Sonntag, 26. Februar 2017

Essay-Manga - autobiographische Manga, die zum Nachdenken anregen


Manga  müssen nicht immer nur unrealistisch und für Kinder sein, das beweisen die sogenannten „Essay-Manga“.


Der sogenannte Essaymanga (japanisch „pāsonaru komikku“) ist um 1990 entstanden und dem Sachcomic sehr ähnlich und hat sich in den vergangenen Jahren als ein Erwachsenencomic manifestiert. Essay-Manga sind autobiographisch mit ernsteren Themen angelegt und sind ein gutes Argument dafür, dass Manga eben nicht nur „Kinderkram“ sind. Im Gegensatz zu den normalen Manga können solche auch nur Textbestandteile aufweisen, also kleine Essays zu einem Thema, was auch in den Manga-Segmenten thematisiert wird. In diesen Manga wird mit vertikalen Reihen und auf wenigen Seiten auf ironische Weise über den Alltag berichtet, beispielsweise über den arbeitsunfähigen Ehemann, einer willensstarken Ehefrau, die direkt nach dem 11. März  die sozialen Medien kontaktierte oder über den Alltag einer dementen Mutter. Man findet solche Manga teilweise auch in den Mainstream-Manga. Wenn Mangaka über ihren Alltag schreiben, was dann auch noch einen metafiktionalen Aspekt hat, da über den Manga selbst reflektiert wird. Solche Manga sind also in erster Linie anders als der Rest nicht fiktional, also nicht erfunden, sie erzählen von Wirklichem.  Weitere Merkmale von Essay-Manga sind sehr vereinfachte Zeichnungen, einfach geformte Panels und Layouts wie Figuren mit großen runden Punkt-Augen. 


Einige Beispiele gefällig?


"Pekorosu no haha ni ai ni iku“ - Pecoross Mother and Her Days behandelt das ernste Thema Demenz, zeigt aber auch eine andere Perspektive auf die Krankheit, wodurch das Leben der Betroffenen dennoch als lebenswert erfahren wird. Der Autor schreibt über seine demente Mutter und dessen Alltag mit der Pflege. Nach dem Tod seines Vaters erkrankte die Mutter an Demenz, wodurch er sich vollkommen ihrer Pflege verschrieb. 


Ein weiteres Beispiel wäre „Tsure ga utsu ni narimashite“, der über Depression berichtet. Obwohl das Thema sehr ernst ist, muss man nicht sofort damit rechnen, dass man selbst in Depression verfällt. I diesem Manga wird die persönliche Lebensgeschichte der Zeichnerin Hosokawa Tenten erzählt. Die Helden sind ihr Ehemann genannt „Tsure“ und sie selbst Tenten. Erzählt wird von ihrem Ehemann Tsure, der Ende Zwanzig aufgrund seines harten Berufes in Depression verfällt.  Entgegen der Erwartung, dass die Lektüre ernst und schwer wird, handelt es sich mehr um ein informierenden Manga bezüglich der seelischen Lage depressiver Menschen. Denn obwohl die Depression eigentlich eine sehr häufige Erscheinung in der Gesellschaft ist, sind die meisten darüber nicht wirklich aufgeklärt. Durch die übertriebenen humorvollen Zeichnungen wird die Ernsthaftigkeit des Themas etwas aufgelockert. Nicht nur der Krankheitsverlauf, sondern auch der Umgang damit im Alltag werden dargestellt. 


"Barfuß durch Hiroshima" (Hadashi no Gen" ist ein Manga, der ebenso sehr starke autobiographische Züge hat, jedoch über das Überleben des sechsjährigen Gen Nakaoka nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima berichtet. Während die bisherigen Manga eher nicht so populär sind, erregte dieser Manga von Anfang an große Aufsehen, was natürlich an der Problematik und auch der Komplexität der Geschichte liegt. Die Serie wurde bereits in mehrere Sprachen übersetzt, zweimal als Anime verfilmt und mit internationalen Preisen geehrt. Wie schon erwähnt basiert die Geschichte, wenn auch lose, auf den persönlichen Erlebnissen des Autors, dessen Vater, Bruder wie Schwester bei diesem Ereignis ums Leben kamen. Der Autor Nakazawa leidet als Hibakusha (Atombombenopfer) seitdem an Leukämie. Seie Mutter starb 1966 an den Folgen der Verstrahlung, was dazu führt, dass der Mangaka im Gegensatz zu seinen bisherigen Werken einen autobiographischen Manga zeichnete. Die Geschichte selbst versteht sich als Warnung vor dem Krieg und Kritik der nuklearen Waffen. Der Manga hat bisher nur positive Kritik erhalten und gilt allgemein hin als Comic-Klassiker.



Nihonjin no shiranai Nihongo (The Japanese the Japanese don’t know) handelt von einer japanischen Frau, die in einem fremden Land Japanisch lehrt. In dieser Sammlung von mehreren kleinen Geschichten dreht sich alles um diese japanische Lehrerin und ihre Schüler, wie auch Fragen zur japanischen Sprache und die Ursprünge gewisser Worte wie auch Redeweisen die selbst Japaner nicht wirklich kennen. Das ist insofern interessant, dass man hier eine Form von Edutainment findet, also eine Mischung aus Unterhaltung und Lehrreichem. Das Informative wird in Form von Geschichten übermittelt und so auch Lesern zugänglich, vor allem jenen, die sich für die japanische Sprache interessieren.


Der Manga Chuugoku Yome Nikki – eine chinesische Ehefrau und ihr Otaku-Ehemann fokussiert sich auf eine chinesische Frau, die einen etwa 40-jährigen japanischen Otaku geheiratet hat. Interessant ist hierbei, dass die Geschichte gar nicht von der Ehefrau, sondern vom Ehemann verfasst wurde. Er hat ursprünglich einen Blog begonnen und später das Ganze in Buchformat veröffentlicht. Der Manga selbst behandelt das persönliche Leben wie auch die verbundenen Probleme. Es fallen Missverständnisse mit hinein, wie auch Konflikte, besonders im Mittelpunkt stehen die Differenzen zwischen China und Japan. Die Frau entdeckt zunehmend immer neue Dinge, während sie sich mit der japanischen Sprache wie auch ihrem neuen Leben beschäftigt.



Eine Abweichung von den eher sonst üblichen ernsten stellt Fujoshi Kanojo dar, der wohl zwischen Mainstream-Manga und Essay-Manga steht. Was für den gewöhnlichen Manga spricht ist der typische Zeichenstil, der nicht so vereinfacht und niedlich aussieht. Für eine Zuordnung als Essay-Manga spricht dagegen, dass die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, denn der Autor Pentabu hat alles auf seinem bekannten Blog veröffentlicht und dann als Light Novel und später als Mangaserie heraus gebracht. Die Geschichte handelt von einem Studenten, der seine zwei Jahre ältere hübsche Freundin kennen lernt, die ein extremer Yaoi-Fan ist und ihn mit ihrem Hobby praktisch belagert und in prekäre Situationen bringt. Ich habe über den Manga schon einmal geschrieben. 
Entgegen der üblichen Essay-Manga, die eher sich an eine spezielle Zielgruppe richten und nicht so große Bekanntheit erlangen, wurde der Bloginhalt des Autors regelrecht gehyped, was auch erklärt, weswegen die Geschichte recht schnell in eine Light Novel, einen Manga und einen Film übertragen wurde.

Das war es soweit mit meiner kleinen Einführung in die Welt der Essay-Manga. Hierzulande hat sich das Genre leider bisher nicht wirklich etabliert, was ich recht schade finde. Mich würde interessieren, ob ihr schon einmal von Essay-Manga gelesen oder gehört habt und wie ihr diese findet? 

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