Montag, 18. Juli 2016

Review: Aoi Bungaku


Übersetzt bedeutet der Titel „Grüne Literatur“ oder besser bekannt als Evergreen, womit Klassiker bezeichnet werden, die zeitlos sind und eine große Wirkung erzielt haben. Der Anime stellt eine Sammlung sechs verschiedener Adaptionen von modernen Klassikern der japanischen Literatur dar: Osamu Dazai's No Longer Human (Ningen Shikkaku) & Run, Melos! (Hashire, Melos!), Natsume Soseki’s Kokoro, Ryunosuke Akutagawa’s Hell Screen (Jigoku Hen) & The Spider's Thread (Kumo no Ito), and Ango Sakaguchi's In the Forest, Under Cherries in Full Bloom (Sakura no Mori no Mankai no Shita)



Meine Meinung:

Im Folgenden werde ich in auf jede einzelne der Adaptionen genauer eingehen, euch kurz die Handlungen vorstellen und dann meine jeweilige Bewertung dazu liefern.

Stories:



No Longer Human (Ningen Shikkaku) handelt von einem Highschoolschüler, der zunehmend seine Identität und seine Menschlichkeit verliert und sich von anderen Menschen vollkommen entfernt hat. Ohne Ziel fällt er in einen Teufelskreis innerer Massakrierung, Depressionen, Drogen, Sex, was ihn sein Leben lang verfolgt. In vier Kapitel wird sein Schicksal beleuchtet und jedes Kapitel stellt eine wichtige Episode in seinem leben dar, zeigt verschiedene Schwerpunkte seines Leben.

Wir verfolgen also das Schicksal eines jungen Mannes, erfahren im Laufe der Handlung nicht nur etwas über seine momentane Situation, sondern auch etwas über seine Vergangenheit. Insofern kann man die Geschichte als eine umgedrehte Entwicklungsgeschichte sehen. Und zwar insofern, es nicht zu einem Fortschritt, sondern eher einer Regression kommt. Ich fand die Geschichte von allen anderen am verstörendsten und auch sehr pessimistisch. Als erste Geschichte hinterlässt „No longer human“ einen sehr starken Eindruck auf den Zuschauer, sodass man einfach neugierig ist und sich nach verzehrt zu erfahren, was mit dem jungen Mann passiert. Wie man an der Zusammenfassung schon lesen konnte, ist es eine Geschichte eines recht psychisch zerstörten Mannes, der mit seinem Leben nicht zurecht kommt.

Schön fand ich, dass die Geschichte sehr tief in seine Psyche hinein schaut und den Zuschauer in die Abgründe seines Herzens hinein zieht. So sehr, dass man Angst hat, dem nicht mehr zu entkommen. Der Protagonist scheint irgendwie Minderwertigkeitskomplexe zu haben, denn immer wieder verfolgt ihn sein Vater, der ihm deutlich macht, wie wenig wert er doch ist. Weil er aus reichem Hause stammte, lag natürlich ein besonders großer Druck auf ihm und er musste immer den Erwartungen seines Vaters, der Familie und der Gesellschaft entsprechen. Irgendwann hat er es nicht mehr ausgehalten und ist aus allem ausgebrochen. Das war dann sein erster Tiefpunkt und der Anfang einer Odyssee voller Verzweiflung und Selbstzerstörung.

Was ich an dieser Geschichte interessant fand war also, dass ihn seine Vergangenheit deutlich heimsuchte und wie wir Einblicke in seine Lebensgeschichte bekamen. Er fühlte sich schon immer fremd in der Gesellschaft, als wäre er wirklich kein Mensch mehr. Um sich das nicht eingestehen zu müssen und sich anzupassen, hat er in der Schule den Clown gespielt, doch ausgerechnet ein bestimmter Mitschüler hat seine Fassade durchschaut. Von da an, flieht er nicht mehr vor der bösen Wahrheit, sondern versucht sich ihr zu stellen. Mit unerwartet schlimmen Folgen. Er bilde sich ein, dass sein Spiegelbild nicht mehr dem eines Menschen ähnelt, sondern einem Geist oder gesichtslosen Monsters. Warum er sich als Monster empfindet wird nie wirklich deutlich, vielleicht war das schon immer so. Auch ist er irgendwann davon besessen Porträts von seinem wahrne Ich zu malen, die ihn alle als undefinierbares entstelltes Monster darstellen. Zunehmend bildet er sich das auch ein und wird immer wahnsinniger, sodass das Monster Wirklichkeit wird und ihn verfolgt.

Die Geschichte hat also wirklich einen sehr psychologischen Ton, der mich sehr stark mitriss und teilweise wirklich erschrocken zurück ließ, sodass ich es etwas mit der Angst zu tun bekam. Diese surrealen Elemente, die immer wieder erscheinen, können einem echt Schrecken einjagen. Interessant fand ich wie von diesem Punkt aus sein ganzes Leben nur noch schlimmer wurde. Er gab sich Drogen hin, betrog andere Menschen, versuchte sich mit Sex zu betäuben, doch das alles klappte nicht, vor allem nachdem er eigentlich ein schweres Verbrechen begangen hatte, wodurch er noch mehr Schuld auf sich lud.

Auch als es so aussah, als könne er ein normales Leben führen, zerfiel sein idyllisches Leben wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Sein ganzes Leben gleicht einer einzigen Lüge. Was bleibt am Ende noch übrig? Was kann man mit so einem Leben noch anfangen? Ich gebe zu, dass ich ebenso stark herunter gezogen wurde, dass ich förmlich depressiv wurde durch die Geschichten, was nicht unbedingt positiv klingt. Ich finde jedoch, dass eine starke Leistung ist, wenn ein Werk so tief ins Bewusstsein und ins Herz eines Zuschauers greift und dann so etwas auslöst. Ich war wirklich befangen und brauchte meine Zeit das alles zu verarbeiten. Selten habe ich mal eine Geschichte gesehen oder erfahren, in der uns das Scheitern eines Individuums so hoffnungslos und bedrückend gezeigt wurde, wie in „No Longer Human“. Es zeigt außerdem ganz gut, wie ein Individuum an den Ansprüchen des Lebens und der Gesellschaft zugrunde geht.

Es werden wichtige Themen, die jeden betreffen, behandelt: Wer bin ich? Was macht mich zum Menschen? Was unterscheidet mich von anderen? Wie gehe ich mit Erwartungen und Pflichten um? Wie komme ich aus Krisen wieder heraus? Wenn das Leben unerträglich wird, wäre es nicht am besten, wenn man sterben würde? Wie kann ich für meine Sünden Erlösung finden? Das alles sind existenzielle Fragen, die schon stark ins Philosophische gehen, aber den Kern dieses Werkes sehr gut verdeutlichen. Ich bin auch generell ein Fan von psychologischen Werken und finde, dass dieses auf jeden Fall eine sehr gelungene psychologische Studie eines Individuums ist und einen auch zum Nachdenken anregen kann.



In „Forest, Under Cherries in Full Bloom (Sakura no Mori no Mankai no Shita)“ wird uns eine ungewöhnliche Liebesgeschichte im 12. Jahrhundert erzählt zwischen einem Bergbanditen und einer Frau, die von ihm entführt und dessen Frau wird.

Die Geschichte war für mich jetzt weniger stark, wobei ich den Anfang schon recht interessant gemacht empfunden habe. Es beginnt eigentlich alles harmlos und vor allem auch überraschend. Man denkt so, dass der Bandit skrupellos ist und andere Menschen ohne mit der Wimper zu zucken umbringt, aber er stellt sich eigentlich als moralisch heraus. Er will nicht unbedingt andere umbringen, sondern nur, dass sie sich eben nackig machen, also ihr Eigentum loswerden. Ansonsten lässt er sie einfach in Freiheit gehen. Zuhause warten dann seine Ehefrauen auf ihn und alles wirkt irgendwie etwas lächerlich, aber auch harmonisch. Und dann kommt der große Twist und die neue Ehefrau, die er erst entführt und zu seiner Frau macht. Sie stellt alles auf den Kopf und kehrt die Atmosphäre von locker-heiter, auf düster-ernst.

 Diese Wende war für mich total unvorhersehbar und ich fand es auch extrem grotesk wie zuvor alles noch lustig erschien, so wie wir es aus den Anime kennen und plötzlich die Stimmung todernst wurde und der Bandit „out of character“ handelt, als würde er von einer bösen Macht ergriffen. Noch mysteriöser wurde es dann auch vorher schon durch den Kirschblütenbaum, der eigentlich Harmonie und Schönheit ausstrahlt, aber eigentlich in dieser Geschichte das Motiv des Todes ist. Auch wie der Bandit auf den reagiert, wirkt irgendwie überzogen und grotesk. Insgesamt fand ich einfach die gesamte Geschichte einfach nur seltsam und nichtssagend. Eine Botschaft konnte ich dem allem doch entnehmen, nämlich, dass Menschen sich sehr leicht manipulieren lassen, weil wir eben schwach sind gegenüber unseren Trieben und Bedürfnissen. Wenn man nur richtig manipuliert wird, kann man nichts mehr tun. Die Einsicht, dass man falsch gehandelt hat, kommt leider für den Protagonisten zu spät. Das Ende war für mich überraschend und ebenso furchteinflößend wie der erste Höhepunkt in der Geschichte. Das belegt zum einen die manipulative Wirkung von Schönheit, aber auch, dass Schönheit und böser Charakter gerne mal Hand in Hand gehen. Definitiv eine Geschichte, die man so leicht nicht vergisst und die durchaus spannend war und auch ihre Momente hatte. Im Vergleich zu den anderen Geschichten hat mich diese aber aufgrund ihres grotesken Charakters und der wenig sympathischen Figuren leider nicht überzeugt.



Kokoro“ handelt von einer Geschichte aus dem Jahr 1914 über das Leben eines jungen Mannes in der Meiji-Ära. Das Werk behandelt den Wechsel von der traditionellen japanischen Gesellschaft der Meiji-Zeit zur modernen Gegenwart, indem eine Freundschaft zwischen einem jüngeren Mann und einem älteren, von dem er Sensei bezeichnet wird, handelt. Der junge Mann und Protagonist lebt mit einer Witwe und deren Tochter in Tokyo. Er lädt seinen Kindheitsfreund, einen Mönch zu ihm ein, will ihm aus Hilfsbereitschaft eine Bleibe anbieten. Als der Mönch jedoch in die Tochter verliebt, gerät ihre Freundschaft in Schwierigkeiten. Die Geschichte wird aus beiden Perspektiven vermittelt.

Diese wiederum hat wiederum mich sehr gepackt. Mag sein, dass es an dem Plot und der Figuren lag, das wird es wohl gewesen sein. Augenscheinlich haben wir es mit einer Dreiecksbeziehung zu tun, was nichts Beeindruckendes ist, wäre da nicht die geschickte Erzählweise und die darin enthaltene Botschaft und die interessanten Themen. Wie schon erwähnt wird die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt, einmal aus der des Senseis und einmal aus der des Mönches. Durch diese Erzählweise erhalten wir Stück für Stück ein Gesamtbild der Handlung, die wir uns aber erst einmal selbst zusammen reimen müssen. Wir müssen uns fragen, was entspricht der Wahrheit? Was sind die Motive der Figuren? Warum handeln sie so wie sie handeln? Was denken sie und was fühlen sie? Wer ist nun der Böse und wer der Gute? Wer hat Recht und wer Unrecht? Wem kann man glauben? Das waren so Fragen, die mich in den zwei Episoden beschäftigen und noch immer kann ich sie nicht eindeutig beantworten.

In der ersten Episode wurde es aus Sicht des Senseis erzählt, der hier natürlich besser wegkommt, wobei er teilweise auch an der späteren Misere Schuld hatte. Sein Freund wird als der seltsame „Andere“, als der Unzivilisierte dargestellt, während Sensei kultiviert und feminin zierlich aussieht, wodurch schon mal ein krasser Gegensatz sowohl im Äußeren als auch im Wesen deutlich wird. Jedenfalls wird der Mönch hier als der Böse, der Konkurrent dargestellt, der die Tochter an sich reißen will. Nun sind beide ja in sie verliebt und Sensei nutzt seine Stellung und Beziehung zu deren Mutter um sie an sich zu nehmen. Und so nimmt die Tragik ihren Lauf...

Die zweite Episode wird dann aus Sicht des Mönches geschildert, was ich sehr gut finde, weil wir dadurch mal die Gegenposition erfahren. Mein Bild, was eigentlich eher negativ war, hat sich zum Positiven geändert. Man schlüpft ja in seine Sichtweise rein und erfährt, wer er wirklich ist und was getan hat. Dadurch erhalten wir ganz andere Einsichten zu den Situationen, die wir in der ersten Episode gesehen hatten. Plötzlich erscheint alles in einem anderen Licht und auch der Sensei wirkt diesmal gar nicht mehr so gut, vielmehr böse und herablassend gegenüber dem Mönch. Wir bekommen Mitleid mit letzterem, was ja in der ersten Episode eindeutig vermieden wurde.


Nun kann man sich also entscheiden, auf wessen Seite man ist und wem man denn nun glaubt. Ganz ehrlich, irgendwie hat mich die zweite Episode doch mehr berührt, was psychologisch daran liegt, dass das, was am Schluss kommt, den meisten Einfluss auf uns hat. Und dennoch frage ich mich, wer nun Recht hat? In beiden Episoden werden beide mal gut und mal schlecht dargestellt. Vielleicht gibt es darauf keine Antwort, sondern hängt von der Sichtweise ab, was ich am ehesten denke. Vielleicht können wir daraus auch entnehmen, dass jeder Mensch immer positive und negative Seiten an sich hat, je nachdem aus welcher Perspektive wir jemanden betrachten. Das wiederum verweist einen auf das Ying- und Yang-Prinzip, nachdem Gutes und Böses immer zusammen hängt und beides nebeneinander existieren muss. Beide tragen immer einen Teil des anderen in sich. So ähnlich wäre es auch bei dieser Geschichte. Alles hat zwei Seiten, eine gute und eine negative.

Eine Sache, die mir an dieser Erzählweise gefiel, war, dass man daraus eine schöne Lehre ableiten konnte. Wir sehen die Realität nicht so wie sie ist, sondern immer durch verschiedene Brillen. Diese Brillen sind stets subjektiv, enthalten unser Vorwissen, unsere Wahrnehmung, die stets selektiv ist, nur das aufnimmt, auf das wir Wert legen. Mit enthalten sind unsere Ansichten, unsere Wünsche, unsere Ziele, Erfahrungen, all das was uns ausmacht, wirkt sich auf unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit aus. Welche Haltung wir uns gegenüber haben und unseren Mitmenschen schwingt ebenso mit bei. Kein Wunder also, dass ein und dieselbe Geschichte aus zwei Perspektiven eben anders ausfällt, weil die Geschichten ja auch von zwei verschiedenen Personen mit verschiedenen Sichtweisen vermittelt wird. Nun stellte sich mir die Frage: Was entspricht der Wahrheit? Gibt es denn die eine Wahrheit? Indirekt will uns die Geschichte zu verstehen geben, dass es eigentlich keine Wahrheit gibt, sondern mehrere, mehrere Perspektiven auf die Realität, die immer anders ist. Wir nehmen ja nicht immer nur wahr, sondern wir interpretieren auch immer das, was wir auch sehen und erleben. Und auch da fließt viel Subjektives mit rein. Deswegen kann man sich auch darüber streiten, wer von den beiden nun das Richtige getan hat oder nicht. Komisch fand ich aber nun, dass obwohl es nur eine einzige Handlung war, dennoch Unstimmigkeiten gab. Dialoge wurden teilweise nicht in den gleichen Situationen geführt und Fakten wurden immer wieder anders dargestellt, wo ich mich frage, was das soll. Entweder es hat einen bestimmten Grund oder es ist ein eindeutiger Plotfehler, anders kann ich mir das nicht erklären. Vielleicht soll es eben aufmerksame Zuschauer zum Denken anregen, vielleicht hat es auch einen tieferen Sinn oder eben nicht.

Ebenso fand ich den Konflikt zwischen Freundschaft und Liebe ganz gut dargestellt. Anfangs ist ja der Sensei noch total hilfsbereit und will seinem Freund was Gutes tun. Damit hängt übrigens auch der Konflikt zwischen Egoismus und Altruismus zusammen. Als er merkt, dass sich sein Freund und seine Geliebte zunehmend nähern, wird sein Altruismus durch seinen Egoismus immer weiter verdrängt. Am Ende muss er sich entscheiden, ob er seinen Freund unterstützt oder er die Liebe wählt und ihm die Chance nimmt. Ich finde es allzu menschlich, wie er gehandelt hat und doch bleibt ein bitterer Nachgeschmack übrig. Es geht in dem Werk ja auch um Verrat und Schuld, was ebenso schön beleuchtet wird. Auch in dieser Geschichte treffen wir auf existenzielle Fragen und Dinge im Leben, die einen schon sehr berühren und zum Nachdenken anregen.
Probleme der Kommunikation zeigen sich dadurch, dass die beiden nicht wirklich ehrlich zueinander sind. Besonders weil der Sensei seinem Freund am Ende nicht die Wahrheit sagt und daraufhin sein Freund ebenso nicht auf ihn zugeht und das offen mit ihm klärt. Wenn beide richtig gehandelt und geredet hätten, wäre das Schlimme nicht eingetroffen. Das ist ebenso das Tragische, was man aus vielen Dramen kennt.



Run, Melos (Hashire, Melos!)“ ist eine aktualisierte Bearbeitung des klassischen griechischen Erzählung von Damon und Pythias. Das wichtigste Thema hier ist die Freundschaft. Der Protagonist Melos tut sein bestes, trotz der schwierigen Umstände, um seinem Freund das Leben zu retten und am Ende zahlt sich alles aus.

Diese Geschichte fand ich zwar eigentlich ganz nett, aber im Vergleich zu den anderen nicht so gelungen. Gut fand ich, wie die aktuelle Geschichte mit der griechischen Erzählung verwoben wurde. Es finden sich viele Doppelmontagen, in denen beide Geschichten relativ parallel und inhaltlich passend verbunden und dem Zuschauer präsentiert werden. Auch der Höhepunkt wurde sehr dramatisch gestaltet und dennoch hatte ich nicht das Gefühl, wirklich mitgerissen zu sein. Klar fand ich es gut, dass mal die Freundschaft in einem Anime so schön zwischen zwei Menschen dargestellt wurde und doch packte es mich nicht so sehr. Ich weiß ehrlich gesagt nicht warum, vielleicht lag es daran, dass es zwei junge Männer waren und ich eine leichte BL-Tendenz gespürt hatte, was vielleicht auch gar nicht so die Absicht der Macher war, oder doch? Jedenfalls hatte mich das wohl etwas von der Geschichte distanziert. Ich konnte mich nicht wirklich in die Figuren hinein versetzen, obwohl Identifikationsmöglichkeit durchaus vorhanden war, das will ich nicht bestreiten. An sich aber eine interessant gestaltete Geschichte mit einer wichtigen Botschaft: Man sollte sich nicht an irgendwelchen Problemen aufhängen oder bitter werden vor Enttäuschung und Schmerz, sondern lieber die Zeit, die man mit jemanden hat, der einem wichtig ist, so gut wie es geht ausnutzen, bevor es zu spät ist. Begrabe deinen Stolz und vergebe lieber.



The Spider´s Thread Kumo no Ito“ bringt uns die Geschichte von einem kaltherzigen Mörder näher, der für seine Taten in die Hölle kommt. Doch weil Buddha Mitleid mit ihm hat, wird im ihm ein letzter Gnadenakt zuteil, weil er zumindest einmal eine Spinne verschont hat. Doch als ihm in der Hölle dieser eine Spinnenfaden erscheint, agiert er aus seinem Egoismus heraus unmenschlich, greift danach, der Faden zerreißt und er wird von der Hölle an sich gerissen.

Diese Geschichte kann ich vage bereits aus einem japanischen Märchen, an das ich mich leider nicht mehr so gut erinnern kann. Positiv an dieser Geschichte anzumerken habe ich, dass es mal cool ist einen durch und durch bösen Charakter zu sehen, den man am liebsten einfach nur töten möchte. Er wird wirklich so dargestellt, als ob er der Unmensch des Jahrhunderts wäre, weil er eben auch Unschuldige auf dem Gewissen hat. Einziger Hoffnungsschimmer ist, dass er eben eine Spinne verschont, was schon komisch ist, weil die nun nicht wirklich unschuldiger ist als die unschuldigen Menschen, die er getötet hat. Eher ähnelt sie ihm, weil sie ihr Netz spinnt und dadurch selbst zum Killer wird. Jedenfalls finde ich es cool, dass es diesen mystischen Touch hat.Die Geschichte wird dann interessant als er dann unerwartet geschnappt und getötet wird. Ab da sehen wir ihn, wie er in der Hölle schmort und von Horrorszenarien überwältigt wird. Alles wieder sehr schön surreal und verstörend gemacht, dass man wirklich das Gefühl hat, in der Hölle zu sein. Doch dieses Höllenerlebnis scheint keinen wirklichen Einfluss auf ihn zu haben, ihn irgendwie geläutert zu haben, denn als er den Faden an sich nimmt, ist er nach wie vor ein egoistisches Schwein, was nur an sich denkt. Das wird ihm zum Verhängnis. Ich finde die Geschichte ist eine didaktisch wertvoll, weil sie eins deutlich macht: Sei nicht so egoistisch und tue niemanden weh, dann wirst du auch nicht in der Hölle landen. Ja das ist schon etwas plump ausgedrückt, aber sagt doch, was die Geschichte im Kern meint. Andererseits zeigt die Story auch, dass selbst in dem grausamsten Unmenschen noch ein Fünkchen Hoffnung steckt und man muss sich fragen, inwieweit das dann eine Vergebung berechtigt. Sollte jedem Menschen vergeben werden, egal, was er getan hat? Wie viel wiegt schon so eine „gute Tat“, wenn er schon so viel Schlimmeres begangen hat, dass diese kleine gute Tat im Endeffekt gar nichts bedeutet? Kann so ein Mensch überhaupt noch gerettet werden? Die Geschichte gibt uns die Antwort dafür.


Hell Screen (Jigoku Hen)“ geht es um einen berühmten Maler, der von seinem Kaiser beauftragt wird sein wunderschönes Reich als Wandgemälde in einem Turm zu verewigen. Statt dieser Aufforderung zu folgen, malt er stattdessen die Hölle auf Erden. Denn der Kaiser ist grausam, ermordet und foltert seine Gefolgschaft wie es ihm beliebt. Weil der Maler nicht in der Lage ist, das zu malen, was er nicht gesehen hat, also ein friedliches Königreich, malt er stattdessen die grausamen Taten des Kaisers an seinem Volk. Er entscheidet sich, dass sein letztes Werk ein Tribut an das Land sein soll, so wie es auch wirklich ist.

Lustig fand ich, dass die letzte Geschichte eigentlich da beginnt, wo die vorherige aufgehört hat. Sie spielt immer noch im gleichen Setting, diesmal aber mit anderen Figuren als Protagonisten. Den Plot fand ich ansprechend und auch recht originell, frei von irgendwelchen Klischees und auch unvorhersehbar. Der Protagonist steht ja vor einem großen Dilemma: er soll für das Mausoleum des Kaisers das schönste Bild des Landes malen. Das Problem ist nur, dass das Land gar nicht so schön und idyllisch ist, wie sich der Kaiser das ausmalt, der selbst ein ziemlicher Egoist ist und sich kaum für seine Mitmenschen kümmert. Vielmehr haben die schrecklichen Bilder von gefolterten und ermordeten Menschen das Bild des Künstlers von dem Land geprägt. Das ist jedoch das Problem, denn wenn er das malt, ist sein Exekution gewiss. Und dennoch wagt er dieses große Meisterwerk, was für mich wirklich sehr erstaunlich war. Obwohl er auch hätte anders handeln können, malt er das, was er sieht. Darin sehe ich die große Stärke der Geschichte: Malerei ist nicht einfach nur Kunst, Schönheit und Ästhetik.

Malerei muss nicht immer nur etwas fürs Auge sein, viel eher dient sie uns die Wirklichkeit zu präsentieren, so wie sie ist. Mir ist klar, dass Kunst das nicht immer tun will und soll, doch in diesem Kontext spielt das schon eine wichtige Rolle. Man könnte sagen, dass die Kunst für den Maler sein wichtiges Ausdrucksmedium ist und eben das wiedergibt, was er gesehen und erlebt hat. Er äußert damit also, das, was seine Sichtweise ist, wo wir wieder bei der Realität wären mit ihren verschiedenen Gesichtern. Das Dilemma ist ja, dass der Künstlers einerseits sich selbst und seinen Kunstethos verraten könnte, um sein Leben zu retten und das zeichnet, was der Kaiser von ihm verlangt. Er entscheidet sich aber dagegen, opfert sich ganz seinem Künstlertum und bleibt also seinen Werten treu, was ich echt beeindruckend fand. Insofern thematisiert die Geschichte wie Menschen den Tod überwinden, sich ihm stellen, indem sie ihren Werten folgen. Für diese sogar ihr Leben riskieren, um etwas zu erschaffen, was sie selbst übersteigt. Sein Lebenswerk, wie es genannt wird, wird etwas sein, was ihn überdauern wird und was Teil des kulturellen Gedächtnisses werden wird. Es wird in die Geschichte eingehen und ewig weiterleben. Dadurch verewigt sich also der Künstler selbst in seinen Werken. Ziemlich philosophisch, aber sehr anregende Geschichte, die mich ebenso zum Nachdenken brachte.




Optik und Musik:

Anzumerken wäre, dass jede der einzelnen Adaptionen von anderen Machern produziert wurde und deswegen die Qualitätsunterschiede in der Animation, dem Zeichenstil und dem Musikalischen natürlich sehr schwankt. Ehrlich gesagt ist mir bei keinem so wirklich etwas negativ aufgefallen, was also heißt, dass im Durchschnitt alle Adaptionen durchschnittlich gut waren. Jedoch muss ich bezüglich des Optischen erwähnen, dass ich besonders alle Adaptionen optisch ansprechend fand trotz ihrer Unterschiede. Alle waren ganz hübsch gestaltet, die Figuren hatten Wiedererkennungswert, die Animationen waren flüssig und besonders die verstörenden Szenen wurden in einigen Episoden ganz gut dargestellt. Die Synchronsprecher waren in diesem Werk wie immer top.


Fazit:

Abschließend kann ich zu „Aoi Bungaku“ sagen, dass mich der Anime sehr angesprochen hat und auch einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen hat und wird. Ich finde es echt cool, dass sich ein Anime mal auch an richtiger klassischer Literatur traut und auch wenn ich die Vorlagen nicht kenne, finde ich, hat sich das ganze Unternehmen gelohnt. Heraus gekommen sind einige richtige Juwelen, die sich inhaltlich und optisch sehr von dem Einheitsbrei abgrenzen und auffallen. Das liegt natürlich eindeutig an den literarischen Vorlagen, für die mein Interesse nun geweckt wurde. Ich würde es begrüßen wenn man in Zukunft noch mehr klassische Literatur, ob nun aus Japan oder aus den westlichen Ländern, adaptieren würde. Ich glaube, dass das einfach das Interesse an der Literatur erhöhen würde, aber auch den Anime zu Gute kommen würde. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Anime inhaltlich eher schwach sind, eher Klischees bedienen, weniger in die Tiefe kann, wäre es ein Versuch wert, sich mal an anspruchsvollere Stoffe zu wagen. Was dabei raus kommt, hat dieser Anime eindrücklich gezeigt. Die Stoffe sind anspruchsvoll, originell und passen sich dennoch dem Animesetting an. Sie haben mich ergriffen und auch sehr zum Nachdenken angeregt.


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