mädchen, die wirklich ziemlich zurück haltend sind, naiv und kaum Selbstbewusstsein haben wohingegen die Jungs doch eher die sind, die aktiv werden, sexuell erfahrener sind und mit den Mädchen machen können, was sie wollen. Die Mädchen wollen es ihren Traumprinzen immer recht machen, ganz oft sieht man das Klischees, dass die Mädels Bentos für ihre Lieblinge machen, für sie kochen und sie wie eine Hausmutter umsorgen wenn es ihnen schlecht geht.

Selten trifft man auf Exemplare in denen es anders herum ist und das Mädchen den Jungen herum kommandiert oder? Und in Shonen stehen ja die Jungs und Männer im Vordergrund, die immer total kampfbereit sind, immer weiter trainieren und die männlichen Tugenden von Mut, Kampfbereitschaft, Coolness etc. verinnerlicht haben. Sie geben niemals auf und sterben sogar für das Gute. Und was ist mit den weiblichen Figuren? Ist euch schon mal aufgefallen, dass diese doch meist eher im Hintergrund sind, meist nur als Liebesobjekte dargestellt werden, nettes Beiwerk sind vor allem für Fanservice. Es gibt zwar einige wenige starke Frauenfiguren und selbst die müssen auch mal beschützt werden. Die meisten Frauencharaktere sind dann aber doch den Kerlen deutlich unterlegen.

Ganz zu schweigen von den Figuren aus dem Harem/Ecchi oder Hentaibereich, die sowieso gar keine Rechte oder Persönlichkeiten haben, sondern nur existieren um männliche Gelüste zu befriedigen, um es mal überspitzt zu sagen. Hier sieht man doch auch eine Verbindung zu Japan wo man oft genug von sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz oder im Zug hört, man glaubt am Ende wirklich, dass es in Japan besonders viele Perverse und Pädophile gibt, was sicherlich nicht der Wirklichkeit entspricht.


Weitere besondere Genres aus dem Manga und Anime-Segment (Shojo Ai, Shonen Ai, Yaoi und Yuri)

Schaut man sich noch weitere Genres an, wird man noch auf andere ausgefallene Kategorien treffen, die man so in keinem anderen Medium hat.

Zuerst möchte ich all die Genres benennen, die etwas mit Liebe und Sexualität zu tun haben also Shojo Ai, Shonen Ai und die ganz krassen Genres Yaoi und Yuri. Ist doch unglaublich, dass Japaner nicht nur zwischen Geschlechtern sondern auch sexueller Orientierung unterscheiden oder? Warum eigentlich haben sich diese Genres überhaupt entwickelt und warum sind sie denn so beliebt? Hat diese besondere Widmung der sexuellen Vorlieben irgendetwas mit Japan speziell zu tun? Außerdem was hat es auf sich mit der Unterscheidung zwischen der rein unschuldigen Liebe in Shojo und Shonen Ai und der sehr sexuell expliziten Liebe in Yaoi und Yuri? Wieso macht man da Unterscheidungen?

Aus all dem kann man herleiten, dass Japaner es einfach mögen, wenn alles ordentlich sortiert ist und wenn es klare Zuordnungen gibt. Wenn die Manga nach Genre sortiert sind, findet jeder etwas für seine Bedürfnisse, man behält einfach den Überblick und weiß, was einen erwartet. Das hat sicherlich viele Vorteile. Andererseits führt das auch immer wieder zu Diskussionen inwiefern nun das eine Genre zutrifft oder nicht oder eben auch zu Klischees und Vorurteilen, weil man ein Werk einfach nicht lesen will, nur weil es das Label Yaoi oder Yuri hat. Die Eigenständigkeit eines Werkes unabhängig von seiner Genrezuordnung wird dadurch eingeschränkt, so viel sei gesagt. Jedenfalls um zurück zu meiner Ausgangsfrage zu kommen, warum gibt es besonders in Manga und Anime diese starke Beschäftigung mit der Liebe und Sexualität?

Ich vermute mal, dass es vielleicht einfach damit zu tun hat, dass Japaner so etwas wie Emotionen, Sexualität und Liebe einfach weniger öffentlich diskutieren, weil es einfach in den privaten Bereich gehört. In Japan halten sich Pärchen sehr zurück und dürfen nicht mal im trauten Heim ihre Liebeleien intensiv genießen, weil die Wände einfach zu dünn sind. Generell ist man in Japan vorsichtig, wenn man über Emotionen reden möchte, alles wird unter einem Deckmantel der Verschwiegenheit versteckt. Doch irgendwie muss man sich doch damit befassen nicht wahr? Warum also nicht in Form von fiktiver Geschichten also durch Manga und Anime, die sowieso keinen Wirklichkeitsanspruch haben?

Man versucht also irgendwo diese Verschwiegenheit gegenüber solchen Themen zu kompensieren, weil man in solchen Werken durchaus kann, was zu einem Überschuss führt. Was denkt ihr? Ist daran etwas dran? Oder eine andere Theorie wäre, dass Japaner generell fantastisch gegenüber Liebe und Sexualität sind und deswegen besonders gerne davon erzählen. Durchaus gibt es in Japan sogar so etwas wie Liebeserklärungen, die wir aus Shojo kennen, Liebe wird einfach gerne idealisiert, man lässt sich Zeit damit, will alles romantisch machen. In Sachen Sexualität dagegen sind die Japaner glaubt man Umfragen und Studien eher im hinteren Bereich. Liegt vermutlich an ihrem Arbeitsethos und vielleicht auch etwas an ihrer Unerfahrenheit bzw. Hemmungen bezüglich der eigenen Sexualität? Ich bin kein Psychologe um irgendwelche Feststellungen machen zu können. Daher betone ich an dieser Stelle, dass das nur subjektive Ansichten sind. Darüber könnt ihr gerne mit mir diskutieren. Vielleicht haben diese Genres auch gar nichts speziell mit Japan zu tun?



Harem und Ecchi – Fanservice

Verbunden mit diesem Aspekt möchte ich auch kurz auf die anderen zwei Genres Harem und Ecchi eingehen. Wir wissen es ja alle, dass es diese zwei dominanten Vorurteile gibt: Entweder werden Anime und Manga als Kinderkram oder als sexuell moralisch verwerflich abgewertet, was beides auf Unwissenheit und auch Verallgemeinerung zurück zu führen ist. Durchaus ist ein großer Teil an Animanga für Kinder gedacht, doch es gibt noch mal ein spezielles Genres, dass sich an Grundschulkinder richtet. Und ja auch Hentai, Harem und Ecchi haben viele sexuelle Komponente, aber das sind eben spezielle Untergattungen von Anime und Manga, die Bandbreite an Genres ist genauso vielfältig wie bei anderen Medien. Ist ja auch unsinnig alle Romane und Filme auf Erotikbücher oder Pornos zu reduzieren oder nicht? Ich kann mich nie genug darüber beschweren, wie unsinnig solche Vorurteile sind, aber das liegt eben in der Natur der Sache. Jedenfalls ist es dennoch wichtig zu erkennen, dass diese Genre Harem und Ecchi wirklich besondere sind, die wir sonst in anderen Medien nicht finden. Klar Elemente vom Harem oder eben auch sexuellen Anzüglichkeiten finden sich überall in jeder Kultur, und doch gibt es in keiner wirklich feste Genres dafür und auch Schemata. Ist dann denn nun Manga- und animespezifisch oder gar sogar japanisch spezifisch?

Auch hier vermute ich, dass die Japaner mit ihren Genres etwas auszugleichen versuchen, ihre sexuellen Fantasien irgendwie in fiktionaler Form auszuleben, wenn es im realen Leben nicht so funktioniert. Außerdem sehe ich ebenso den feministischen Ansatz, dass dies auch auf die Geschlechterbilder Japans verweist, bei dem die Frau nun mal eben doch gerne eher als Beiwerk angesehen wird, als etwas Begehrenswertes nicht mehr und nicht weniger und davon zeugen ja auch die Geschichten aus dem Harem- und Ecchi-Bereich. Keiner kann mir sagen, dass die weiblichen Figuren besondere Persönlichkeiten oder ein Eigenleben hätten, sie dienen einfach nur dem Fanservice. Punkt. Und überhaupt der Fanservice ist doch etwas ganz besonderes, wobei in der ganzen Welt inzwischen das Prinzip „Sex sells“ in aller Munde und in der Werbung zu finden ist. Doch beim Fanservice im Manga und Anime Bereich wird maßlos, wie ich finde, übertrieben, dass nicht mal mehr wirklich Substanz zu finden ist.


Magical Girl


Ebenso wie auch das Mecha-Genre scheint mir das Genre „Magical Girl“ ein besonderes Merkmal bei Animanga zu sein. Oder kennt ihr es aus Literatur oder Film, dass normale Mädchen durch magische Zaubergegenstände auf einmal wunderbare Kräfte besitzen, sich in Teams zusammen finden und dann gegen Bösewichte kämpfen um die Welt zu bewahren? Ich für meinen Teil nicht. Doch ist das jetzt nun wirklich etwas besonderes, was mit Japan auch verbunden ist?

Wie so oft, kann ich nur Vermutungen anstellen. Ich denke mal, dass man eine Erklärung wieder einmal bei der Gender-Theorie findet, sprich in Kurzform die Emanzipation der Frau betont wird. Früher waren es doch eher die Männer und Jungs, die in solche Heldenrollen geschlüpft sind, bis irgendwann auch das Shojo Genre sich revolutionierte und immer mehr weibliche Mangaka eben auch ihre Werke heraus brachten. Das ging einher mit gesellschaftlichen Veränderungen in Japan und der zunehmenden Gleichstellung der Frauen, die nicht mehr einfach nur passiv sein wollten. Viele weibliche Mangaka sagen auch im Zeichnen ihre Chance sich selbst zu verwirklichen und den männlichen Kollegen eben zu beweisen, dass sie genauso erfolgreich sein konnte. Jedenfalls denke ich, dass Magical Girl-Werke einfach ein Symbol für die weibliche Emanzipation schlechthin sind auch wenn man da etwas differenzieren muss.
Auch wenn die Figuren in der Lage sind gegen Gegner zu kämpfen, brauchen sie meist Hilfe in Form ihrer magischen Waffen und ihrer übernatürlichen Begleiter wie auch den männlichen Beschützern, die immer mal wieder eine Rolle spielen. Ganz unabhängig sind die Protagonistinnen nun also doch nicht, aber es ist schon mal eine gewaltige Neuerung. Ähnlich wie das Mecha-Genre ist auch das Magical-Girl-Genre der japanische Gegenpart zu den amerikanischen Superhelden-Genre, nur dass man hier eben Mädchen hat, die nicht in Mechas sitzen, sondern eben magische Kräfte verliehen bekommen, was sie doch mehr in Richtung Superhelden rückt, doch identisch sind die beiden auch wieder nicht.


Slice of Life

Ein letztes Genre, was ich heute besprechen möchte, wäre „Slice of Life“, wobei der Begriff an sich schon ziemlich offen und zu diskutieren wäre. Was ist damit gemeint? Slice of Life findet man in solchen Werken, in denen es um den Alltag geht, die meist keinen richtigen roten Faden oder eine wirkliche Story haben. Es sind meist Geschichten bestehend aus mehreren Episoden, die nicht unbedingt zusammen hängen. Präsentiert wird uns der Alltag der Figuren aus verschiedenen Sichtweisen. Es geht einfach um das „Alltagsfeeling“ gepaart meist mit Comedy oder eben einer recht entspannten Atmosphäre. Es geht um Probleme und Verwirrungen des Alltags, doch in die Tief geht es dabei nicht. Meist tun die Figuren nicht wirklich etwas Besonderes, weswegen solche Geschichten an sich auch nicht spannend sind, sie haben doch eher ein schleppendes Tempo inne. Inwiefern hat das was mit Japan zu tun? Ich glaube, dass es etwas mit der japanischen Mentalität zu tun hat, denn ich glaube mal gelesen zu haben, dass Japaner es lieben im Augenblick zu verweilen.

Einen Beweis wird dadurch geliefert, dass Manga im Gegensatz zu westlichen Comics weniger handlungsfokussiert sind, sich dafür Zeit lassen Episoden und Handlungen in kleinere Teile zu zerlegen oder eben auch gerne mal einen Augenblick aus verschiedenen Perspektiven zu zeigen. Das führt zu einer Verlangsamung und auch zu einer Art Zeitlosigkeit. Zu sehen ist das in Bildern in denen komplette Stille vorliegt, in denen eine Tätigkeit eben in verschiedene Bilder gegliedert wird, die Atmosphäre durch Landschaftsbilder transportiert wird. So etwas findet man wirklich kaum in westlichen Comics. Und gerade in Slice-of-Life Werken ist das ja auch ähnlich. Es geht gar nicht so sehr um Schnelligkeit oder dass etwas Großartiges passiert, es geht um die Stimmung, um das im Augenblick verweilen und das Genießen des Lebens. Deswegen schaue ich mir solche Sachen gerne an, einfach um zu entspannen und abzuschalten. Das steht natürlich im krassen Gegensatz zur Schnelllebigkeit und Hektik im japanischen Alltag, was ja irgendwie widersprüchlich wirkt. Ich denke mal, dass besonders die ältere Generation und Kinder mehr im Augenblick leben als die Jugendlichen und Erwachsenen in Japan.



Das war der erste Teil zu meiner kurzen Reihe über die spezifisch japanischen Aspekte in Anime und Manga. Ich hoffe, dass ich euch einige interessante Aspekte und Ideen vermitteln konnte und freue mich über jegliche Anmerkungen, Diskussionen und Verbesserungsvorschläge. Was haltet ihr allgemein von der ganzen Thematik, würdet ihr bei bestimmten Aspekten etwas anderes sagen? Wenn ja nur zu, Kritik ist ebenso gern gesehen.


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