Sonntag, 30. Juni 2013

Japanische Märchen


In diesem Beitrag geht es um ein Stück japanischer Literatur - japanische Märchen. "Okay, Märchen..." denkt ihr euch, nicht wahr? Wenn man dieses Wort hört, gleitet man sofort in seine Kindheit zurück, in der Mama und Papa einem hin und wieder Märchen erzählt haben. Aber auch wenn man denken könnte, dass Märchen nur etwas für Kinder sind, sollte man auf jedenfall mal einen Blick in japanische Märchen werfen, vor allem die Japanfans unter euch. ;) Märchen sind zwar vom Aufbau her sehr einfach gemacht, können aber auch noch junge Menschen und Erwachsene mit ihren Botschaften erreichen. Besonders japanische Märchen wissen, wie sie überraschen können. Denn sie bieten weitaus mehr als nur den üblichen Inhalt wie wir es aus den europäischen/deutschen Märchen kennen; sie zeigen uns ein Stück der japanischen Kultur, Mythologie und Geschichte...




Herkunft von japanischen Märchen

Erste Aufzeichnungen von mündliche verbreiteten Märchen finden sich bereits im 6. Jahrhundert wieder, dazu jener Zeit die chinesische Schrift von Korea nach Japan vermittelt wurde. Ein Großteil der Motive/Themen, die in den Märchen realisiert worden sind, finden sich in "Kojiki" und im "Nihon Shoki".

Im Jahre 820 wurde auch das "Nihonkoku gembo zenaku ryoki" geboren, das als älteste Sammlung japanischer buddhistischer Legenden mit märchenhaften Zügen bekannt ist. Den Titel kann man mit "Aufzeichnungen über wunderbare und seltsame Begebenheiten bei der Vergeltung von Gut und Böse im diesseitigen Leben im Lande Japan" übersetzen.

Märchenstoffe sind auch in älteren Familienchroniken anzutreffen, die beabsichtigen, als Beweis für eine höhere Herkunft eines Ahnen der Familie zu dienen.


Zwischen 901 und 957 findet sich der Ursprung des "Taketori monogateri", indem ältere Märchenmotive aufgenommen und neu umgesetzt worden sind. Eines der ältesten namentlich festgehalteten Märchen ist "Die Bambusprinzessin", welche um 900 entstanden und aufgeschroeben wurde. (hierbei geht es um das irdische Leben der Tochter des Mondgottes). Die ersten Sammlungen und die gezielte Eröffnung von umfangreichen Material wurde von Yanagita Kunio (1875-1962) durchgeführt, bis heute existieren in Japan vieel Märchensammelbände und Märchenreihen, unter anderem als Veröffentlichungen in diversen Zeitschriften sowie Zeitungen.



Der Wert und das Charakteristische der Märchen


Man könnte fast sagen, dass das Lesen sowie Erzählen von Märchen in Japan eine wesentlich größere Tradition darstellt als es in Deutschland der Fall ist. Dies hängt damit zusammen dass die Weitergabe von Märchen einen wichtigen Teil der strengen Wahrung von nationaler Tradition und Pflege der kulturellen Überlieferungen darstellt.  Die Märchen haben dabei die Funktion die tiefe Bindung zwischen den Japanern und den altherkömmlichen Sitten und Gebräuchen und der Natur zum Ausdruck zu bringen. Wichtige Anhand von Naturverbundenheit, urwüchsigen Humor, erstrebenswerter Höflichkeit sowie vollendeter Liebenswürdigkeit werden die typischen Eigenschaften der japanischen Mentalität vermittelt. Viele sich wiederholende Motive stammen aus der japanischen "Ritterzeit" (auch als Zeit der Samurai bekannt) und sind eng verbunden mit der Mythologie.

Dabei tragen japanische Märchen verhältnismäßig realistische Züge, abgesehen von Ausnahmen wie z.B. sprechende Tiere, die ein beliebtes Thema darstellen. Kennzeichnend für japanische Märchen ist auch ihre Kürze und Schlusssentenzen: "Eine Weihe fliegt sehr schnell davon. Sauerampfer bleibt nur einen Augenblick frisch. So geht auch meine Geschichte rasch zu Ende." Man findet des öfteren wie auch in Fabeln Schlussbemerkungen, die einer Moral gleich kommen: "Man soll anderen nichts Böses tun. Das ist es, was ich euch erzählen wollte."


Die Motive der Märchen haben ihre Wurzeln größtenteils in der Religion, vor allem im Shintoismus und in der seit langem in Japan gepflegten Naturverehrung.

Oftmals wird das einfache, bäuerliche Leben der Japaner geschildert, sowie diverse Klischees und Assoziationen mit Japan wie Reis, Fisch, Sake, Tee, Kimono usw. sind ebenso vorzufinden. Aufgrund ihrer langjährigen mündlichen Verbreitung gibt es Märchen in unzähligen stark differenzierten Variationen.

Im Laufe der Zeit gab es der Märchenforschung die Annahme, dass es möglich wäre einen Idealtypus herauszufiltern(der sich gar nicht so stark vom deutschen/europäischen unterscheidet):
Die Geschichte beginnt mit der ungewöhnlichen Geburt des Protagonisten, dieser wird bei seiner Entwicklung beobachtet, ist natürlich etwas ganz Besonderes, meistert in seinem zarten Alter jegliche Hindernisse sowie Gefahren - sei es durch Cleverness, durch die Unterstützung von Tieren sowie Naturgeistern -, der Held wird durch Zufall Entdecker eines Schatzes und dadurch reich belohnt, heiratet mit voller Freude eine meist ungewöhnlich kluge/überragend schöne Frau...
Allerdings muss hier gesagt werden, dass auch japanische Märchen nicht vollständig diesem Idealtypus entsprechen, da meist ein Element dazu entfällt, wofür ein anderes wieder hinzukommt. Durch einen solchen "Heldenepos" wurde sehr gerne die Abstammung eines Urahnen einer Familie beschrieben.




Kategoriersierung der Märchen

Eine deutliche Unterscheidung zwischen japanischen Legenden, Märchen, Sagen, Fabeln ist nur kaum machbar, weswegen alle Geschichten allgemein unter den Begriff "Volkserzählungen" fallen.
Einzig allein die japanische Volkskunde macht Unterschiede zwischen "Mukashi banashi" (Geschichten von ehedem) und "densetsu" (Legenden), wobei sich diese weniger auf Aufbau und Inhalt konzentriert, sondern Bezug zum Wahrheitsgehalt nimmt. Densetsu hat seinen Schwerpunkt auf wundersame Begebenheiten, die nach Volksglauben tatsächlich geschehen sind (entsprechen also unserem Verständnis nach den Mythen)
Unter Mukashi banashi versteht dagegen meist die erfundenen Geschichten.

Trotzdem gibt es generell drei große Gruppen von Märchen (die Einteilung orientiert sich an dem Inhalt):

1. Tiermärchen/Tierverwandlungen
Diese weisen Ähnlichkeiten zu Fabeln auf. Jeder Tierart werden charakteristische Eigenschaften zugeordnet oder diese stehen für ein Symbol bestimmer Gegenstände, so z.B.: Frosch, Kranich und Fuchs sind Glücksbringer, Dachs und Affe werden als hinterhältig und faul angesehen, Katze und Fuchs weisen magische Kräfte vor usw.
Dabei sind die Tiere in der Lage sich in Menschen zu verwandeln um so selbst Einfluss auf das Leben der Menschen auszuüben. So bringen einerseits dankbare Tiere den armen Bauern und Helden Schätze sowie Geschenke, andererseits können sie auch warnend sein und in Lebensgefahr die Rolle der Helfer übernehmen.


2. Geister-, Dämonen-, Götter- und Zaubermärchen
In dieser Gruppe stellen sich Dämonenmärchen als dominierend heraus, in denen dämonische Gestalten und Geister mit den Menschen zusammen kommen und daraufhin auf vielfältigste Weise deren Leben beeinflussen. Zu den bekanntesten der Geister und Dämonen gehören der "Kappa", ein Wassergeist in Gestalt eines überaus kräftigen Kleinkindes, der im Wald wohnhafte "Oni", eine Form des Teufels, sowie der "Tengu" und der "Yamaichi", beides Berggeister. In den meisten Fällen tragen die Dämonen magische Gegenstände bei sich, die entweder weitergeben (das sind dann die "guten Geister") oder die ihnen durch schlaue, listige Bauern gestohlen werden (das sind dann sozusagen die "dummen Geister").


3. Schwank- und Lügenmärchen
Hier zeigen sich ebenso Parallen zu unseren Schwankmärchen.
Im Mittelpunkt stehen Menschen, die sich durch ihre Klugheit und ihren Verstand aus ungünstigen Situationen befreien können oder aber listige Betrüger und angeberische Lügner, die meist eine Lektion für ihre Untaten erhalten. Eine dritte Variante eröffnet sich in den Märchen, in denen Bauern, dumme Bräute oder Schwiegersöhne die Handlungsträger darstellen, die mit Arbeit/Mühsal oder durch "wahre Liebe" zu einem guten und rechtmäßigen Leben geführt werden.





Vergleich: japanische Märchen vs. deutsche/europäische Märchen



Gemeinsamkeiten

Aufgrunddessen, dass von Märchen ausgegangen wird, haben beide natürlich einige Gemeinsamkeiten, die hin und wieder variieren können.
An erster Stelle stehen die moralischen, didaktischen und tugendhaften Komponente, die anhand von Beispielen aufzeigen sollen, dass arbeitstüchtige, gläubige und sorgsame Menschen für ihr Verhalten belohnt werden, dagegen boshafte, hinterhältige und faule Menschen mit Strafen rechnen müssen.
Ein weiteres beliebtes Thema ist auch, dass arme aber trotzdem freundliche und hilfsbereite (manchmal alte), sehr einfache Bauern vor eine Probe gestellt werden, die dann aber meisterhaft überstehen und dafür auch reichlich belohnt werden. Zu finden sind ebenso Märchen, in denen ungeheure Monster ihren Auftritt haben (in Form von Drachen, Teufeln oder bösen Geistern), die von tapferen Prinzen (oder durch mutige, arme, attraktive Bauernsöhne) bekämpft und letzendlich besiegt werden; dabei bildet das Ende die Heirat des Heldens mit der geretteten - wunderschönen, fleißigen und klugen Bauerntochter.
In abgewandelter Form ist es auch wahrscheinlich, dass wenn sich der Prinz schlecht anschickt, ein gewitzter Bauer den Lohn einkassiert, indem er durch seine Klugkeit über den Reichtum und über den hochnäsigen Adligen siegt.

Was ebenso eine auffällige Gemeinsamkeit darstellt ist, dass obwohl die beiden Länder - Deutschland und Japan - so weit auseinander liegen, eingängige Einleitungs- und Schlussformeln zur Anwendung kommen. Das deutsche "Es war einmal" kann mit dem japanischen "Mukashi zutto mukashi no omukashi", was sinngemäß mit "Vor langer, langer Zeit, es ist schon lange, lange her" übersetzt wird, gleichgesetzt werden kann. Die im deutschen oft gelesen Floskel ".. und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute" zeigt sich in Japan durch "Sorekiri, sore" oder "Mukashi koppori" (durch diese Formeln wird im japanischen Märchen das geglückte Ende betont). Eine mögliche Begründung für diese Ähnlichkeit liegt eventuell in der mündlichen Erzähltradition der Märchen.


Unterschiede

Im Gegensatz zu deutschen Märchen liegt in den japanischen Märchen eine viel stärkere Verbundenheit mit Religion und dem Glauben vor. Selbstverständlich sind japanische Märchen durch andere Traditionen, andere Naturbeschreibungen, andere Lebensweise - was natürlich mit der Kultur und Entwicklung zusammenhängt - und durch andere Tiere und Nahrung. So stechen traditionelle japanischen Eigenschaften wie Bescheidenheit und Höflichkeit, ebenso die Betonung der Harmonie innerhalb der Gemeinschaft sehr hervor. Während es in deutschen Märchen auch längere, komplizierte Handlungsstränge gibt, sind japanische Märchen an und für sich kurz und knapp gehalten. Ein weiter Unterschied besteht darin, dass Geschichten bezüglich Naturereignisse, die in Japan starken Einfluss übten, ebenso verarbeitet werden. So werden als Verursacher für Katastrophen, Vulkanausbrüche, Flutwellen und Erdbeben die Götter und Dämonen bezeichnet. Insgesamt lässt sichsagen, dass die japanische Märchenwelt eher weniger aus "Angstmachmärchen" mit bösen Hexen, Zauberern, Stiefmüttern bestehen. Grund dafür könnte das Verlangen der Japaner sein, mit sich selbst in vollkommener Harmonie zu sein und dies ebenso darzustellen.


Zusammenfassung:
Während einige Gemeinsamkeiten bezüglich der Grundmotive bestehen, unterscheiden sich die japanischen Märchen doch wesentlich von deutschen Märchen aufgrund deren besonderer historischer Entwicklung und dem speziellen gesellschaftlichen Hintergrund, aus dem sie entstammen.


Anmerkung: Wenn ihr Märchen schon in eurer Kindheit mochtet, dann schaut auf jedenfall mal bei den folgenden Webseiten vorbei ;)




Quellen für japanische Märchen

http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/Asien/David+Brauns%3A+Japanische+M%C3%A4rchen+und+Sagen

http://www.hekaya.de/maerchen/aus-aller-welt/japan.html

http://gutenberg.spiegel.de/buch/2426/1

http://maerchensammler.wordpress.com/category/themen/land-und-leute/japanische-marchen-und-sagen/


Quellen:
http://japanische-maerchen.de/maerchen.htm

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