Sonntag, 9. November 2014

Gelesen: Emma



Inhaltsbeschreibung:



Als Emma, noch ein junges Mädchen, beinahe als Freudenmädchen an ein Bordell verkauft wurde, wurde sie von der ehemaligen Lehrerin Kelly Stowner als Hausmädchen eingestellt, die ihr dadurch einen Neuanfang gewährte. Eines Tages erscheint William, ein junger Mann aus reichem Hause und ehemals Schüler von Kelly Stowner und verliebt sich auf den ersten Blick in das hübsche Dienstmädchen. Von Anfang ist klar, dass diese Liebe in einer Gesellschaft in der die Standesschranken nicht überwunden werden können, zum Scheitern verurteilt ist. So verliebt sich Emma immer mehr in diesen charmanten, wenn auch manchmal tollpatschigen jungen Mann und es stellt sich die Frage, ob sie dieser Liebe eine Chance geben möchte oder sich dagegen entscheidet ...



Meine Meinung:

Da ich in letzter Zeit ein reges Interesse an dem Viktorianischen Zeitalter habe, bin ich relativ schnell auf diesen Manga gestoßen, der sich gerade in dieser Ära abspielt. Ich wollte einfach mal einen Manga haben, der nicht in der Moderne spielt; ich wollte in die Vergangenheit reisen und mich von diesem Setting mitreißen lassen. Für mich war der Manga insofern viel versprechend, weil die Protagonisten recht erwachsen waren und ich mir auch erhofft hatte, dass ich „erwachsene Liebe“ zu Gesicht bekomme, was ich in anderen Romance-Manga sehr vermisse. Natürlich war ausschlaggebend, dass diese Liebe problematisch war, da diese mit Standesunterschieden und anderweitigen Komplikationen verbunden war. Zunächst einmal muss ich ehrlich zugeben, dass die Ausgangssituation alles andere als originell gestaltet ist: Wir haben die typische Thematik, dass sich zwei Figuren ineinander verlieben, die nicht unterschiedlicher sein könnten, die beide Extreme der Gesellschaft repräsentieren nach dem Motto: „Aschenputtel trifft Prinz“. Das hat man anderweitig sehr oft bereits gesehen und ist auch alles andere als wirklich realistisch. Zumal es eben doch „Liebe auf den ersten Blick“ war und das nicht gerade selten in Manga oder anderen Kitschromanen als Ausgangspunkt für die Romanze genommen wird. Was hat „Emma“ in der Hinsicht aber anders gemacht? Warum war ich trotzdem von der Geschichte gefesselt, obwohl alte, bereits bekannte Elemente vorhanden sind?

Zum einen verliebt sich Emma nicht zuerst, wie es meist der Fall ist, sondern der Mann, der liebe William, verliebt sich Hals über Kopf in die eigentlich recht unscheinbare Frau. Auch so eine Sache, die ich arg seltsam fand war, dass Emma in meinen Augen alles andere als wunderschön war, vielleicht im Verhältnis zu anderen Hausmädchen. Für mich sah sie relativ durchschnittlich aus, eben eine graue Maus, nicht mehr und nicht weniger. Aber ich kenne mich mit den Schönheitsidealen aus dieser Zeit nicht wirklich aus um das beurteilen zu können. Jedenfalls geht am Anfang alles von dem jungen Herrn aus, der ihr immer wieder Avancen macht und alles versucht, um ihr Herz zu erobern. Anfangs bemerkt Emma das nicht, doch langsam aber sicher bahnen sich auch bei ihr romantische Gefühle an. Im Gegensatz zu anderen Manga verliebt sich doch die Heldin immer recht schnell in den Protagonisten, doch in diesem Manga hat man der Liebe etwas mehr Entwicklung gegeben. 


Doch nicht alles ist eitel Sonnenschein, als beide merken, dass sie Liebe füreinander empfinden. Die beiden können sich nicht einfach ihrer Liebe hingeben, durch brennen und alles hinter sich lassen, wie es sich vielleicht in unserem Kopfkino abspielen würde. Die Umgang mit der Liebe weist viele Schwierigkeiten auf und um diese geht es eigentlich im gesamten Manga. Zum einen steckt Emma selbst in dem Dilemma, findet sich nicht gut genug für William und wünscht sich, dass die beiden sich nie getroffen hätten. Als sie dann plötzlich London verlässt, um in einem anderen Haushalt eine Anstellung zu finden, könnte man den Eindruck erhalten, dass die Liebe ihr Ende gefunden hat. William auf der anderen Seite muss sich von seinem Vater unter Druck setzen lassen, der ihm mit Enterben und Verachtung seitens der Gesellschaft droht. Die Trauer und Verzweiflung, die in ihm aufkeimt, als er erfährt, dass Emma geflohen ist, bringt ihn dazu einer anderen jungen Dame einen Heiratsantrag zu machen. Natürlich macht er das nicht freiwillig, aber er will nur den Erwartungen der Gesellschaft gerecht werden. Im Übrigen fand ich das nicht besonders toll von William, da er auch mit den Gefühlen der jungen und liebenswürdigen Dame spielte. Doch das macht die Figur doch ein wenig plastischer, weil William eben nicht immer ein Gentleman ist, sondern auch negative Facetten aufweist. Immer wieder sieht man, wie er selbst sehr wütend wird, diese Wut auch mal an ander aus lässt, zweifelt und unsicher ist. Man kann seine Situation und auch seine Gefühle gut nachvollziehen. Gleichfalls schaut dies bei Emma so aus, die nach außen hin immer sehr ruhig ist, kaum spricht, sondern alles für sich behält. Als sie dann in ihrer neuen Umgebung anfängt zu arbeiten, beginnt sie langsam sich zu öffnen und blüht förmlich. Sie ist so strebsam, total höflich und in denkt immer zuerst an das Wohl der anderen. Außerdem weiß sie, was ihr zu steht und was nicht, sie hat also ein Gewissen und Moral entwickelt und ist meiner Meinung nach wirklich sehr vorbildlich. Eigentlich gibt es an ihr nicht wirklich was zu meckern, weswegen die Figur vielleicht etwas langweilig daher kommt. Sie ist wie ein Engel, absolut rein und unschuldig. Manchmal hat mich das an ihr genervt, aber im Großen und Ganzen fand ich sie und auch William recht sympathisch.


Beide Protagonisten fliehen nicht gemeinsam, sondern wissen, dass diese Liebe eigentlich keine Zukunft hat und versuchen die gesellschaftlichen Ansprüche irgendwie zu erfüllen. Das war im Viktorianischen Zeitalter Gang und Gebe und so ist es nicht verwunderlich, dass die beiden sich so verhalten. Ich fand das übrigens recht glaubwürdig und gerade dieser Realitätsbezug machte für mich den Manga besonders schmackhaft. Genau das war es was ich wollte: Ich wollte eine tragische Liebe haben, die relativ glaubwürdig ist und die sämtliche, wirklich ernst zu nehmende Probleme bekämpfen muss, bevor die Liebe tatsächlich verwirklicht werden kann. Nicht solche Highschool-Liebesdramen, die gar nicht wirklich dramatisch waren. Außerdem wollte ich Figuren haben, die ebenfalls glaubwürdig handeln und sich im Laufe der Handlung weiter entwickeln. Dies war teilweise vorhanden und ich konnte in den meisten Fällen auch recht gut nachvollziehen, warum die Figuren so handelten und nicht anders.


Wenn man so will war die Liebe zwischen Emma und William auch nicht unbedingt immer im Fokus, sondern wurde teilweise in den Hintergrund gedrängt. Als Emma nämlich London hinter sich ließ und bei einer neuen Familie arbeitete, ging es vordergründig eher um die Hausarbeiten und den Alltag eines Hausmädchens. Parallel dazu wurde uns vor Augen geführt, was William währenddessen tut und wie es ihm ergeht. Das Motiv Sehnsucht und das gegenseitige aneinander denken wurde in diesen Kapiteln besonders hervor gehoben und das war ebenfalls etwas, was ich nicht so oft in anderen Manga gelesen habe. Das Ganze wurde an die Spitze getrieben, als die beiden sich wieder sehen und sich von da an immer wieder Briefe schreiben. Wenn das nicht romantisch ist, weiß ich auch nicht. Es war wirklich total rührend, was die beiden sich schrieben und wie sie ihre Sehnsucht äußerten. Das hat einen als Leserin selbst richtig mitgenommen.

Doch trotz der Probleme und Intrigen, die den beiden Helden zu schaffen machten, fand das Liebespaar sein Glück. Das Ende ist ein Bild für die Götter, alle sind super fröhlich und es gibt wirklich nichts mehr, was dem Glück der beiden im Wege stehen kann. Genau so ein Ende erwarten die Leser natürlich, ich persönlich fand es gut, aber auch ein wenig zu kitschig. Man wusste von vornherein, dass die beiden zusammen kommen, die Frage, die man sich nur stellte war, WIE kommen sie zusammen. Und die Art und Weise, wie das Paar endlich ihr Glück erreichen konnte, war doch mal etwas anders als in anderen Manga. Es zog sich etwas in die Länge, aber ich mochte lieber solche Liebesgeschichten, die Zeit brauchen, als welche, die viel zu schnell sind.


Was ich eben toll fand war, dass nichts in dem Manga vereinfacht wurde, vielmehr hatte man das Gefühl, dass alles recht kompliziert war, was wohl der Wirklichkeit entsprechen durfte. In der Gesellschaft konnte sich solch ein Pärchen niemals blicken lassen und wenn doch, war es für sein Leben gezeichnet. Ein Hausmädchen wurde von den Eltern ihres Geliebten gar nicht erst anerkannt und ggf. auch einfach beseitigt. Den Protagonisten ließ man auch nicht alles durchgehen, eine Affäre wäre vielleicht noch zu verkraften, aber wenn er es ernst meinte, wurde er eben auch mal aus der Familie verstoßen. Wie der Manga öfter mal betont leben im Viktorianischen England zwei Klassen: Auf der einen Seite die wohlhabenden und reichen und auf der anderen Seite, diejenigen die in Armut leben und niemals einen sozialen Aufstieg erfahren dürfen. In meinen Augen ist das zwar etwas zu pauschalisiert, da ich der Auffassung bin, dass es durchaus auch noch anderweitige Klassen gab, aber auf die beiden Protagonisten trifft dies zu. Zumal man in dem Manga den Alltag der Reichen als auch der Armen, den Dienern, miterleben darf, was ich gut fand. Der Manga ist nicht nur ein Porträt einer verbotenen, komplizierten Liebe, sondern auch Porträt der Gesellschaftsverhältnisse zu dieser Zeit und zeigt uns wie die Viktorianer mit Liebe und Ehe umgegangen sind. Auch bietet uns der Manga einen guten Einblick darin, welche Werte und Normen zu dieser Zeit galten. Gut fand ich außerdem, dass man beiden Protagonisten angesehen hat, wie sie mit ihren Entscheidungen haderten und eben zwischen individuellen Sehnsüchten und gesellschaftlichen Ansprüchen hin und her gerissen waren.


Schlussendlich haben beide viele Anstrengungen auf sich genommen, um endlich zusammen zu sein. Emma beispielsweise hat ihr Dienstmädchen-Dasein an den Nagel gehängt und versucht die gesellschaftlichen Konventionen zu erlernen und eine wirkliche Dame zu werden, damit sie eher von der Gesellschaft akzeptiert wird. Aus heutiger Sicht würden wir dies nicht mehr bejahen, da man in unserer Gesellschaft auf Selbstverwirklichung und Individualität baut, doch zu dieser Zeit waren die gesellschaftlichen Zustände eben komplett anders. Da musste man sich eben in dieses Korsett zwingen, auch wenn es nicht das war, was man wollte. Doch gerade diesen Zeitgeist spiegelt der Manga gut wider. Es wäre einfach zu unrealistisch gewesen, wenn Emma, so wie sie ist, mit William zusammen gekommen wäre. Sie musste sich erst mal die Akzeptanz der Gesellschaft verdienen, um für William geeignet zu sein.



Bezüglich des Zeichenstils kann ich sagen, dass dieser wohl nicht jedem Leser gefallen dürfte. Die Figuren sehen relativ realistisch aus und kommen auch ohne große Schnörkelei und riesige Kulleraugen aus. Gerade dieser saubere und klare Zeichenstil wirkte auf mich recht realistisch und passte sehr gut zu diesem Setting. Außerdem hat die Mangaka wirklich einen einprägsamen, markanten Zeichenstil und ich fand besonders die weiblichen Proportionen sehr gelungen. Die Figuren mögen im Vergleich zu anderen Manga-Figuren eher mollig und gut gefüllt wirken, aber das war zu dieser Zeit eben üblich und galt auch als schön. Für mich wirkten die Figuren anatomisch realistisch und besonders die weiblichen, nackten Körper, die man manchmal erblicken konnte, sahen echt gut aus.
Schön fand ich besonders die Hintergründe und wie detailliert diese und auch die Kleidung der Figuren ausgestaltet wurden sind. Man erkannte, wie sehr sich die Mangaka bemüht hatte, alles so realistisch wie möglich zu gestalten. Ich habe sogar irgendwo gelesen, dass sie selbst nach London gereist ist, um die realen Schauplätze als Vorlage zu verwenden und so detailgetreu wie möglich zu zeichnen. Hut ab an diese begabte Zeichnerin! Man fühlte sich wirklich direkt in dieses Zeit zurück versetzt und das schaffte eine tolle Atmosphäre und gab dem Manga Authentizität.



Fazit:
Schlussendlich kann ich diesen Manga wirklich jedem empfehlen, der sich glaubwürdigere, erwachsene und vor allem tragische Liebesgeschichten zu Gemüt führen möchte. Lasst euch nicht von dem relativ kitschigen und klischeehaften Anfang abschrecken, glaubt mir, der Manga entwickelt langsam aber sicher Tiefe und nimmt sich für die Liebe Zeit. Ich kann den Manga allen Liebhaber der Viktorianischen Zeit ebenso sehr ans Herz legen, denn man erfährt wirklich einiges Interessantes aus dieser Zeit und spürt im gesamten Manga diesen besonderen Zeitgeist.


Bewertung:
Geschichte: 4/5
Zeichenstil: 3/5
Insgesamt: 3,5/5


2 Kommentare:

  1. Ich kenne den Anime nur, und auch bisher lediglich die erste Staffel, doch ja, es war ein interessantes Setting, es erinnerte mich auch dank des nüchternen Stils an Klassiker wie "Anne mit den roten Haaren" oder "Eine fröhliche Familie" . Es ist wirklich so gewesen: Reich und Arm das ging damals nicht, wenn William sie heiraten würde so würde ihn ja auch niemand einstellen, und mal ehrlich: Er ist ein typischer Adeliger, nett aber kann nicht richtig arbeiten, er schreibt und organisiert, aber selber anpacken ist weniger sein Ding ^^

    Ja Emma selber ist keine Schönheit, aber vielleicht ist es auch ihre bescheidene und sachliche Art die sie Anziehend macht, das spricht auch Männer an. Wobei ich es auch etwas unrealistisch fand das dieser Inder sich auch in sie verguckt hatte *G*

    Toll fand ich auch den Kristallpalast, den es damals tatsächlich gab! Schade das er dann im Krieg zerstört wurde.

    Ein guter Bericht, muss wohl auch endlich mal staffel 2 sehen

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    1. Ich fand den Manga gerade deswegen so spannend und interessant, weil der so einen historischen Bezug hatte. Zumal ich ja sehr an dem Viktorianischen Zeitalter interessiert bin. ;)
      Stimmt William kann nicht wirklich anpacken, aber dafür wurde er auch nicht erzogen. ^^ Arbeit wurde immer als etwas gesehen, was nur untere Bevölkerungsschichten machen und was sich für Adlige oder Bürger nicht ziemt. Kein Wunder also, dass William diese Vorstellung widerspiegelt.

      Ja vielleicht war das Schönheitsideal früher anders und ich meine auch irgendwo gelesen zu haben, dass sich die Frauen weniger bis gar nicht schminkten, weil sie ihre Natürlichkeit hervor heben wollten. Geschminkt haben sich nur Prostituierte und Schauspielerinnen und Emma gehört ja zu keine der Berufsklassen. Ja das mit dem Inder fand ich auch etwas unglaubwürdig, aber wer weiß, was da für schön angesehen wird. xD Dass sich alle in die unscheinbare Maid verlieben, naja musste halt sein, damit es ein wenig kritisch wird, aber Emma hat sich davon nicht verwirren lassen.

      Genau der Kristallpalast wurde echt gut gezeichnet. Wäre da auch gerne mal gewesen. :)

      Den Anime kenne ich selbst nicht und ehrlich gesagt finde ich, dass der mich optisch nicht so anspricht. Da gefällt mir das Optische im Manga wesentlich besser. Deswegen kann ich dir nur den Manga empfehlen, zu mal der sicherlich mehr in die Tiefe geht. ;)

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