Übersetzt
bedeutet der Titel „Grüne Literatur“ oder besser bekannt als
Evergreen, womit Klassiker bezeichnet werden, die zeitlos sind und
eine große Wirkung erzielt haben. Der Anime stellt eine Sammlung
sechs verschiedener Adaptionen von modernen Klassikern der
japanischen Literatur dar: Osamu
Dazai's No Longer Human (Ningen Shikkaku) & Run, Melos! (Hashire,
Melos!), Natsume Soseki’s Kokoro, Ryunosuke Akutagawa’s Hell
Screen (Jigoku Hen) & The Spider's Thread (Kumo no Ito), and Ango
Sakaguchi's In the Forest, Under Cherries in Full Bloom (Sakura no
Mori no Mankai no Shita)
Meine
Meinung:
Im
Folgenden werde ich in auf jede einzelne der Adaptionen genauer
eingehen, euch kurz die Handlungen vorstellen und dann meine
jeweilige Bewertung dazu liefern.
Stories:
No
Longer Human (Ningen Shikkaku) handelt von einem
Highschoolschüler, der zunehmend seine Identität und seine
Menschlichkeit verliert und sich von anderen Menschen vollkommen
entfernt hat. Ohne Ziel fällt er in einen Teufelskreis innerer
Massakrierung, Depressionen, Drogen, Sex, was ihn sein Leben lang
verfolgt. In vier Kapitel wird sein Schicksal beleuchtet und jedes
Kapitel stellt eine wichtige Episode in seinem leben dar, zeigt
verschiedene Schwerpunkte seines Leben.
Wir
verfolgen also das Schicksal eines jungen Mannes, erfahren im Laufe
der Handlung nicht nur etwas über seine momentane Situation, sondern
auch etwas über seine Vergangenheit. Insofern kann man die
Geschichte als eine umgedrehte Entwicklungsgeschichte sehen. Und zwar
insofern, es nicht zu einem Fortschritt, sondern eher einer
Regression kommt. Ich fand die Geschichte von allen anderen am
verstörendsten und auch sehr pessimistisch. Als erste Geschichte
hinterlässt „No longer human“ einen sehr starken Eindruck auf
den Zuschauer, sodass man einfach neugierig ist und sich nach
verzehrt zu erfahren, was mit dem jungen Mann passiert. Wie man an
der Zusammenfassung schon lesen konnte, ist es eine Geschichte eines
recht psychisch zerstörten Mannes, der mit seinem Leben nicht
zurecht kommt.
Schön
fand ich, dass die Geschichte sehr tief in seine Psyche hinein schaut
und den Zuschauer in die Abgründe seines Herzens hinein zieht. So
sehr, dass man Angst hat, dem nicht mehr zu entkommen. Der
Protagonist scheint irgendwie Minderwertigkeitskomplexe zu haben,
denn immer wieder verfolgt ihn sein Vater, der ihm deutlich macht,
wie wenig wert er doch ist. Weil er aus reichem Hause stammte, lag
natürlich ein besonders großer Druck auf ihm und er musste immer
den Erwartungen seines Vaters, der Familie und der Gesellschaft
entsprechen. Irgendwann hat er es nicht mehr ausgehalten und ist aus
allem ausgebrochen. Das war dann sein erster Tiefpunkt und der Anfang
einer Odyssee voller Verzweiflung und Selbstzerstörung.
Was
ich an dieser Geschichte interessant fand war also, dass ihn seine
Vergangenheit deutlich heimsuchte und wie wir Einblicke in seine
Lebensgeschichte bekamen. Er fühlte sich schon immer fremd in der
Gesellschaft, als wäre er wirklich kein Mensch mehr. Um sich das
nicht eingestehen zu müssen und sich anzupassen, hat er in der
Schule den Clown gespielt, doch ausgerechnet ein bestimmter
Mitschüler hat seine Fassade durchschaut. Von da an, flieht er nicht
mehr vor der bösen Wahrheit, sondern versucht sich ihr zu stellen.
Mit unerwartet schlimmen Folgen. Er bilde sich ein, dass sein
Spiegelbild nicht mehr dem eines Menschen ähnelt, sondern einem
Geist oder gesichtslosen Monsters. Warum er sich als Monster
empfindet wird nie wirklich deutlich, vielleicht war das schon immer
so. Auch ist er irgendwann davon besessen Porträts von seinem wahrne
Ich zu malen, die ihn alle als undefinierbares entstelltes Monster
darstellen. Zunehmend bildet er sich das auch ein und wird immer
wahnsinniger, sodass das Monster Wirklichkeit wird und ihn verfolgt.
Die
Geschichte hat also wirklich einen sehr psychologischen Ton, der mich
sehr stark mitriss und teilweise wirklich erschrocken zurück ließ,
sodass ich es etwas mit der Angst zu tun bekam. Diese surrealen
Elemente, die immer wieder erscheinen, können einem echt Schrecken
einjagen. Interessant fand ich wie von diesem Punkt aus sein ganzes
Leben nur noch schlimmer wurde. Er gab sich Drogen hin, betrog andere
Menschen, versuchte sich mit Sex zu betäuben, doch das alles klappte
nicht, vor allem nachdem er eigentlich ein schweres Verbrechen
begangen hatte, wodurch er noch mehr Schuld auf sich lud.
Auch
als es so aussah, als könne er ein normales Leben führen, zerfiel
sein idyllisches Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Sein
ganzes Leben gleicht einer einzigen Lüge. Was bleibt am Ende noch
übrig? Was kann man mit so einem Leben noch anfangen? Ich gebe zu,
dass ich ebenso stark herunter gezogen wurde, dass ich förmlich
depressiv wurde durch die Geschichten, was nicht unbedingt positiv
klingt. Ich finde jedoch, dass eine starke Leistung ist, wenn ein
Werk so tief ins Bewusstsein und ins Herz eines Zuschauers greift und
dann so etwas auslöst. Ich war wirklich befangen und brauchte meine
Zeit das alles zu verarbeiten. Selten habe ich mal eine Geschichte
gesehen oder erfahren, in der uns das Scheitern eines Individuums so
hoffnungslos und bedrückend gezeigt wurde, wie in „No Longer
Human“. Es zeigt außerdem ganz gut, wie ein Individuum an den
Ansprüchen des Lebens und der Gesellschaft zugrunde geht.
Es
werden wichtige Themen, die jeden betreffen, behandelt: Wer bin ich?
Was macht mich zum Menschen? Was unterscheidet mich von anderen? Wie
gehe ich mit Erwartungen und Pflichten um? Wie komme ich aus Krisen
wieder heraus? Wenn das Leben unerträglich wird, wäre es nicht am
besten, wenn man sterben würde? Wie kann ich für meine Sünden
Erlösung finden? Das alles sind existenzielle Fragen, die schon
stark ins Philosophische gehen, aber den Kern dieses Werkes sehr gut
verdeutlichen. Ich bin auch generell ein Fan von psychologischen
Werken und finde, dass dieses auf jeden Fall eine sehr gelungene
psychologische Studie eines Individuums ist und einen auch zum
Nachdenken anregen kann.
In
„Forest, Under Cherries in Full Bloom (Sakura no Mori no Mankai
no Shita)“ wird uns eine ungewöhnliche Liebesgeschichte im 12.
Jahrhundert erzählt zwischen einem Bergbanditen und einer Frau, die
von ihm entführt und dessen Frau wird.
Die
Geschichte war für mich jetzt weniger stark, wobei ich den Anfang
schon recht interessant gemacht empfunden habe. Es beginnt eigentlich
alles harmlos und vor allem auch überraschend. Man denkt so, dass
der Bandit skrupellos ist und andere Menschen ohne mit der Wimper zu
zucken umbringt, aber er stellt sich eigentlich als moralisch heraus.
Er will nicht unbedingt andere umbringen, sondern nur, dass sie sich
eben nackig machen, also ihr Eigentum loswerden. Ansonsten lässt er
sie einfach in Freiheit gehen. Zuhause warten dann seine Ehefrauen
auf ihn und alles wirkt irgendwie etwas lächerlich, aber auch
harmonisch. Und dann kommt der große Twist und die neue Ehefrau, die
er erst entführt und zu seiner Frau macht. Sie stellt alles auf den
Kopf und kehrt die Atmosphäre von locker-heiter, auf düster-ernst.
Diese Wende war für mich total unvorhersehbar und ich fand es auch
extrem grotesk wie zuvor alles noch lustig erschien, so wie wir es
aus den Anime kennen und plötzlich die Stimmung todernst wurde und
der Bandit „out of character“ handelt, als würde er von einer
bösen Macht ergriffen. Noch mysteriöser wurde es dann auch vorher
schon durch den Kirschblütenbaum, der eigentlich Harmonie und
Schönheit ausstrahlt, aber eigentlich in dieser Geschichte das Motiv
des Todes ist. Auch wie der Bandit auf den reagiert, wirkt irgendwie
überzogen und grotesk. Insgesamt fand ich einfach die gesamte
Geschichte einfach nur seltsam und nichtssagend. Eine Botschaft
konnte ich dem allem doch entnehmen, nämlich, dass Menschen sich
sehr leicht manipulieren lassen, weil wir eben schwach sind gegenüber
unseren Trieben und Bedürfnissen. Wenn man nur richtig manipuliert
wird, kann man nichts mehr tun. Die Einsicht, dass man falsch
gehandelt hat, kommt leider für den Protagonisten zu spät. Das Ende
war für mich überraschend und ebenso furchteinflößend wie der
erste Höhepunkt in der Geschichte. Das belegt zum einen die
manipulative Wirkung von Schönheit, aber auch, dass Schönheit und
böser Charakter gerne mal Hand in Hand gehen. Definitiv eine
Geschichte, die man so leicht nicht vergisst und die durchaus
spannend war und auch ihre Momente hatte. Im Vergleich zu den anderen
Geschichten hat mich diese aber aufgrund ihres grotesken Charakters
und der wenig sympathischen Figuren leider nicht überzeugt.
„Kokoro“
handelt von einer Geschichte aus dem Jahr 1914 über das Leben eines
jungen Mannes in der Meiji-Ära. Das Werk behandelt den Wechsel von
der traditionellen japanischen Gesellschaft der Meiji-Zeit zur
modernen Gegenwart, indem eine Freundschaft zwischen einem jüngeren
Mann und einem älteren, von dem er Sensei bezeichnet wird, handelt.
Der junge Mann und Protagonist lebt mit einer Witwe und deren Tochter
in Tokyo. Er lädt seinen Kindheitsfreund, einen Mönch zu ihm ein,
will ihm aus Hilfsbereitschaft eine Bleibe anbieten. Als der Mönch
jedoch in die Tochter verliebt, gerät ihre Freundschaft in
Schwierigkeiten. Die Geschichte wird aus beiden Perspektiven
vermittelt.
Diese
wiederum hat wiederum mich sehr gepackt. Mag sein, dass es an dem
Plot und der Figuren lag, das wird es wohl gewesen sein.
Augenscheinlich haben wir es mit einer Dreiecksbeziehung zu tun, was
nichts Beeindruckendes ist, wäre da nicht die geschickte Erzählweise
und die darin enthaltene Botschaft und die interessanten Themen. Wie
schon erwähnt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt,
einmal aus der des Senseis und einmal aus der des Mönches. Durch
diese Erzählweise erhalten wir Stück für Stück ein Gesamtbild der
Handlung, die wir uns aber erst einmal selbst zusammen reimen müssen.
Wir müssen uns fragen, was entspricht der Wahrheit? Was sind die
Motive der Figuren? Warum handeln sie so wie sie handeln? Was denken
sie und was fühlen sie? Wer ist nun der Böse und wer der Gute? Wer
hat Recht und wer Unrecht? Wem kann man glauben? Das waren so Fragen,
die mich in den zwei Episoden beschäftigen und noch immer kann ich
sie nicht eindeutig beantworten.
In
der ersten Episode wurde es aus Sicht des Senseis erzählt, der hier
natürlich besser wegkommt, wobei er teilweise auch an der späteren
Misere Schuld hatte. Sein Freund wird als der seltsame „Andere“,
als der Unzivilisierte dargestellt, während Sensei kultiviert und
feminin zierlich aussieht, wodurch schon mal ein krasser Gegensatz
sowohl im Äußeren als auch im Wesen deutlich wird. Jedenfalls wird
der Mönch hier als der Böse, der Konkurrent dargestellt, der die
Tochter an sich reißen will. Nun sind beide ja in sie verliebt und
Sensei nutzt seine Stellung und Beziehung zu deren Mutter um sie an
sich zu nehmen. Und so nimmt die Tragik ihren Lauf...
Die
zweite Episode wird dann aus Sicht des Mönches geschildert, was ich
sehr gut finde, weil wir dadurch mal die Gegenposition erfahren. Mein
Bild, was eigentlich eher negativ war, hat sich zum Positiven
geändert. Man schlüpft ja in seine Sichtweise rein und erfährt,
wer er wirklich ist und was getan hat. Dadurch erhalten wir ganz
andere Einsichten zu den Situationen, die wir in der ersten Episode
gesehen hatten. Plötzlich erscheint alles in einem anderen Licht und
auch der Sensei wirkt diesmal gar nicht mehr so gut, vielmehr böse
und herablassend gegenüber dem Mönch. Wir bekommen Mitleid mit
letzterem, was ja in der ersten Episode eindeutig vermieden wurde.
Nun
kann man sich also entscheiden, auf wessen Seite man ist und wem man
denn nun glaubt. Ganz ehrlich, irgendwie hat mich die zweite Episode
doch mehr berührt, was psychologisch daran liegt, dass das, was am
Schluss kommt, den meisten Einfluss auf uns hat. Und dennoch frage
ich mich, wer nun Recht hat? In beiden Episoden werden beide mal gut
und mal schlecht dargestellt. Vielleicht gibt es darauf keine
Antwort, sondern hängt von der Sichtweise ab, was ich am ehesten
denke. Vielleicht können wir daraus auch entnehmen, dass jeder
Mensch immer positive und negative Seiten an sich hat, je nachdem aus
welcher Perspektive wir jemanden betrachten. Das wiederum verweist
einen auf das Ying- und Yang-Prinzip, nachdem Gutes und Böses immer
zusammen hängt und beides nebeneinander existieren muss. Beide
tragen immer einen Teil des anderen in sich. So ähnlich wäre es
auch bei dieser Geschichte. Alles hat zwei Seiten, eine gute und eine
negative.
Eine
Sache, die mir an dieser Erzählweise gefiel, war, dass man daraus
eine schöne Lehre ableiten konnte. Wir sehen die Realität nicht so
wie sie ist, sondern immer durch verschiedene Brillen. Diese Brillen
sind stets subjektiv, enthalten unser Vorwissen, unsere Wahrnehmung,
die stets selektiv ist, nur das aufnimmt, auf das wir Wert legen. Mit
enthalten sind unsere Ansichten, unsere Wünsche, unsere Ziele,
Erfahrungen, all das was uns ausmacht, wirkt sich auf unsere
Wahrnehmung der Wirklichkeit aus. Welche Haltung wir uns gegenüber
haben und unseren Mitmenschen schwingt ebenso mit bei. Kein Wunder
also, dass ein und dieselbe Geschichte aus zwei Perspektiven eben
anders ausfällt, weil die Geschichten ja auch von zwei verschiedenen
Personen mit verschiedenen Sichtweisen vermittelt wird. Nun stellte
sich mir die Frage: Was entspricht der Wahrheit? Gibt es denn die
eine Wahrheit? Indirekt will uns die Geschichte zu verstehen geben,
dass es eigentlich keine Wahrheit gibt, sondern mehrere, mehrere
Perspektiven auf die Realität, die immer anders ist. Wir nehmen ja
nicht immer nur wahr, sondern wir interpretieren auch immer das, was
wir auch sehen und erleben. Und auch da fließt viel Subjektives mit
rein. Deswegen kann man sich auch darüber streiten, wer von den
beiden nun das Richtige getan hat oder nicht. Komisch fand ich aber
nun, dass obwohl es nur eine einzige Handlung war, dennoch
Unstimmigkeiten gab. Dialoge wurden teilweise nicht in den gleichen
Situationen geführt und Fakten wurden immer wieder anders
dargestellt, wo ich mich frage, was das soll. Entweder es hat einen
bestimmten Grund oder es ist ein eindeutiger Plotfehler, anders kann
ich mir das nicht erklären. Vielleicht soll es eben aufmerksame
Zuschauer zum Denken anregen, vielleicht hat es auch einen tieferen
Sinn oder eben nicht.
Ebenso
fand ich den Konflikt zwischen Freundschaft und Liebe ganz gut
dargestellt. Anfangs ist ja der Sensei noch total hilfsbereit und
will seinem Freund was Gutes tun. Damit hängt übrigens auch der
Konflikt zwischen Egoismus und Altruismus zusammen. Als er merkt,
dass sich sein Freund und seine Geliebte zunehmend nähern, wird sein
Altruismus durch seinen Egoismus immer weiter verdrängt. Am Ende
muss er sich entscheiden, ob er seinen Freund unterstützt oder er
die Liebe wählt und ihm die Chance nimmt. Ich finde es allzu
menschlich, wie er gehandelt hat und doch bleibt ein bitterer
Nachgeschmack übrig. Es geht in dem Werk ja auch um Verrat und
Schuld, was ebenso schön beleuchtet wird. Auch in dieser Geschichte
treffen wir auf existenzielle Fragen und Dinge im Leben, die einen
schon sehr berühren und zum Nachdenken anregen.
Probleme
der Kommunikation zeigen sich dadurch, dass die beiden nicht wirklich
ehrlich zueinander sind. Besonders weil der Sensei seinem Freund am
Ende nicht die Wahrheit sagt und daraufhin sein Freund ebenso nicht
auf ihn zugeht und das offen mit ihm klärt. Wenn beide richtig
gehandelt und geredet hätten, wäre das Schlimme nicht eingetroffen.
Das ist ebenso das Tragische, was man aus vielen Dramen kennt.
„Run,
Melos (Hashire, Melos!)“ ist eine aktualisierte Bearbeitung des
klassischen griechischen Erzählung von Damon und Pythias. Das
wichtigste Thema hier ist die Freundschaft. Der Protagonist Melos tut
sein bestes, trotz der schwierigen Umstände, um seinem Freund das
Leben zu retten und am Ende zahlt sich alles aus.
Diese
Geschichte fand ich zwar eigentlich ganz nett, aber im Vergleich zu
den anderen nicht so gelungen. Gut fand ich, wie die aktuelle
Geschichte mit der griechischen Erzählung verwoben wurde. Es finden
sich viele Doppelmontagen, in denen beide Geschichten relativ
parallel und inhaltlich passend verbunden und dem Zuschauer
präsentiert werden. Auch der Höhepunkt wurde sehr dramatisch
gestaltet und dennoch hatte ich nicht das Gefühl, wirklich
mitgerissen zu sein. Klar fand ich es gut, dass mal die Freundschaft
in einem Anime so schön zwischen zwei Menschen dargestellt wurde und
doch packte es mich nicht so sehr. Ich weiß ehrlich gesagt nicht
warum, vielleicht lag es daran, dass es zwei junge Männer waren und
ich eine leichte BL-Tendenz gespürt hatte, was vielleicht auch gar
nicht so die Absicht der Macher war, oder doch? Jedenfalls hatte mich
das wohl etwas von der Geschichte distanziert. Ich konnte mich nicht
wirklich in die Figuren hinein versetzen, obwohl
Identifikationsmöglichkeit durchaus vorhanden war, das will ich
nicht bestreiten. An sich aber eine interessant gestaltete Geschichte
mit einer wichtigen Botschaft: Man sollte sich nicht an irgendwelchen
Problemen aufhängen oder bitter werden vor Enttäuschung und
Schmerz, sondern lieber die Zeit, die man mit jemanden hat, der einem
wichtig ist, so gut wie es geht ausnutzen, bevor es zu spät ist.
Begrabe deinen Stolz und vergebe lieber.
„The
Spider´s Thread Kumo no Ito“ bringt uns die Geschichte von
einem kaltherzigen Mörder näher, der für seine Taten in die Hölle
kommt. Doch weil Buddha Mitleid mit ihm hat, wird im ihm ein letzter
Gnadenakt zuteil, weil er zumindest einmal eine Spinne verschont hat.
Doch als ihm in der Hölle dieser eine Spinnenfaden erscheint, agiert
er aus seinem Egoismus heraus unmenschlich, greift danach, der Faden
zerreißt und er wird von der Hölle an sich gerissen.
Diese
Geschichte kann ich vage bereits aus einem japanischen Märchen, an
das ich mich leider nicht mehr so gut erinnern kann. Positiv an
dieser Geschichte anzumerken habe ich, dass es mal cool ist einen
durch und durch bösen Charakter zu sehen, den man am liebsten
einfach nur töten möchte. Er wird wirklich so dargestellt, als ob
er der Unmensch des Jahrhunderts wäre, weil er eben auch Unschuldige
auf dem Gewissen hat. Einziger Hoffnungsschimmer ist, dass er eben
eine Spinne verschont, was schon komisch ist, weil die nun nicht
wirklich unschuldiger ist als die unschuldigen Menschen, die er
getötet hat. Eher ähnelt sie ihm, weil sie ihr Netz spinnt und
dadurch selbst zum Killer wird. Jedenfalls finde ich es cool, dass es
diesen mystischen Touch hat.Die Geschichte wird dann interessant als
er dann unerwartet geschnappt und getötet wird. Ab da sehen wir ihn,
wie er in der Hölle schmort und von Horrorszenarien überwältigt
wird. Alles wieder sehr schön surreal und verstörend gemacht, dass
man wirklich das Gefühl hat, in der Hölle zu sein. Doch dieses
Höllenerlebnis scheint keinen wirklichen Einfluss auf ihn zu haben,
ihn irgendwie geläutert zu haben, denn als er den Faden an sich
nimmt, ist er nach wie vor ein egoistisches Schwein, was nur an sich
denkt. Das wird ihm zum Verhängnis. Ich finde die Geschichte ist
eine didaktisch wertvoll, weil sie eins deutlich macht: Sei nicht so
egoistisch und tue niemanden weh, dann wirst du auch nicht in der
Hölle landen. Ja das ist schon etwas plump ausgedrückt, aber sagt
doch, was die Geschichte im Kern meint. Andererseits zeigt die Story
auch, dass selbst in dem grausamsten Unmenschen noch ein Fünkchen
Hoffnung steckt und man muss sich fragen, inwieweit das dann eine
Vergebung berechtigt. Sollte jedem Menschen vergeben werden, egal,
was er getan hat? Wie viel wiegt schon so eine „gute Tat“, wenn
er schon so viel Schlimmeres begangen hat, dass diese kleine gute Tat
im Endeffekt gar nichts bedeutet? Kann so ein Mensch überhaupt noch
gerettet werden? Die Geschichte gibt uns die Antwort dafür.
„Hell
Screen (Jigoku Hen)“ geht es um einen berühmten Maler, der von
seinem Kaiser beauftragt wird sein wunderschönes Reich als
Wandgemälde in einem Turm zu verewigen. Statt dieser Aufforderung zu
folgen, malt er stattdessen die Hölle auf Erden. Denn der Kaiser ist
grausam, ermordet und foltert seine Gefolgschaft wie es ihm beliebt.
Weil der Maler nicht in der Lage ist, das zu malen, was er nicht
gesehen hat, also ein friedliches Königreich, malt er stattdessen
die grausamen Taten des Kaisers an seinem Volk. Er entscheidet sich,
dass sein letztes Werk ein Tribut an das Land sein soll, so wie es
auch wirklich ist.
Lustig
fand ich, dass die letzte Geschichte eigentlich da beginnt, wo die
vorherige aufgehört hat. Sie spielt immer noch im gleichen Setting,
diesmal aber mit anderen Figuren als Protagonisten. Den Plot fand ich
ansprechend und auch recht originell, frei von irgendwelchen
Klischees und auch unvorhersehbar. Der Protagonist steht ja vor einem
großen Dilemma: er soll für das Mausoleum des Kaisers das schönste
Bild des Landes malen. Das Problem ist nur, dass das Land gar nicht
so schön und idyllisch ist, wie sich der Kaiser das ausmalt, der
selbst ein ziemlicher Egoist ist und sich kaum für seine Mitmenschen
kümmert. Vielmehr haben die schrecklichen Bilder von gefolterten und
ermordeten Menschen das Bild des Künstlers von dem Land geprägt.
Das ist jedoch das Problem, denn wenn er das malt, ist sein Exekution
gewiss. Und dennoch wagt er dieses große Meisterwerk, was für mich
wirklich sehr erstaunlich war. Obwohl er auch hätte anders handeln
können, malt er das, was er sieht. Darin sehe ich die große Stärke
der Geschichte: Malerei ist nicht einfach nur Kunst, Schönheit und
Ästhetik.
Malerei
muss nicht immer nur etwas fürs Auge sein, viel eher dient sie uns
die Wirklichkeit zu präsentieren, so wie sie ist. Mir ist klar, dass
Kunst das nicht immer tun will und soll, doch in diesem Kontext
spielt das schon eine wichtige Rolle. Man könnte sagen, dass die
Kunst für den Maler sein wichtiges Ausdrucksmedium ist und eben das
wiedergibt, was er gesehen und erlebt hat. Er äußert damit also,
das, was seine Sichtweise ist, wo wir wieder bei der Realität wären
mit ihren verschiedenen Gesichtern. Das Dilemma ist ja, dass der
Künstlers einerseits sich selbst und seinen Kunstethos verraten
könnte, um sein Leben zu retten und das zeichnet, was der Kaiser von
ihm verlangt. Er entscheidet sich aber dagegen, opfert sich ganz
seinem Künstlertum und bleibt also seinen Werten treu, was ich echt
beeindruckend fand. Insofern thematisiert die Geschichte wie Menschen
den Tod überwinden, sich ihm stellen, indem sie ihren Werten folgen.
Für diese sogar ihr Leben riskieren, um etwas zu erschaffen, was sie
selbst übersteigt. Sein Lebenswerk, wie es genannt wird, wird etwas
sein, was ihn überdauern wird und was Teil des kulturellen
Gedächtnisses werden wird. Es wird in die Geschichte eingehen und
ewig weiterleben. Dadurch verewigt sich also der Künstler selbst in
seinen Werken. Ziemlich philosophisch, aber sehr anregende
Geschichte, die mich ebenso zum Nachdenken brachte.
Optik
und Musik:
Anzumerken
wäre, dass jede der einzelnen Adaptionen von anderen Machern
produziert wurde und deswegen die Qualitätsunterschiede in der
Animation, dem Zeichenstil und dem Musikalischen natürlich sehr
schwankt. Ehrlich gesagt ist mir bei keinem so wirklich etwas negativ
aufgefallen, was also heißt, dass im Durchschnitt alle Adaptionen
durchschnittlich gut waren. Jedoch muss ich bezüglich des Optischen
erwähnen, dass ich besonders alle Adaptionen optisch ansprechend
fand trotz ihrer Unterschiede. Alle waren ganz hübsch gestaltet, die
Figuren hatten Wiedererkennungswert, die Animationen waren flüssig
und besonders die verstörenden Szenen wurden in einigen Episoden
ganz gut dargestellt. Die Synchronsprecher waren in diesem Werk wie
immer top.
Fazit:
Abschließend
kann ich zu „Aoi Bungaku“ sagen, dass mich der Anime sehr
angesprochen hat und auch einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen
hat und wird. Ich finde es echt cool, dass sich ein Anime mal auch an
richtiger klassischer Literatur traut und auch wenn ich die Vorlagen
nicht kenne, finde ich, hat sich das ganze Unternehmen gelohnt.
Heraus gekommen sind einige richtige Juwelen, die sich inhaltlich und
optisch sehr von dem Einheitsbrei abgrenzen und auffallen. Das liegt
natürlich eindeutig an den literarischen Vorlagen, für die mein
Interesse nun geweckt wurde. Ich würde es begrüßen wenn man in
Zukunft noch mehr klassische Literatur, ob nun aus Japan oder aus den
westlichen Ländern, adaptieren würde. Ich glaube, dass das einfach
das Interesse an der Literatur erhöhen würde, aber auch den Anime
zu Gute kommen würde. Angesichts der Tatsache, dass die meisten
Anime inhaltlich eher schwach sind, eher Klischees bedienen, weniger
in die Tiefe kann, wäre es ein Versuch wert, sich mal an
anspruchsvollere Stoffe zu wagen. Was dabei raus kommt, hat dieser
Anime eindrücklich gezeigt. Die Stoffe sind anspruchsvoll, originell
und passen sich dennoch dem Animesetting an. Sie haben mich ergriffen
und auch sehr zum Nachdenken angeregt.
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